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Rotwein zu Fisch war früher das Peinlichste, was Gäste im Restaurant bestellen konnten. Diese Zeiten sind vorbei, doch das Thema bleibt schwierig. Nun lautet die Formel: Der richtige Rotwein zum richtigen Rezept. Matthias Stelzig hat dazu Geheimtipps von drei Londoner Spitzensommeliers erfahren.

In einem Backstein-Gewölbe unter dem Bahndamm liegt das Restaurant „The Sea The Sea“ neben einer Yoga-Schule und einem Virtual-Reality-Laden. Oben drüber rattern Overground-Züge in die Vororte. Es ist eines der angesagtesten Restaurants von East London: Drinnen sitzt das Publikum auf orangefarbenen Lederhockern um eine kreisrunde Theke aus schwarzem Stein. Darauf serviert der Service große Teller mit optisch reduzierten Fischgerichten.

Ob Makrele mit Miso oder Hummer-Terrine: Immer sind zwei, drei Zutaten klar zu erkennen. „Das Produkt steht bei uns im Vordergrund“, erklärt Sommelier Pedro Abreu. Die hippe Kundschaft, die sich hier das Essen schmecken lässt, will Fisch pur. Frischen Tunfisch, Seeteufel oder Steinbutt. „Wir setzen nicht viele Gewürze ein“, betont er. Ist es schwierig, solche Gerichte mit Rotwein zu kombinieren? „Nicht unbedingt“, findet Abreu, „die Weine dürfen nur nicht zu konzentriert sein. Zweigelt oder Blaufränkisch aus Österreich etwa passen gut.“

Vor allem, wenn die Saucen intensiv schmecken, schenkt der Sommelier diese Weine gerne dazu ein. Bei gegrilltem Steinbutt mit fermentierter roter Paprika oder Eiswein-Essig aus Kanada findet er zudem eine Spielwiese auch für ausgefallene Rotweine. „Caiño aus Rías Baixas passt beispielsweise zu sehr vielen Fischgerichten.“ Die alte Sorte stammt – wie Pedro Abreu – aus dem Norden Portugals, hat eine gute Säure und wird oft mit karbonischer Mazeration vinifiziert. Für ihn passt das hervorragend: „Das macht sie dazu knackig und frisch.“ Es könnte auch ein Espumante aus der roten Sorte Baga sein. Der Schaumwein kommt den Aromen des Gerichts mit Aromen von Waldfrüchten entgegen.

 

Pedro Abreu findet es gar nicht schwierig, Fisch mit Rotwein zu kombinieren.

Pedro Abreu

Klassische Fischrezepte rufen nach Chablis

Er hat viele gute Ideen, und trotzdem schreit fast jedes klassische Fisch-Rezept nach Weißwein. Das zarte Eiweiß von Fisch kollidiert heftig mit dem Rotwein-Tannin. Wer schweren Syrah, Cabernet oder sogar Tannat dazu ausschenkt, könnte auch auf ein paar alten Kupfermünzen herumkauen, so metallisch schmeckt das. Auch die üblichen Begleitaromen kommen bei Rotwein schnell unter die Räder: Reis, Dill und Zitrone, Estragon, Safran, Sahne und Crème Fraîche sind einfach keine guten Partner für kräftige Gerbstoffe. Von Austern ganz zu schweigen. Alles, was jodig nach Meer schmeckt - etwa rohe Gambas -, will in Weißwein mit viel Kalk-Mineralität schwimmen. Chablis, Champagner oder ein feiner Silvaner aus Franken – besser geht’s kaum.

Zu vielen traditionellen Fischgerichten in Rotwein-Gebieten wurde aber schon immer der regionale Rotwein getrunken. Ein Sizilianer würde zu” tonno” (Thunfisch) fast immer einen Roten wählen. Bacalhão (Stockfisch) ist in Portugal ein nationales Kulturgut. Im Norden wird er gern mit Olivenöl, Knoblauch, Kartoffeln und schwarzen Oliven gebacken. Das schreit nach einem Rotwein vom Dão oder Douro. Ein bekanntes spanisches Sprichwort lautet: Der beste Weißwein ist ein Rotwein. Deshalb kommt auch kein älterer Gourmet auf den Gedanken, zum Fischeintopf Zarzuela einen Weißen zu verlangen. Zu den geliebten Gambas in der Paella schwört der Katalane selbstverständlich auf einen Bobal-Rotwein aus Valencia. Vor allem die Röstaromen der Schalentiere lassen sich damit toll kombinieren.

Im französischen Urlaubsort Arcachon nahe Bordeaux wird den Austern-Touristen meistens Sauvignon Blanc und Sémillon eingeschenkt. Die Bauern und Austernproduzenten dagegen sieht man dagegen oft mit einem Glas Rotwein in der von Wind und Wetter gegerbten Hand. Kellner in Landrestaurants rollen mit den Augen, wenn mal wieder ein Ausländer zum traditionellen Fischgericht „lamproie à la bordelaise“ vorsichtig ein Gläschen Weißwein bestellt. Schließlich wird das Neunauge in Blut und Bordeaux gekocht – und den gibt’s auch dazu. Et c’est tout! Und was trinken Kenner in der Provence zur Bouillabaisse? Keinen hippen Rosé, sondern einen kraftvollen Roten.

 

Yuri Nemkoff liebt deutschen Spätburgunder zu Fischgerichten

Yuri Nemkoff

„Gäste mögen das Wilde“

„Das Pairing ergibt sich vor allem aus der Frage nach dem Rezept“, erklärt Yuri Nemkoff. „Fisch, der in der Sauce mariniert ist, entwickelt intensive Aromen, vor allem von dunklen, rauchigen Saucen wie in der chinesischen Küche.“ Er empfiehlt in diesem Fall: Nerello Mascalese. „Die vielschichtigen Weine vom Ätna sind nicht zu schwer und halten eine gute Balance“, erklärt er. Nemkoffs Arbeitsplatz ist das Restaurant Noble Palace im Viertel St. James’s Park beim Buckingham-Palast. Die Küche ist „von den Kaisern der letzten Dynastie inspiriert“ und wird mit modernen Extras aufgewertet. Dazu gehören schottischer Hummer genauso wie Beluga-Kaviar und gefüllte japanische Abalone.

„In der chinesischen Küche“, sagt Yuri, „passen viele Gerichte zu Rotwein. Tunfisch-Tartar bietet sich an.“ Mit Beaujolais zum Beispiel, am besten ein Brouilly, die südlichste Cru-Lage der Region. Seine Erfahrung damit: „Die Gäste mögen das Wilde daran.“ Yuri Nemkoff erinnert sich an seine Besuche in Deutschland, an Assmannhausen und den Rheingau. „Ich bin kilometerweit am Rhein entlang gewandert und habe Pinot Noir probiert.“ Spätburgunder aus Deutschland zu Fischgerichten? Das hören deutsche Weinfans gern. „Wichtig ist, dass die Weine nicht zu wuchtig sind”, erklärt der Sommelier, “sie müssen viel Frucht und eine treibende Säure mitbringen.“ Das trifft auf viele deutsche Pinot Noir-Weine genau zu - und erst das erzeuge den richtigen Trinkfluss.

Auch mitteleuropäische Flussfische wie Forelle, Zander, Saibling, Aal und Karpfen sind wie gemacht für Kombinationen mit Rotwein. Dazu passen – außer Spätburgunder – auch Lemberger und Sankt Laurent. Oder ein guter Trollinger. Aber eben nur, wenn die Zubereitung es möglich macht.

Sein Kollege Mateusz Kowalczyk ergänzt die Empfehlung daher mit einer Frage: „Will ich Harmonie oder Gegensatz? Chardonnay, Champagner und Sancerre runden viele Fischrezepte harmonisch ab, ein kühler Roter bietet Kontrast." Und der kann hervorragend zum Essen wirken, weiß der Chef-Sommelier des Restaurants Kai Mayfair. Nach dem gleichnamigen Viertel ist in der englischsprachigen Version von Monopoly die Schlossallee benannt. Das Restaurant liegt zwischen Botschaften sowie Luxus-Boutiquen und führt, ebenfalls mit chinesisch-europäischer Küche, einen Michelin-Stern.

 

Was ist drin im Gericht? Das ist für Sommelier Mateusz Kowalczyk die entscheidende Frage.

facebook/ kaimayfair

„Zuerst frage ich mich: was ist drin?“

„Zuerst frage ich mich: Was ist drin im Gericht?“, erklärt Sommelier Kowalczyk, “welche Komponenten, welche Gewürze?” Fisch und Meeresfrüchte sind als Basis immer nur ein Element von mehreren. „Gegrillter Seebarsch mit Röstaromen, vor allem mit pikanten Zutaten, ist eine gute Vorlage für Rotwein.“ Pinots Noirs sind auch seine Favoriten, gern aus einer kühleren Region des Burgunds wie Santenay.

Gambas mit Wasabi ist ein ‘signature dish’ im Kai Mayfair, zubereitet mit Mango, Chili und einer Mayonnaise nach geheimem Rezept. Dazu serviert er Valpolicella aus einer Einzellage von Bertani, ebenso wie einen leichteren, reifen Cabernet Sauvignon aus Kalifornien. Oder einen Nebbiolo aus der Langhe. “Aber keinen Barolo, der ist zu schwer“, schränkt er die Auswahl ein. Der Sommelier zählt spontan noch ein paar seiner roten Fisch-Empfehlungen auf: Montepulciano d’Abruzzo, Joven- oder Crianza-Rotweine aus der Rioja, etwa von Vina Tondonia oder aus der kühlen Sierra Cantabria von Murrieta und Riscal.

Beide Sommeliers bleiben gelassen, was solch ungewöhnliche Kombinationen angeht. Das könnte auch am Publikum liegen, berichtet Sommelier Kowalczyk: “Unsere Gäste werden immer jünger, wollen ihren Spaß haben und geben viel Geld aus.“ Sie bestellen, worauf sie Lust haben – und nicht, was der Sommelier als Empfehlung vorgibt. Das mache auch seine Arbeit viel freier: „Das Leben ist zu kurz, um immer wieder dasselbe Buch zu lesen.“ Mit dieser Experimentierfreude lassen sich mit Fisch und Rotwein noch viele spannende Kombinationen entdecken.

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