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Gründe mag es deren viele geben, aber die Konsequenz ist eindeutig: Im Vergleich zu Frankreich sind die Weinbauregionen Spaniens noch ein relativ junges Konstrukt. Lediglich die Rioja ist über 80; älter als fünfzig Jahre sind gerade einmal dreizehn, viele wurden entweder kurz nach dem Ende der Franco-Diktatur gegründet oder stammen aus der Boomphase der neunziger Jahre. In Castilla y León ist die D.O. Ribera del Duero die zweitälteste nach Rueda, das aber auch gerade einmal zwei Jährchen älter ist. Dennoch mag es überraschen, dass fast die Hälfte aller Denominaciones de Origen älter sind als Ribera del Duero.

 

Die Gründerväter hatten damals eigentlich nur eines im Kopf: eine ordentliche Produktions- und Vermarktungsumgebung zu schaffen. Dass sie ein gutes Jahrzehnt nach ihrer Gründung die spanische Weinwelt auf den Kopf stellen und - zumindest qualitativ - die Vormachtstellung der Rioja angreifen würden, wagte damals noch niemand zu denken. Seitdem hat sich vieles verändert: die Zahl der Bodegas explodierte von dreizehn auf über 230, aus ehemals 5.000 Hektar wurden 20.000 Hektar, Ende offen.


Die Stars der ersten Stunde

Natürlich ist da Vega Sicilia zu nennen. Vega verdankt die Region zum Beispiel, dass Malbec als Rebsorte in Ribera zugelassen ist. Denn als die D.O. gegründet wurde, hatte der Betrieb eben diese Rebsorte in ihren Weinbergen stehen. Also entweder Malbec drin oder Vega draußen. Was folgte, war eine der wenigen wirklich guten Entscheidungen des Consejo Regulador. Vega Sicilia trägt heute die Abfüllnummer 001 als die erste Bodega der D.O.

Fasslager von Bodegas Neo
 

Dies allerdings ist ein kleines Geschenk einer anderen Kellerei. Denn Vega hatte zunächst die wenig prestigeträchtige 011 - die 001 hatte Protos, damals noch Cooperativa Ribera del Duero. Protos war und ist auch die Bodega, die Ribera del Duero national bekannt gemacht hat. Wo auch immer man in Spanien im Restaurant sitzt: Wenn es Ribera del Duero zu trinken gibt, dann gibt es auch stets auch Protos. Keiner hat ein derartig engmaschiges Netz wie die wuselige Kellerei, die heute fünf Millionen Kilo Trauben verarbeitet und derzeit an einer neuen, futuristischen Bodega bastelt, designed by Norman Foster.

 

Stilprägend war Protos schon, genauso wie ihr internationaler Contrapart, Tinto Pesquera. Beide schätzten den Ausbau der Weine in Barricas aus amerikanischer Eiche, beide waren und sind Freunde der Vanille und der Kokosaromen. Das mag auch daher kommen, dass Teófilo Reyes für beide Betriebe als Önologe gearbeitet hatte, ehe er sich 1994 mit seiner eigenen Bodega selbstständig machte, es aber nur zu einem kleinen Sternchen schaffte - Stars wurden andere. 1985 Pesquera Gran Reserva sei der Petrus Spaniens - wer solche wagemutigen Vergleiche zieht, muss einen guten Anwalt haben, oder besser noch: selber Anwalt sein. Dieser Spruch war so etwas wie die internationale Geburtsstunde der „Marke" Ribera del Duero. Neben Pesquera fiel vor allem die wesentlich kleinere Bodega Ismael Arroyo mit ihrem ValSotillo auf, der als Gran Reserva damals bisweilen höchstes Kritikerlob einfuhr, inzwischen aber weit weniger Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit erhält. Mit Pérez Pascuas ist diese Gruppe der Altstars dann auch ganz schnell abgeschlossen.

 

Interessant ist, dass mit Ausnahme von Vega Sicilia heute keine dieser Bodegas mehr in der allerersten Liga der Region spielt, weder bei nationalen noch bei internationalen Verkostungen. Dies hat mit einen Phänomen zu tun, dass typisch für Spanien ist, vorhersehbare Konsequenzen hatte, aber doch bis heute fast völlig ignoriert wurde: Weinbau in Spanien und insbesondere in Ribera del Duero ist eine zweigeteilte Angelegenheit; die Weinbauern besitzen die Weinberge und verkaufen die Trauben an die Bodegas, die daraus Wein machen. In der Boomphase der neunziger Jahre, als mit Ernten von 17 und 19 Hektoliter pro Hektar nicht gerade viel Traubenmaterial vorhanden war, waren die Weinbauern die Könige der Region. Bis zu 450 Peseten, was 2,70 Euro entspricht, kostete das Kilo Trauben. Unter 200 Peseten konnte man bestenfalls Schalen zur Schnapsherstellung kaufen. Die Weinbauern wurden reich - und gründeten später ihre eigenen Bodegas, wodurch den Altbodegas die Trauben insbesondere für ihre Topweine fehlten. In einer der oben genannten Bodegas erklärte man dem verdutzten Besucher: „Wir", und in diesem Wir steckte viel kastilischer Stolz, „wir sind Bodegueros, und keine Weinbauern!" Kellereien, die dereinst mit fast einer halben Million Flaschen Geld verdienten ohne Ende, keltern heute noch ein Viertel dessen und wären froh, auch nur annähernd die Preise von damals erzielen zu können.


Die Ankunft des Neuen markiert die goldenen Jahre

 

Natürlich ist die Gründung einer Region die wichtigste Aktion für ebendiese. Aus qualitativer Sicht, und da sind sich heute rückblickend alle Kundigen einig, bestimmte ein anderes Ereignis den Weg, den Ribera del Duero in der Zukunft gehen würde: die Ankunft eines blonden Jünglings, der in Interviews immer scherzhaft vorgibt, dass ihm auf der N-122 der Sprit ausging, er keine Tankstelle fand, und dann eben dageblieben sei. Über diese Geschichte mögen Zweifel erlaubt sein, über die Konsequenz daraus nicht. Peter Sisseck brach als erster mit der Vorstellung, dass nur aus alten Anlagen große Weine entstehen können. Er erhielt die Weinberge, die heute die Grundlage für Hacienda Monasterio sind, fast geschenkt, weil damals an diesen kalkhaltigen Hängen niemand Reben pflanzen wollte - und für andere Bewirtschaftung taugen Flächen ohne Mutterboden nun einmal nicht. Niemand sprach zuvor von Ertragsbeschränkung, von grüner Lese, und niemand baute damals ausschließlich auf die Trauben aus der eigenen Ernte, auch Vega Sicilia nicht, die noch immer einen guten Teil ihrer Trauben von freien Weinbauern zukaufen. Gleichzeitig mit Pago de Carraovejas führte Hacienda Monasterio Fässer aus französischer Eiche ein, um den Vanillebomben den Kampf anzusagen, auch wenn der stets bescheiden auftretende Däne dies niemals so formulieren würde.

Vielleicht das Geheimnis der besten Ribera-Weine: wenig Erde% viel Kalk

Was folgte, waren die drei goldenen Jahre der Ribera del Duero. Ruhm reihte sich an Ruhm, Dollar an Dollar, die Bodegas waren, auch dank der knappen Ernten, ständig ausverkauft, das Gründen einer Bodega in Ribera del Duero wurde zu Zeitvertreib neureicher Madrilenen, die damit vor ihren Geschäftspartnern prahlen konnten. Völlig perplex und unvorbereitet traf es die Rioja. Die sich stets in der Sonne wähnende Region musste von einem Tag auf den anderen lernen, dass sie nur noch die zweite Geige spielte. Es sollte zehn Jahre dauern, bis sie sich davon wieder erholte. Heute, fast fünfzehn Jahre nach dem Boom, ist eine Flasche Rioja im Schnitt wieder teurer als eine Flasche Ribera. Damals stiegen die Preise - und es stiegen die Mengen. Das konnte nicht gut gehen. Als nach der für damalige Verhältnisse großen Ernte 1996 noch immer gut verkauft wurde, drehten viele Bodegas ein Jahr später erneut an der Schraube - es war eine Drehung zuviel. Der Markt brach zusammen. Als Folge der vielen Neupflanzungen in den neunziger Jahren schwappte immer mehr Wein auf den Markt, plötzlich wurde Wein nicht mehr einfach zugeteilt, er musste verkauft werden, was viele Produzenten schlicht nicht konnten, nie gelernt hatten. Die Rebfläche hatte die 10.000-Hektar-Grenze längst überschritten, der Consejo gab immer wieder neue gewünschte Obergrenzen aus, aber ohne Erfolg.


Der Knall und die Wende

 

Die ersten Projekte brachen zusammen. Von zehn Freunden aus Madrid, die auszogen, rotes Gold zu scheffeln, wurden sechs nervös und wollten ihr Geld zurück. Die Weinbauern, die zumeist keine Kontakte jenseits des Dorfes hatten, wussten plötzlich nicht mehr, wohin mit dem Wein. Die Preise sanken - teilweise um mehr als 50 %. Und der Export brach ein. Zunächst in Europa, allen voran in Deutschland, wo sich ein neuer Liebling in den Vordergrund drängte, das Priorato. Wenig später gab es auch Rückgänge bei den USA-Exporten, insbesondere weil der Dollar stieg und stieg und die Weine fast unbezahlbar wurden. Auch die Zahl der Bodegas durchbrach eine Barriere: 1998 gab es mehr als 100 Kellereien in Ribera del Duero.


Fast 100 - und noch immer aktiv. Ein unscheinbarer Hügel am Rande von Peñafiel ist Basis eines der elegantesten Weine der Region
 

Dann kam Pingus! Und mit ihm eine neuerliche Wende. Das System der Garagen-Bodega, das Peter Sisseck aus Pomerol nur bestens kannte, und der Mini-Vinifikationen begann. Zuvor gab es nur Pago Santa Cruz. Im Schlepptau von Pingus kamen Pesus, Terreus, Malleolus, die Generation der -us-Weine. Jeder, der halbwegs etwas auf sich hielt, musste einen solchen Wein haben - selbst die Rioja: Aurus. Ribera hatte sich an die Qualitätsspitze wieder nach vorne gebracht, nicht zuletzt, weil das Priorato ein wenig schwächelte und die Rioja noch immer im Koma zu liegen schien. Aber all die -us-Weine konnten nicht darüber hinweg täuschen, dass eben nicht mehr alles Gold war, was glänzte. Manches war einfach nur Speck.

Man hatte sich daran gewöhnt, dass 50 Millionen Kilo auch verarbeitbar seien, man gewöhnte sich an die Chemie. Denn viele Weinberge stehen dort, wo früher Kartoffeln wuchsen und es besser auch heute noch tun würden. Und man gewöhnte sich daran, dass die Großbodegas anderer Regionen nach Ribera del Duero kamen. Real Sitio de Ventosilla, mit etwa 500 Hektar Rebfläche noch immer das größte Gut der Region, bekam Konkurrenz: J. García Carrión aus Jumilla, Felix Solís aus Valdepeñas, Federico Paternina und viele mehr. Torres kam, auch Freixenet, auch Codorniu. Die Rioja war da, mit La Rioja Alta an der Spitze, Galicier kamen, selbst Rueda-Bodegas wie Palacio de Bornos wagten den Sprung auf die andere Seite. Ribera del Duero veränderte sein Gesicht. Mit acht Millionen Litern Kapazität stellte Felix Solís eine Art Raumschiff nach Olmedillo de Roa, mit fünf Millionen verkauften Flaschen wurde J. García Carrión zum Verkaufsstar der Region, die zehn größten Weingüter kontrollieren heute ein Viertel des Marktes. Und dieser Markt ist hart geworden. Kleine Bodegas ohne große Reputation offerierten ihre gar nicht einmal so schlechten Weine für einen Euro in der Gastronomie - wenn man drei Kartons kaufte, gab es den vierten gratis. Geld verdienen geht anders.

International hatte sich Ribera del Duero wieder gefangen. Der Dollar fiel und die Exporte stiegen. Auch nach Deutschland, wo inzwischen wieder mehr als 400.000 Flaschen pro Jahr landen - die Statistiken des Consejo sind da leider nur sehr vage.


Ribera als Avantgarde

Langsam begann sich durch den Verzicht auf die klassischen Stufen Crianza, Reserva und Gran Reserva auch ein anderes System durchzusetzen. Das allerdings hat Ribera klar von der Rioja kopiert. Als Miguel Ángel de Gregorio seinen ersten Allende auf den Markt brachte, und ihn als einfachen Vino de Cosecha etikettierte, weil er sich nicht mit dem Consejo über die Dauer der Fassreife streiten wollte, nahm das in Ribera noch niemand richtig zur Kenntnis. Erst als Weine wie Palomero, Neo Punta Esencia oder Avan auf den Markt kamen und die Bodegas schlecht ihren besten Wein als Joven, alle anderen hingegen als Crianza oder Reserva vermarkten konnten, begann das System zu wanken. Die schon immer nur bedingt sinnbehaftete Regelung, dass die Dauer der Fassreife den Status des Weines bestimmen solle, brach auch in Ribera del Duero zusammen. Das Priorato kannte sie nie und auch in der inzwischen groß gewordenen Region Toro wurde die alte Klassifikation nur von den Traditionalisten benutzt.

Mit knapp 5.000 Stöcken der dichteste Weinberg in ganz Ribera del Duero. Auch heute werden noch viele Parzellen im Kopfschnitt gezogen

Während all dieser Entwicklungen wuchs Ribera del Duero stets weiter, jedoch in immer kleineren Schritten. Waren es in den ersten Jahren dieses Jahrzehnts noch an die 30 Bodegas, die jährlich neu hinzukamen, so sind es heute noch fünf oder sechs. Bodegas Aniversario, die kurz vor dem Eintritt in die D.O. noch schnell den Namen geändert hat, ist die Nummer 231 - Ende offen. Die Rebfläche hat die Grenze der 20.000 Hektar auch überschritten, nur mehr ein Viertel ist älter als 30 Jahre. Gleichzeitig haben Mechanisierung und Industrialisierung zugelegt. Viele Weinberge werden bewässert, weil man das, was man daraus macht, auch mit 7.000 Kilo pro Hektar erreichen kann. Zur Ehrenrettung dieser Zahl muss man aber auch erwähnen, dass selbst 7.000 Kilo bei einer Ausbeute von im Schnitt nicht mehr als 55 % einem Ertrag von unter 40 Hektoliter pro Hektar entsprechen, im Burgund reicht das für Grand Cru, in Bordeaux für 800 Euro Endverbraucherpreis. Wie überall in Spanien tut sich "Bio" auch in Ribera del Duero schwer. Gleichwohl gibt es heute drei Bio-Bodegas in Ribera del Duero, und zumindest bei den Alten ist der Bio-Gedanke noch immer vorhanden, weil sie es eigentlich nicht anders gewohnt sind.


 

Wie wird Ribera del Duero seinen 50. Geburtstag feiern?

Da ich von den 25 Jahren die letzten dreizehn aktiv in Ribera miterleben durfte, wage ich einen kleinen Ausblick: Ribera wird nicht wesentlich größer werden als es heute ist. Die Möglichkeiten, große, zusammenhängende Rebflächen zu schaffen, eine unbedingte Voraussetzung für Neuinvestitionen von Großbodegas aus dem In- und Ausland, sind quasi erschöpft. Die Zahl der Bodegas wird wachsen, wenn auch nur in geringem Umfang. Allerdings wird sich die Struktur wandeln. Die Tendenz zu immer mehr kleinen und kleinsten Bodegas mit teilweise gerade einmal 8.000 Flaschen Jahresproduktion wird zunehmen, was der Qualität nur förderlich sein kann. Doch auch die Konzentration der Großen wird zunehmen, was der Durchdringung der Supermärkte nur förderlich sein wird, ein Segment, in dem Ribera del Duero bislang quasi inexistent ist. Die mittlere Schiene, all die Bodegas, die heute so zwischen 200.000 und 500.000 Flaschen Wein vermarkten, wird schwer zu kämpfen haben. Viele Bodegas werden als Zweitbodegas von Großkonzernen aufgekauft werden. Die Qualität der Weine wird steigen. Wirklich fehlerhafte Weine gibt es schon heute kaum noch. Die für die nächsten Jahre geplante Umstellung von D.O. auf D.O.ca. wird eine weitere Verschärfung der Kontrollen mit sich bringen und damit ein Ansteigen der Qualität. Und man wird lernen, insbesondere hinsichtlich der Langlebigkeit der Weine. Denn von Vega Sicilia einmal abgesehen, die aus vielerlei Gründen hier außen vor sind, gibt es kaum Weine, die schon wirklich alt sind. Ob Ribera del Duero-Weine tatsächlich so gut reifen, wie immer angenommen wird, muss sich erst noch zeigen. Der älteste ValSotillo ist gerade einmal 22 Jahre alt, der älteste Janus Gran Reserva nicht viel älter.

Im gehobenen Qualitätsweinbau, der auch in Zukunft wohl etwa 20 % der Produktion ausmachen wird, wird man über Fassgrößen, neues oder gebrauchtes Holz, Zement, Holz oder Stahl als Gärführer, Fassreifezeiten, vielleicht auch über Rebschnitt und Rebsorten (Syrah, Petit Verdot) diskutieren und vieles ausprobieren. Ribera del Duero ist die am südlichsten gelegene Zone septentrionalen Weinbaus. Da ist vieles möglich. Und Ribera del Duero ist ja noch jung - die Region wird gerade erst so richtig erwachsen.

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