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Anfang vergangenen Jahres ließ eine Pressemeldung die Weinwelt aufhorchen: Auf einer außerordentlichen Mitgliederversammlung am 25. Januar 2012 verabschiedeten die Mitglieder des Verbands Deutscher Prädikatsweingüter (VDP) einstimmig den Beschluss zu einer neuen Lagenklassifikation des Verbands. Damit wurde das bestehende Qualitätssystem erweitert und geändert; die neue Version tritt mit dem Weinjahrgang 2012 in Kraft. Vorausgegangen waren intensive, teils kontroverse Diskussionen innerhalb des Verbands, und auch heute sind noch einige Fragen offen. Wir stellen das neue Klassifikationssystem im Detail vor und haben Meinungen und Einschätzungen von Winzern und Branchenbeobachtern gesammelt.

 

Der so genannte Traubenadler ist das Logo der im VDP zusammengeschlossenen Prädikatsweingüter. (Foto: VDP)

Vier Qualitätsstufen

Der VDP ist der Zusammenschluss von mehr als 200 Weinbaubetrieben in Deutschland, die sich strengen Qualitätsrichtlinien (Ertragsbegrenzung, umweltschonender Weinbau u.v.m.) unterwerfen und in zehn Regionalverbänden organisiert sind. Die Verbandsgeschichte reicht über 100 Jahre zurück. Hintergrund der neuen Klassifikation ist das Selbstverständnis der Verbandsmitglieder “als Wegbereiter einer für Verbraucher eindeutigen Kennzeichnung von herkunftsgeprägten Spitzenweinen. [...] Ziel aller Bemühungen der Prädikatsweingüter und entscheidend für die Zukunft des deutschen Spitzenweinbaus sind handwerklich gefertigte, kulturbeseelte, terroirgeprägte Weine bei gleichzeitiger Bewahrung der stilistischen Vielfalt deutscher Weine. Mit unseren Böden, Mikroklimaten, Rebsorten und dem Engagement unserer Winzer verfügen wir über enorme Ressourcen. Richtig eingesetzt, sichern sie die Existenz unserer Weingüter und befriedigen im Konzert der großen Weine dieser Welt die wachsende Sehnsucht nach authentischem Genuss.” So heißt es – ein wenig pathetisch – im Nachsatz zum Beschluss der außerordentlichen VDP-Mitgliederversammlung vom Januar 2012.

Kernstück des Beschlusses ist die Erweiterung und Umstrukturierung des zuvor dreistufigen Qualitätssystems (Guts- und Ortsweine; Klassifizierte Lagenweine; Weine aus “Erster Lage”, die trocken ausgebaut als “Grosses Gewächs” bezeichnet werden) zu einer vierstufigen Klassifikation. Diese vier Stufen sind künftig (in absteigender Rangfolge):

„Grosse Lage“ wird dabei – wie “Grosses Gewächs” – abweichend von der bundesdeutschen Rechtschreibung mit Doppel-S geschrieben, um die Bezeichnung international leichter verwendbar zu machen, da das scharfe S als Sonderzeichen entfällt.

 

Schloss Johannisberg% Rheingau (Foto: Rheingauer Weinwerbung / DWI)

“VDP Erste Lage” als neue, fakultative Zwischenstufe

Die Einführung der neuen vier Stufen machte mehrere Änderungen und Ergänzungen notwendig. Eine wesentliche Voraussetzung für die Stringenz und Konsistenz des neuen Systems war, die bisherige oberste Kategorie “Erste Lage” in “VDP Grosse Lage” umzubenennen. “VDP Grosses Gewächs” heißen weiterhin die trockenen Spitzenweine, die nun – begrifflich übereinstimmend – aus den “VDP Grossen Lagen” stammen. Das Prinzip zur Definition der Stufe ist auf den ersten Blick simpel: “Betriebsübergreifend werden die besten der besten Lagen einer Region in die Kategorie VDP Grosse Lage [...] eingefügt.” Der VDP betont, durch die Umbenennung werde “auch die Gleichrangigkeit der fruchtsüßen Weine aus den Spitzenlagen unterstrichen. Mit der Umbenennung der Kategorie soll ausdrücklich nur der Widerspruch in der Nomenklatur gelöst und nicht eine neue höherwertige Kategorie geschaffen werden.”

Die Nennung der Lage auf dem Etikett ist in der neuen Klassifikation nur in den obersten beiden Kategorien möglich, wobei die zweithöchste Stufe nicht in jeder Region bestehen muss. Die bisherigen Klassifizierten Lagen werden, so der VDP-Beschluss, “kritisch überprüft” mit dem Ziel, “nur sehr gute Lagen weiterhin auf dem Etikett auszuloben”. Die einzelnen VDP-Regionalverbände können dann, sofern dies intern gewünscht wird, als zusätzliche Hierarchiestufe “VDP Erste Lagen” einführen. Auch wenn diese Stufe genauso heißt wie vorher die höchste Kategorie, ist sie nicht mit dieser identisch (zumal diese ja umbenannt wurde), sondern den neuen “VDP Grossen Lagen” untergeordnet und beinhaltet andere Lagen als diese. Pate stand hier in der Struktur ebenso wie in der Bezeichnung das Qualitätssystem im Burgund mit Grands Crus und Premiers Crus (wörtlich zu übersetzen mit Großen bzw. Ersten Gewächsen). Zum genauen Vorgehen bei der Lageneinordnung bestimmt der VDP: “Die Regionen legen im ersten Schritt ihre Grossen Lagen fest, um dann bei überbetrieblicher Einigung auch optional Erste Lagen auszuweisen. Somit entscheidet jede Region über die Drei- oder Vierstufigkeit ihrer Herkünfte. Die Option kann von den Regionen zu einem selbst gewählten Zeitpunkt realisiert werden. Einfachere und mittlere Lagen gehen auf Regionenbeschluss in den Gutsweinen und Ortsweinen auf.”

 

Roter Hang mit Blick auf Nierstein% Rheinhessen (Foto: Peter Martin Gräf / DWI)

Keine Prädikate für trockene Orts- und Lagenweine

Jeder VDP-Mitgliedsbetrieb kann aus jeder “VDP Grossen Lage”, über die er verfügt, und aus jeder dafür zugelassenen Rebsorte nur einen trockenen Lagenwein erzeugen, der dann als “VDP Grosses Gewächs” mit dem Lagennamen bezeichnet wird. Dieses so genannte Ein-Wein-Prinzip gilt auch bei “VDP Ersten Lagen”. Die Prädikate (von Kabinett bis Eiswein) sind künftig nur rest- und edelsüßen Lagenweinen vorbehalten, d.h. trockene Weine aus “VDP Grossen Lagen” und “VDP Ersten Lagen” können kein Prädikat tragen. Gleiches gilt für trockene “VDP Ortsweine”; nur bei “VDP Gutsweinen”, der untersten Stufe der Qualitätspyramide, sind Prädikate sowohl im trockenen als auch im frucht- und edelsüßen Bereich zulässig, wobei allerdings der Zusammenhang zwischen dem Attribut “trocken” und den Prädikaten ab Auslese aufwärts verboten ist. Die Geschmacksangabe “trocken” ist bei entsprechend ausgebauten Weinen obligatorisch. Für alle Prädikatsweine legen die einzelnen VDP-Regionalverbände spezifische Geschmacksprofile fest.

Generell werden weiterführende Detailregelungen regional ausgearbeitet. “Die Regionen erhalten eine weitreichende Ausgestaltungsmöglichkeit, um den jeweiligen regionalen Besonderheiten Rechnung zu tragen, unter Einhaltung des bundeseinheitlichen Rahmens”, gibt der Mitgliederbeschluss vor. So können sich Mitglieder im Einzelfall “zur Vermeidung unbilliger Härten” von den Klassifikationsregelungen befreien lassen, wenn ein Grund für eine solche Ausnahme besteht.

 

Neckarschleife bei Mundelsheim% Württemberg (Foto: DWI)

Übersicht über die Klassifikationsregelungen

Stufe 1: “VDP Gutswein”

Stufe 2: “VDP Ortswein”

  • entstammt “hochwertigen, charaktervollen und traditionellen” Weinbergen innerhalb eines Ortes, die mit gebietstypischen Rebsorten bepflanzt sind
  • Höchstertrag 75 hl/ha
  • Handlese ab Prädikatsstufe Auslese vorgeschrieben
  • auf dem Etikett weist der Ortsname auf die Herkunft hin
  • bei so genannten Terroirweinen kann eine bestimmte Bodenart auf dem Etikett angegeben werden
  • trockene Ortsweine werden als “Qualitätswein trocken” bezeichnet; Prädikate sind nicht zulässig (zeitlich befristete Ausnahmeregelung für trockene und halbtrockene/feinherbe Kabinett-Weine)
  • halbtrockene/feinherbe Kabinett- und Spätlese-Weine können regional zugelassen werden
  • restsüße Ortsweine tragen die klassischen Prädikate
  • empfohlene Vermarktung nicht vor 1. März des Erntefolgejahres

 

Die Qualitätsstufen zeigen sich auch in der Flaschenausstattung. (Foto: VDP)

Stufe 3: “VDP Erste Lage”

Stufe 4: “VDP Grosse Lage”

  • Lagen sind definiert als “hochwertigste, parzellengenau abgegrenzte Terroirs, in denen Weine mit ganz besonderem Charakter reifen, die ihre Herkunft widerspiegeln und ein besonderes Reifepotential besitzen”
  • enge regionale Vorgaben für zugelassene, zum Weinberg passende Rebsorten
  • Höchstertrag 50 hl/ha
  • selektive Handlese vorgeschrieben
  • Mostgewicht mindestens auf Spätleseniveau
  • zusätzliche Kontrolle der “qualitätsorientierten Arbeit im Weinberg” und sensorische Prüfung der Weine
  • auf dem Etikett weist nur der Lagenname auf die Herkunft hin; zusätzliche Kennzeichnungspflicht als “VDP Grosse Lage”
  • trockene Weine aus “VDP Grosser Lage” werden als “VDP Grosses Gewächs” bezeichnet und in einer speziellen Flasche mit GG-Trauben-Logo abgefüllt; Prädikate sind nicht zulässig (zeitlich befristete Ausnahmeregelung für halbtrockene Kabinett-Weine)
  • Geschmacksangabe “trocken” obligatorisch; Geschmacksangabe “halbtrocken” oder “feinherb” fakultativ
  • restsüße Weine aus “VDP Grosser Lage” tragen die klassischen Prädikate und müssen regional festgelegte Geschmacksprofile erfüllen
  • vorgeschriebene Vermarktung für frucht- und edelsüße Prädikatsweine nicht vor 1. Mai des Erntefolgejahres, für “VDP Grosse Gewächse” nicht vor 1. September des Erntefolgejahres, für Rotweine nicht vor 1. September zwei Jahre nach der Ernte

 

Steillage "Kanzemer Altenberg" an der Saar (Foto: Christopher Arnoldi / DWI)

Ein Kompromiss mit Ambitionen

Zu allen Details hat der VDP eine Broschüre (auch mit einer anschaulichen grafischen Darstellung) herausgegeben und ist von seinem neuen Konzept überzeugt: “Der große Fortschritt dieser Vierstufigkeit und Lagenrestriktion ist die zukünftig vereinfachte Einteilung und Kommunikation der Herkünfte in Guts-, Orts- und Lagenweine (Grosse und Erste Lagen analog des burgundischen Cru-Systems). Auch die sprachliche Logik von Grossen Gewächsen aus Grossen Lagen wird für alle Marktteilnehmer eine Vereinfachung sein. Außerdem wird den Grossen Gewächsen als international anerkannten trockenen Spitzenweinen Deutschlands Tribut gezollt.” Im Stolz auf den Erfolg und in der Zuversicht, dass sich die Klassifikation durchsetzen wird, schwingt jedoch auch das Ringen um die Regelungen mit: “Die Zustimmung und Auseinandersetzung der Branche mit dem Thema und nicht zuletzt zahlreiche Nachahmer zeigen, dass der Weg in die richtige Richtung geht. Die Prädikatsweingüter sind sich bewusst, dass zur Zielerreichung manchmal auch Umwege beschritten werden müssen, vor allem aus weingesetzlichen Gründen, aber auch aufgrund der unterschiedlichen regionalen Gegebenheiten.”

Das neue Qualitätssystem erscheint somit auch als Kompromiss – was durchaus in der Natur der Sache liegt. Ausdrücklich verweist der Verband darauf, dass die vierstufige Pyramide keinen weingesetzlichen Status hat: “Die VDP-Klassifikation beruht auf einem privatrechtlichem Statut der Prädikatsweingüter Deutschlands. Dieses Statut definiert die Qualität eines Weines nach dem ‘Terroir’, der Herkunft in Verbindung mit der Qualität. Für die Prädikatsweingüter ist also der Weinberg das ausschlaggebende Gütemerkmal. Ziel der VDP-Klassifikation ist es, die Wertigkeit der besten Lagen Deutschlands festzulegen, den Erhalt einer einzigartigen Kulturlandschaft zu sichern, den Stellenwert großer trockener Weine aus Deutschland zurück zu gewinnen und die Bedeutung der traditionsreichen fruchtsüßen Prädikatsweine hervorzuheben.” Im Klartext heißt das: Das Klassifikationssystem gilt nur für die VDP-Mitgliedsbetriebe, soll jedoch als wegweisend für den deutschen Qualitätsweinbau betrachtet werden.

Zu Teil 2 der Artikelserie: "Über Chancen und Schwächen"

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