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In der Weinwirtschaft gibt es unterschiedliche Stimmen zur neuen Klassifikation des Verbands Deutscher Prädikatsweingüter (VDP) – viele positive, aber auch viele negative. Weinhändler Martin Kössler äußert sich in seinem Bericht von der VDP-Weinbörse im April dieses Jahres in Mainz differenziert: “Die Klassifikation wird sich, wir sind eindeutige Befürworter, in drei Stufen sicher auf dem Markt durchsetzen; ob sich allerdings die ‘Erste Lage’ zwischen den Ortsweinen und dem ‘Grossen Gewächs’ als vierte Stufe durchsetzen wird, bleibt fraglich. Uns scheint sie kaum vermittelbar. Die Zukunft wird´s weisen.” Auch Marcus Hofschuster, Verkostungs- und Redaktionsleiter von Wein-Plus, begrüßt die VDP-Initiative im Grundsatz: “Was die Klassifikation angeht: Ich bin sicher, je mehr hier aufgeräumt wird, desto besser wird es den betroffenen Erzeugern gehen – und desto besser werden erfahrungsgemäß auf absehbare Zeit die Weine”, erklärt er. Dabei bedeute aufräumen “eine klare Straffung des Sortiments, wie sie nach der neuen Klassifikation zwangsläufig ist”. Hofschuster hält “die Reduktion auf einen maßgebenden trockenen Wein pro Ort unterhalb der besten Lagenweine sowie einen Basiswein (pro relevanter Sorte) für die beste Maßnahme, nicht nur ein klares, verständliches Bild abzugeben, sondern auch aus diesen Weinen dann das Beste herauszuholen.”

Umsetzung und Durchsetzung werden hinterfragt

Prof. Dr. Dieter Hoffmann (Foto: Hochschule Geisenheim)
“Wohlwollend kritisch” kommentiert Professor Dr. Dieter Hoffmann von der Hochschule Geisenheim die neue VDP-Klassifikation. Der VDP ist für ihn so etwas wie “der Rotary-Club erfolgreicher Weingüter”, den er, wie er sagt, in seinen qualitativen Leistungen und Auftritten als überzeugend erlebt und wertschätzt. Das vierstufige Qualitätssystem beurteilt er ambivalent: “Kleine Weingüter, die in das System hineinwachsen, können es relativ einfach umsetzen. Von den großen, etablierten Weingütern werden einige es gut anwenden können, andere werden Schwierigkeiten haben.” Die neue Klassifikation sei demnach nur für eine begrenzte Zahl von Betrieben wirklich geeignet. Hoffmann findet das System “intelligent, aber kompliziert” und sieht derzeit noch “mehr offene als gelöste Fragen”. Die vom Verband lancierte Botschaft “Wir retten den deutschen Wein” geht ihm zu weit: “Die neue Klassifikation wird keine so durchschlagende Wirkung haben. Einige Sommeliers werden sich ereifern, einige Weinhändler haben was zu erzählen, und das ist auch alles in Ordnung so. Aber die Rettung des deutschen Weins ist dieses System nicht.” Nach Ansicht des Professors ist der VDP bereits jetzt wirtschaftlich und in seiner Außenwirkung so erfolgreich, dass er “sich nicht mit solch strikten Regelungen selbst Fesseln anlegen muss”. Hoffmann würdigt das Engagement des Verbands für die Weinqualität, spricht sich jedoch dafür aus, dieses “weniger dogmatisch und ohne Rechtsfolgen” zu betreiben. Er empfiehlt, eher Freiheiten und Gestaltungsspielräume zu nutzen, um den Erfolg deutscher Spitzenweine weiter voranzutreiben, und denkt, man sollte mit der neuen VDP-Klassifikation “locker umgehen”.

Die neue vierstufige Qualitätspyramide für die Weine der VDP-Mitglieder (Quelle: VDP. Die Prädikatsweingüter)

Auf dem VinoCamp Deutschland Ende Juni in Geisenheim wurde lebhaft über Sinn, Umsetzung und Durchsetzungsfähigkeit der vier Qualitätsstufen diskutiert, wobei die Teilnehmer die Klassifikation aus unterschiedlichen Blickwinkeln (als Erzeuger, als Händler, als Gastronomen, als Marketing- und PR-Fachleute, als Journalisten, als private Weinfreunde) betrachteten. Die Kritik bezog sich hauptsächlich auf die Verständlichkeit: “Wie soll der Verbraucher oder auch ein Weinkonsument im Ausland dieses System begreifen?”, fragte Weinfachberaterin Beate E. Wimmer rhetorisch. Weinjournalist Helmut O. Knall meinte, nicht die Kunden sollten ein neues System lernen müssen, sondern die Erzeuger und Verbandsfunktionäre müssten ein Qualitätssystem entwickeln, das die Kunden verstünden. Dirk Würtz, Betriebsleiter im VDP-Weingut Balthasar Ress, nannte die Vierstufigkeit aus Erzeugersicht eine “große Chance”, räumte aber ein, dass das System nicht aus Konsumentensicht konzipiert, sondern “verbandspolitisch motiviert” sei. Er zeigte sich optimistisch, dass die Unzulänglichkeiten, die es unbestritten noch gebe, bald und einvernehmlich gelöst würden.

Denkanstöße aus der Branche

Aus zahlreichen Gesprächen, die die Wein-Plus-Redaktion mit Winzern, Wissenschaftlern, Händlern und anderen Akteuren aus der Weinwirtschaft geführt hat, lassen sich Unklarheiten im Zusammenhang mit der neuen VDP-Klassifikation erkennen. Wesentliche Kritikpunkte sind dabei – wie bereits in einigen der oben zitierten Aussagen anklingt – die Lageneinordnung, die Prädikatsverwendung, die Verständlichkeit und Durchsetzungsfähigkeit des Systems sowie mitunter sogar die rechtliche Zulässigkeit der neuen Regelungen.

Viel wird über Marken diskutiert: Taugt die Einzellage als Marke? Ist die burgundische Hierarchie von “Grand Cru” und “Premier Cru” (“Großes Gewächs” und “Erstes Gewächs”), an dem sich der VDP orientiert, tatsächlich der optimale Ansatz oder ist das Bordeaux-System, das als Markensystem auf dem Prinzip von Weingut, Erstwein und Zweitwein basiert, nicht international bedeutsamer und auch pragmatisch besser geeignet? Fest steht, dass eine Marke ein Qualitätsindikator ist; ein anderer ist beispielsweise der Preis.

Der so genannte Traubenadler ist das Markenzeichen der VDP-Weine. (Foto: VDP / Bernward Bertram)

Problematisch erscheint mehreren Branchenteilnehmern auch der so genannte Lagenverbrauch: Jeder VDP-Mitgliedsbetrieb kann aus jeder “VDP Grossen Lage” und jeder “VDP Ersten Lage”, über die er verfügt, pro zugelassener Rebsorte jeweils nur einen trockenen Lagenwein erzeugen. Die Einstufung einer Lage als “VDP Grosse Lage” oder “VDP Erste Lage” ist dabei eindeutig, d.h. dieselbe Lage kann nicht bei verschiedenen Erzeugern einen unterschiedlichen Status haben. Hier sehen die Kritiker in manchen Regionen intensiven Abstimmungsbedarf und auch Konfliktpotenzial, denn – so der Vorwurf – es gebe keine Logik bei der Unterscheidung zwischen “VDP Erster Lage” und “VDP Grosser Lage”. Erfolgt also die Einteilung mehr oder weniger willkürlich auf Konsensbasis der regionalen Mitglieder?

Und ein dritter oft genannter Zweifel betrifft die Marktrelevanz des neuen Systems: Wird die Ausrichtung auf die vier Stufen der realen Nachfragesituation, der “Produktwirklichkeit” gerecht? Lässt sich der Verzicht auf die Lagenbezeichnungen bei “VDP Ortsweinen” und “VDP Gutsweinen” durch einen höheren Umsatz mit teureren Lagenweinen kompensieren? Können genug trockene Spitzenweine zu entsprechenden Preisen abgesetzt werden, während in der öffentlichen und zumal ausländischen Wahrnehmung die besten deutschen Weine rest- oder edelsüß sind? Und wie werden süße Prädikatsweine nachgefragt, nachdem laut den neuen Regelungen ja trockene Weine aus “VDP Ersten Lagen” und “VDP Grossen Lagen” keine Prädikate mehr tragen dürfen?

Auf der Weinbörse in Mainz werden jedes Jahr Ende April die VDP-Weine des neuen Jahrgangs vorgesellt; die Präsentation der neuen "VDP Grossen Gewächse" erfolgt erst im Herbst. (Foto: VDP / Bernward Bertram)

Mit diesen und weiteren Fragen wird sich die Wein-Plus-Redaktion in den nächsten Wochen im Dialog mit Persönlichkeiten innerhalb und außerhalb des VDP beschäftigen. Die Antworten werden in einer eher losen Folge weiterer Artikel hier im Wein-Plus-Magazin präsentiert – denn die “VDP Grossen Gewächse” des Jahrgangs 2012, mit dem die neue Verbandsklassifikation in Kraft tritt, kommen gerade erst in den Verkauf.

Zu Teil 1 der Artikelserie: "Pyramide, Prädikate, Politik"

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