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Immer mehr Konsumenten zeigen Interesse an Wein aus biologischen Trauben, immer mehr Produzenten lassen ihre Produktion biologisch zertifizieren. Biologischen Wein gab es bis heute im Sinne der EU Gesetzgebung allerdings nicht, lediglich Wein aus biologischen Trauben. Allerdings bestehen schon seit vielen Jahren private Richtlinien und Kontrollen für Biowein. Nun scheint die Politik diese Lücke schließen zu wollen: Die Europäische Union will die Bioweinerzeugung gesetzlich regeln. Was unter „Biowein“ zu verstehen ist und mit welchen Vorschriften sich Winzer wie Weinfreunde bald einmal auseinandersetzen müssen hat Markus Blaser in Erfahrung gebracht.

Eigentlichen „Biowein“ im Sinne der EU-Gesetzgebung gab es bis heute nicht. Zwar besitzen Spanien und die Schweiz nationale Bioweingesetzgebungen, aber das sind Ausnahmen. Auf der Ebene der Europäischen Union existieren heute nur Vorschriften über die biologische Traubenproduktion, nicht aber über die Verarbeitung derselben zu Wein. Korrekterweise darf man also eigentlich nur von „Wein aus biologischen Trauben“ sprechen und nicht von Biowein.
Allerdings haben in mehreren Ländern private Organisationen, welche die Biozertifizierung von Landwirtschaftsbetrieben vornehmen, eigene Standards auch für die Bioweinerzeugung entwickelt, die strenger sind als die generellen EU-Vorschriften zur Weinbereitung. Diese privaten Standards enthalten bereits gewisse Vorschriften über erlaubte/unerlaubte Zusatzstoffe, die Schwefelung und Anreicherung von Weinen und Mosten sowie zugelassene/verbotene Verarbeitungstechniken. Kein einziger Standard verfolgt dabei eine „Null-Input-Strategie“. Auch in der Bioweinerzeugung kommen also önologische Substanzen und moderne Technik zum Einsatz.

Biorebflächen und Gesamtrebflächen
(in Hektar, 2007)

Land

Bio

Gesamt

Italien

36.684

770.000

Frankreich

22.509

830.000

Spanien

17.189

1.200.000

U.S.A. (Bio: 2006)

9.177

380.000

Türkei

5.706

540.000

Griechenland

4.554

80.000

Moldawien

4.327

145.800

Argentinien

3.913

220.000

Deutschland

3.500

99.500

Chile

2.974

182.000

Österreich

2.477

43.923

Portugal

2.021

195.590

China (Bio: 2005)

2.000

503.500

Iran

625

-

Ungarn

576

86.800

Neuseeland

540

23.000

Usbekistan

515

99.200

Rumänien (Bio: 2008)

340

184.310

Schweiz

301

12.894

Bulgarien

299

120.341

Südafrika

262

115.000

Slowenien

184

16.086

Tschechien

183

15.000

Libanon

180

12.500

Zypern (Gesamt 2006)

174

15.045

Georgien

106

30.000

Kroatien

82

27.000

Aserbaidschan

78

7.496

Kanada (Bio: 2005)

69

9.609

Slowakei

64

11.900

Mazedonien

53

25.700

Uruguay (2006)

40

8.500

Großbritannien

35

690

Niederlande

23

-

Albanien

20

6.200

Marokko (Bio: 2008)

20

50.000

Syrien

10

44.000

Armenien

8

13.000

Serbien

4

63.000

Dänemark

4

-

Taiwan (2006)

1

-

Israel

-

5.900

Peru

-

11.500

Quelle: FAOSTAT/FiBL 2009
 
Die Biorebfläche in Europa
Laut einer Erhebung von Helga Willer vom schweizerischen Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) werden in Europa 101.000 Hektar Rebfläche biologisch bewirtschaftet (EU: 91.000 Hektar). Das sind 2,3 Prozent der Rebfläche Europas (EU 2,5 Prozent). Damit nimmt der Bioweinbau zwar noch immer eine Nischenstellung ein, aber die Situation dürfte sich rasch ändern. Zwischen 2006 und 2007 allein hat die Biorebfläche um sieben Prozent zugenommen, von 2004 bis 2007 sogar um 40 Prozent! Es ist damit zu rechnen, daß in den nächsten Jahren deutlich mehr Biowein auf den Markt gelangen wird, insbesondere aus Italien, Frankreich und Griechenland.

 

1. Das Orwine-Projekt

In der Bioverordnung 834/2007 hat die EU festgeschrieben, dass neben der Traubenproduktion nun auch die biologische Weinbereitung gesetzlich geregelt werden soll. Um eine solche Biowein-Gesetzgebung ausarbeiten zu können, gab die EU-Kommission das Orwine-Projekt in Auftrag (Orwine = englisch: organic wine). Es startete Anfang 2006 und kommt nun, im Frühling 2009, zum Abschluss.

Das Projekt verfolgte zwei übergeordnete Ziele: Zum einen sollte eine wissenschaftliche Grundlage für die EU-Biowein-Gesetzgebung zur Verfügung gestellt, zum anderen ein Kodex der besten Praktiken für die Bioweinerzeugung erarbeitet werden (siehe Kasten). Unter der Gesamtkoordination durch Cristina Micheloni von der Associazione Italiana Agricoltura Biologica (AIAB) beteiligten sich praktisch alle wichtigen Bioorganisationen, -forschungsinstitute und -experten aus der europäischen Welt des Bioweins an dem Projekt. Darüber hinaus wurden sowohl die Winzer als auch die Konsumenten über Befragungen ins Projekt einbezogen. Von der Marktstudie bis zum Test bestimmter Methoden in Pilotbetrieben war das Projekt überaus breit angelegt und liefert deshalb eine Fülle von Informationen, die auf der Webseite www.orwine.org allen Interessierten zur Verfügung gestellt werden. Was aber empfehlen nun die Orwine-Experten konkret?

2. Wo, was und wie reglementiert werden soll

Die EU-Kommission hat entschieden, die Bioweinerzeugung im Rahmen der Gesetzgebung über die biologische Landwirtschaft zu regeln und nicht im Rahmen der Gesetzgebung über die Gemeinsame Marktorganisation für Wein (GMO). Die internationalen Orwine-Experten teilen diesen Entscheid, der bedeutet, dass die Bioregeln Vorrang gegenüber den GMO-Bestimmungen geniessen. Letztere sollen jedoch respektiert werden, indem klare Verbindungen zwischen Biowein- und GMO-Gesetzgebung hergestellt werden. Weiter soll es sowohl Vorschriften über Zusatzstoffe im Wein als auch über Weinbereitungstechniken geben. Empfohlen werden eine Negativliste der verbotenen Techniken und eine Positivliste der Substanzen mit Grenzwerten, die in der Biowein-Erzeugung zugelassen sein sollen. Ein kontroverses Thema ist dabei die Frage der Schwefelung.

 

Biowein - ein Definitionsversuch

"Biowein ist ein guter Wein, der die Eigenschaften der Traube, des Standortes und des Anbausystems, von dem er stammt, beibehält und frei ist von Zusatzstoffen, Verarbeitungshilfsmitteln und -techniken, welche die menschliche Gesundheit (Erzeuger und Konsument), die Umwelt und die Integrität des Produktes negativ beeinflussen könnten. Einige (für die Qualität) essenzielle Zusatzstoffe nicht-natürlichen Ursprungs können verwendet werden, aber in begrenztem Umfang und nur, wenn es wirklich nötig ist."

Quelle: Orwine, Executive summary of deliverable 5.8. Proposal and recommendations for improvement of EU Regulation 2092/91. Brusselns 2nd of April 2009, S. 5 (Übersetzung: mb)

 

3. Önologische Substanzen

Die Orwine-Experten empfehlen 31 Substanzen zur Aufnahme in die Positivliste der erlaubten Zusatzstoffe für die Bioweinerzeugung (Tabelle 2). Es handelt sich dabei mehrheitlich um Stoffe, die bereits heute gemäss EU-Gesetzgebung sowohl in der konventionellen Weinbereitung als auch in der Biolandwirtschaft erlaubt sind oder zumindest in den privaten Bioweinstandards zugelassen sind.

Auch bei den rund 1000 befragten Biowinzern, -weinhändlern und -weinexperten stoßen diese Substanzen auf allgemeine Akzeptanz. Außer gegen Betaglucanase und Holztannine bestehen in einzelnen Ländern Bedenken. Und bei den Holzchips sind die Meinungen geteilt: Die Hälfte der Winzer und Experten möchten sie für Bioweine verbieten, die andere Hälfte hingegen zulassen.

Mögliche Positivliste der erlaubten Zusatzstoffe
für die Bioweinerzeugung

Stoff

Grenzwert/Kommentar

Selektionierte aktive Trockenhefen

 

Selektionierte Milchsäurebakterien

 

Pektolytische Enzyme

 

Betaglucanase

Bedenken in einzelnen Ländern

Ascorbinsäure (Vitamin C)

250 mg/l

Gummi arabicum

 

Hausenblase

 

Kaliumbitartrat

 

Kaliumbikarbonat

 

Kalziumkarbonat

 

Weinsäure

 

Zitronensäure

1 g/l

Kaliumalginat

 

Kalziumtartrat

200 g/hl

Metartaric acid

100 mg/l

Aleppo-Kiefernharz

 

Pflanzenproteine

 

Hefe-Mannoproteine

 

Holzchips, -würfe und -stäbchen

Geteilte Meinungen

Bentonit

 

Kaolin

 

Holzkohle

 

Silikondioxid

 

Kieselgur

 

Perlit

 

Zellulose

 

Tannine

Bedenken in einzelnen Ländern (Holztannine)

Thiaminhydrochlorid

0,6 mg/l

Diammoniumphosphat

1 g/l

Hefezellwände

40 g/hl

Kupfersulfat

1 mg/l

Quelle: Orwine, Executive summary of deliverable 5.8 Proposal and
recommendations for improvement of EU Regulation 2092/91.
Brussels 2nd of April 2009

Besteht bei den Zusatzstoffen der vorherigen Tablle großenteils Übereinstimmung, erweist sich die Regelung für einige Substanzen, die möglicherweise Allergien auslösen können, schwieriger. Diese Substanzen werden von den Konsumenten mehrheitlich abgelehnt, aber von den Winzern für nützlich gehalten (siehe folgende Tabelle). Ihre Verwendung wird von den Orwine-Experten als akzeptabel eingestuft und ein Verbot nicht empfohlen, sodass sie in die Positivliste aufgenommen werden könnten, allenfalls mit noch festzulegenden Grenzwerten. Wiederum geteilt ist die Haltung von Winzern wie Experten zu Lysozym: Je etwa die Hälfte möchte es für Bioweine zulassen bzw. verbieten (siehe Kasten zur Schwefelung)

Potenziell allergene, aber in der Bioweinbereitung nützliche Substanzen

Stoff

Eiweiss

Lactalbumin

Kasein

K-Kasein

Lysozym

Gelatine

Quelle: Orwine, Executive summary of deliverable 5.8 Proposal and
recommendations for improvement of EU Regulation 2092/91.
Brussels 2nd of April 2009

Größere Bedenken herrschen gegenüber Ammoniumsulfat und Diammoniumsulfit vor, die in der konventionellen Weinbereitung erlaubt sind, unter Umständen jedoch zu hohen SO2-Werten im Wein führen können. Da sie von den Winzern nicht für unentbehrlich gehalten und auch durch andere Stoffe ersetzt werden können, sollten sie eher nicht in die Positivliste aufgenommen werden oder wenn, dann nur mit Grenzwerten.

Einigkeit herrscht schließlich darüber, dass Stoffe, die in der konventionellen Weinbereitung erlaubt, in der Biolandwirtschaft nicht zugelassen und in privaten Biostandards nicht vorgesehen oder verboten sind, in der Bioweinbereitung nicht zugelassen sein sollen.

Für die Bioweinerzeugung zu verbietende Zusatzstoffe

Stoff

Grenzwert *

Sorbinsäure

 

Kaliumsorbat

 

Kaliumferrocyanid

 

DMDC (Dimethyldicarbonat)

 

Kalziumphytat

8 g/hl

PVPP (Polyvinylpolypyrrolidon)

80 g/hl

* in konventioneller Weinbereitung
Quelle: Orwine, Executive summary of deliverable 5.8 Proposal and
recommendations for improvement of EU Regulation 2092/91.
Brussels 2nd of April 2009

Nun gibt es einige Zusatzstoffe, die heute noch nicht für die Weinbereitung erlaubt sind, aber bald durch die EU-Gesetzgebung zugelassen werden könnten. Von diesen sollte nur Kupferzitrat (max. 20 g/hl) auch in der Bioweinbereitung erlaubt werden, alle anderen Substanzen sollen untersagt bleiben.

Neue Zusatzstoffe, die für die Bioweinbereitung verboten bleiben sollen

Stoff

Grenzwert *

Milchsäure

4 g/l

Apfelsäure

4 g/l

Carboxymethylcellulose

 

Ölsäure

 

* in konventioneller Weinbereitung
Quelle: Orwine, Executive summary of deliverable 5.8 Proposal and
recommendations for improvement of EU Regulation 2092/91.
Brussels 2nd of April 2009

4. Schwefelung

Am meisten zu reden gab im Orwine-Projekt die Schwefelung der Weine, und zwar in allen Ländern mit Ausnahme Deutschlands und teilweise Österreich. Insbesondere die Konsumenten stehen dem Schwefeldioxid sehr skeptisch bis entschieden ablehnend gegenüber: Schwefel klingt „ungesund“, erinnert an „seltsamen Geruch“ und „Kopfschmerzen“.

Eine kleine Minderheit der Biowinzer (weniger als zehn Prozent, aber in vielen Ländern) teilt diese Bedenken insofern, als sie für ein komplettes Verbot von SO2 in der Bioweinerzeugung eintreten. Die überwiegende Mehrheit der Produzenten und Konsumenten ist jedoch der Ansicht, dass es ohne Schwefel nicht möglich ist, einen qualitativ ansprechenden Biowein herzustellen, und dies deckt sich mit den Forschungsresultaten des Orwine-Projekts: Ganz ohne SO2 geht es nicht, aber es ist technisch möglich, die Schwefelwerte gegenüber den Grenzwerten der geltenden EU-Weingesetzgebung (Tabelle 6) erheblich zu reduzieren.

EU-Grenzwerte für SO2 (in mg/l; konventionelle Weinbereitung)

Restzuckergehalt/Weintyp

Rot

Weiß

weniger als 5 g/l Restzucker

160

210

mehr als 5 g/l Restzucker

210

260

Quelle: Orwine, Executive summary of deliverable 5.8 Proposal and
recommendations for improvement of EU Regulation 2092/91.
Brussels 2nd of April 2009

Die meisten privaten Standards schreiben für Bioweine bereits heute deutlich tiefere Maximalwerte vor. Doch wirklich erfreulich ist, dass die meisten Bioweine diese Maximalwerte bereits heute unterschreiten. 510 von 580 analysierten trockenen Rotweinen (fast 90 Prozent) weisen einen SO2-Wert von 80 mg/l auf, das ist halb so viel wie gesetzlich erlaubt!

Im Vordergrund steht deshalb ein Szenario, die Schwefelwerte schrittweise um 20, 30 und schließlich 50 Prozent zu reduzieren. 99 Prozent der insgesamt 914 im Projekt analysierten Bioweine schafften den um 20 Prozent verringerten Schwefelwert schon heute, 98 Prozent kommen sogar schon mit 30 Prozent weniger SO2 aus (Die Weine stammten vor allem aus Frankreich und Italien, aus Deutschland und der Schweiz waren nur wenige Weine untersucht worden).

Die Biowinzer Frankreichs und der Schweiz streben diese Werte an, während ihre italienischen und spanischen Kollegen sogar eine Reduktion von mehr als 50 Prozent gegenüber den konventionellen Weinen vorschlagen. Ginge es nach der überwiegenden Mehrheit der Produzenten, könnte man für Biowein also problemlos ab sofort um 20 bis 30 Prozent reduzierte SO2-Grenzwerte gesetzlich festlegen ? wären da nicht die deutschen und österreichischen Biowinzer.

Insbesondere die Deutschen lehnen jedwede Reduktion der Schwefelgrenzwerte für Bioweine im Vergleich zu konventionellen Weinen ab (Argumente: siehe Kasten). Sie machen sich Sorgen um die Qualität ihrer Weine, insbesondere falls das Wetter nicht mitspielen sollte, und um das Biowein-Image. So verständlich diese Ängste sind: Es wäre nicht logisch, die von der überwiegenden Mehrheit der Produzenten (und auch der Konsumenten) ausdrücklich gewünschten strengeren Standards aus Rücksicht auf eine kleine Minderheit nicht einzuführen.

Anders sieht das für biologische Spezialweine aus (kleine Produktion, lokal sehr unterschiedliche Traditionen). Hier lautet die Orwine-Empfehlung, keine tieferen Schwefeldioxidwerte im Vergleich zu konventionellen Spezialweinen vorzuschreiben.

Wie die Schwefelung reduziert werden kann
Der Zusatz von Schwefeldioxid während der Vinifikation geschieht aus mehreren Gründen: Es wirkt antimibkrobiell, schützt den Wein vor Oxidation und stoppt die Aktivität von Enzymen. Ein Orwine-Teilprojekt versuchte experimentell herauszufinden, wie diese Ziele mit geringeren SO2-Mengen erreicht werden können. Die wichtigsten Ergebnisse:
  • Mikrobielle Verunreinigungen können durch Hefestartkulturen vermieden werden, wobei die Zugabe von Lysozym das Wachstum von Milchsäurebakterien begrenzt. Ähnliche Wirkungen ergeben sich aus der Anwendung von Kreuzflussmikrofiltration, Flash-Pasteurisierung oder der Absenkung des ph-Wertes durch Zugabe von Weinsäure. Wie gross der Effekt des Versprühens von Weinhefen auf die Trauben unmittelbar vor der Ernte ist, muss weiter erforscht werden. Auch müsste für eine solche Behandlung noch eine offizielle Bewilligung der EU und Mitgliedsländer vorliegen.
  • Die alkoholische Gärung sollte von ausgewählten Hefestämmen bestimmt werden, die wenig SO2 produzieren. Statt Sulfat kann man auch Ammoniumphosphat verwenden, und mit Thiamin lassen sich die SO2-bindenden Substanzen reduzieren, wodurch weniger SO2 zugesetzt werden muss.
  • Hyperoxidation, bei der dem Most dosiert Sauerstoff zugefügt wird, kann bei weißen Trauben die Neigung zur Oxidierung reduzieren. Als Oxidationshemmer können auch Ascorbinsäure (Vitamin C) und Tannine wirken, die zudem natürliche Antioxidantien wie beispielsweise Glutathion vor dem Zerfall bewahren. Für bestimmte Traubensorten empfiehlt sich reduktive Weinbereitung.

5. Önologische Verfahren

Bei den meisten bei der Vinifizierung angewandten Verfahren handelt es sich um mechanische oder thermische Prozesse, die mit den Bioprinzipien absolut vereinbar sind. Die Empfehlung der Orwine-Experten lautet deshalb, in einer Negativliste jene Techniken aufzuführen, die für die Bioweinbereitung untersagt werden sollen, und zwar sowohl für Techniken, die in der EU für konventionelle Weinerzeugung bereits erlaubt als auch für solche, die bislang noch verboten sind, aber bald zugelassen werden könnten.

Mögliche Negativliste der zu verbietenden önologischen Verfahren

  • Weinseparierungstechniken (Schleuderkegel-Kolonne, Umkehrosmose bei Wein, Destillation ...)
  • Ultra- und Nanofiltration von Weinen
  • Cryokonzentration von Mosten und Weinen

Ebenfalls intensiv diskutiert wurden nachfolgende Techniken, wobei je nach Land die Bedenken unterschiedlich gewichtet wurden:

  • Umkehrosmose in Mosten
  • Mostverdampfung
  • Ionen-Austauscher-Harze für Moste und Weine (ausgenommen für Mostkonzentrate)

Konventionelle Weine dürfen laut EU-Gesetzgebung mittels Zuckerung oder Traubenmostkonzentrat angereichert werden, um den Alkoholgehalt zu erhöhen, und zum selben Zweck sind auch Verdampfung, Cryokonzentration und Umkehrosmose gestattet. Gemäß Negativliste sollen diese Konzentrationstechniken für die Bioweinerzeugung untersagt werden. Zuckerung und Zugabe von Mostkonzentrat sollen hingegen erlaubt sein, sofern diese Anreicherung mit biologischen Zutaten erfolgt. Biowinzer sollen deshalb eigenes Mostkonzentrat für die Anreicherung herstellen dürfen, allerdings bedarf es hierzu noch einer Präzisierung bezüglich der erlaubten Methoden: Falls nämlich die Umkehrosmose auch für die Konzentraterzeugung verboten würde, blieben nur noch etwas "brachiale" Methoden wie Einkochen, Vakuumverdampfen, Trauben trocknen oder gefrieren oder Hyperschwefelung übrig sowie die Verwendung von Ionen-Austauscher-Harzen für die Herstellung von rektifiziertem Traubenmost. Übrigens: Die Mehrheit der Biowinzer (mit Ausnahme Deutschlands und Österreichs) möchte die Anreicherung gegenüber der konventionellen Weinerzeugung weiter beschränken.

6. Fazit und weitere Schritte

Wie sind nun diese Resultate mit Blick auf die zu erarbeitende EU-Gesetzgebung zur Bioweinerzeugung einzuschätzen? Zuerst gilt es sicher einmal die immense Arbeit zu würdigen, die während drei Jahren von Dutzenden von Leuten mit großem Einsatz und Engagement geleistet wurde. Das Orwine-Projekt hat die Aufgabe, die nötigen wissenschaftlichen Ressourcen für ein zeitgemäßes Regelwerk bereitzustellen, eindeutig erfüllt. Es setzt neue Maßstäbe, an denen keiner, der in Sachen Biowein mitreden will, vorbeikommt.

Es war nicht Aufgabe des Projektes, einen konkreten Vorschlag für die neuen Regeln zu formulieren, sondern mittels Forschung, Versuchen auf Betrieben in zahlreichen Ländern und einem breiten Einbezug von Produzenten und Experten ein Gesamtbild der Möglichkeiten und Meinungen zu bekommen. Vor allem die Befragung Hunderter Biowinzer aus ganz Europa hat gezeigt, dass viele Erzeuger mit Leidenschaft für ein Produkt eintreten, das sie mit Respekt vor der Gesundheit der Weinliebhaber wie der Umwelt so naturnah wie irgend möglich herstellen möchten.

Von daher hätte man sich durchaus vorstellen können, dass aus den Projektresultaten etwas klarer ersichtlich wird, wohin die Reise denn gehen soll: Bedarf es für die Bioweinerzeugung strenger Regeln oder genügen tolerantere Bestimmungen? So hätten die Orwine-Verantwortlichen vielleicht etwas mutiger sein und eine Reduktion der Schwefelwert um 20 bis 30 Prozent für Bioweine anraten können, doch sie sind Wissenschaftler, nicht politische Berater und zogen es deshalb vor, zur „Schwefelfrage“ einfach die unterschiedlichen Positionen und deren Auswirkungen im Rahmen von Szenarien zu dokumentieren. Umgekehrt werden Holzchips oder Lysozym zur Zulassung vorgeschlagen, obschon die Meinungen der Fachleute wie der Winzer zu diesen beiden Stoffen geteilt ist.

Nichtsdestotrotz: Das Orwine-Projekt will in wesentlichen Fragen Nägel mit Köpfen zu machen: Die bedenklichsten synthetischen Zusatzstoffe werden verboten, die Festsetzung reduzierter Schwefelwerte ist durchaus wahrscheinlich und jene Methoden, die aus dem Naturprodukt „Wein“ einen industriell standardisierten „Drink“ machen, sind beim Biowein ausgeschlossen. Das sind gute Voraussetzungen für die gesetzgeberische Mühle, die nun in Brüssel zu mahlen beginnt. Nun liegt es an der EU-Kommission und den Politikern, die Empfehlungen der Fachleute so umzusetzen, dass die neue EU-Bioweingesetzgebung uns das bringt, was wir von einem Biowein erwarten: einen natürlichen, unverfälschten und bekömmlichen Wein.

Der Orwine-Praxis-Kodex
Die unterschiedlichen Wege der Bioweinerzeugung werden von den Orwine-Experten in einem sogenannten Praxis-Kodex für gute Bioweinherstellung beschrieben. Dabei handelt es sich um ein ausführliches Handbuch, das im Sommer 2009 in fünf Sprachen herausgegeben wird. Der Kodex soll die geplanten Regeln in der Bioverordnung ergänzen und den Winzern zahlreiche Handlungsoptionen zeigen.

Zu Teil 2:
Das neue EU Bio-Gesetz - besser als sein Ruf

Der vorstehende Artikel wurde uns freundlicherweise von der MERUM-Redaktion zur Verfügung gestellt.

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