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Der Deutsche Weinbauverband steckt nach dem Austritt der Genossenschaften und dem Fränkischen Weinbauverband in der tiefsten Krise seit dem Glykolskandal. Im Interview mit Uwe Kauss berichtet Generalsekretär Christian Schwörer über Kompromisse und Diplomatie, die Diskussion ums Große Gewächs - und warum die Genossenschaften auch nach der Trennung eine mächtige Position im Verband einnehmen.

Innerhalb des DWV waren die Spannungen mit den Genossenschaften und dem fränkischen Weinbauverband schon lange spürbar. Kamen die Austritte für Sie überraschend?

Schwörer: Die Genossenschaften haben dazu schon länger einen internen Prozess geführt. Nach der Verabschiedung der Weinrechtsreform haben sie eine Stärken-Schwächen-Analyse über ihre Mitgliedschaft im DWV erarbeitet. Daher wussten wir um die Gefahr, dass sie negativ ausfallen könnte. Auf den Austritt der Franken waren wir allerdings nicht vorbereitet. Der Verband hatte immer eigene Standpunkte, das hat die Diskussionen im DWV jedoch auch bereichert. Einer der Hauptgründe ist für sie, dass wir die Umstellung zum romanischen Bezeichnungssystem zu spät angefangen hätten. 2017 haben wir beschlossen, den systematischen Übergang ins romanische Herkunftssystem zu bestreiten, nachdem die Branche 2009 noch entschieden hatte, das alte System ins neue zu pressen und nur mit „traditionellen Begriffen“ zu arbeiten. Der Rahmen ist nun mit dem neuen Weinrecht und der Verordnung gesetzt worden. Hätte der Verband 2016 gesagt: Hier geschieht nichts,  jetzt ziehen wir die Konsequenz, wäre das Ausscheiden für uns weniger überraschend gewesen.

Erwarten Sie weitere Austritte?

Schwörer: Es besteht prinzipiell immer die Gefahr, dass mit solchen Schritten eine Welle ausgelöst werden kann. Wir werden mit unseren Mitgliedern intensiv diskutieren, einzelne besuchen und versuchen zu ergründen, wo die Unzufriedenheiten liegen und wie man sie beseitigen kann. Im Vorstand entscheiden die Mehrheiten. Es ist klar, dass bei kleinen Interessengruppen das Gefühl entstehen kann, sie könnten sich nicht ausreichend einbringen. Wir werden versuchen, darauf einzugehen, damit sich alle berücksichtigt fühlen.

Jetzt spricht der deutsche Weinbau mit drei Stimmen. Ist das eine Schwächung oder die Chance für einen Neuanfang?

Schwörer: Für mich ist das ganz klar eine Schwächung. Die Politik erwartet, dass wir mit einer Stimme sprechen, aber jetzt sind es mehrere. Da stellt sich die Frage, wie weit wir noch Durchschlagskraft haben. Solange die Branche ihre Position mit nur einer Stimme vertreten konnte, hatte das Gewicht. Das haben wir mit dem neuen Gesetz und der Verordnung gesehen. Der DWV hat - entsprechend seines Vorstandsbeschlusses - fünf Jahre Übergangsfrist gefordert, weil wir uns im Vorstand darauf einigen konnten. In der neuen Verordnung steht eine Frist von fünf Jahren drin.

Wird das künftig noch so sein?

Schwörer: Die Austritte sind eine Schwächung der Branche insgesamt, nicht nur unseres Verbandes. Wir tun uns in der Weinbranche keinen Gefallen, wenn wir uns in Gruppen zersplittern und separat mit Forderungen zu den politisch Verantwortlichen gehen. Die Meinungsbildung kann nicht bei Anhörungen im Bundestag, bei Terminen mit der Ministerin oder auf der fachlichen Ebene des Ministeriums stattfinden. Das muss in der Branche geschehen. Die Plattform dazu war der Deutsche Weinbauverband, und wir werben dafür, dass es wieder so sein wird.

Die Genossenschaften sehen das offensichtlich anders.

Schwörer: Die Genossenschaften sind ja längst über ihren Dachverband, den Raiffeisen-Verband, mit ihren Positionen direkt an die Politik herangetreten. Ihre Interessen werden aber andererseits gewissermaßen weiter von uns über die regionalen Weinbauverbände vertreten, die Positionen in den Deutschen Weinbauverband einbringen. Insbesondere bei allen Erzeuger- und Anbauthemen haben wir auch keine gegenläufigen Interessen.

In welchen Gremien werden künftig neue Gesetze, Verordnungen und Detail-Regeln ausgehandelt?

Schwörer: Wir werden weiterhin mit den Genossenschaften und dem Fränkischen Weinbauverband den Austausch suchen, aber eben nicht in unseren Gremien. Skeptisch bin ich aber, wenn ich an Diskussionen auf der europäischen und internationalen Ebene denke. Wir vertreten dort ja weiterhin die Interessen des gesamten deutschen Weinbaus. Eine andere Frage ist, was mit den Partikularinteressen etwa der Franken geschieht. Werden die separat nach Berlin getragen? Dort ist allen Beteiligten klar, dass dies die Stimme eines Anbaugebietes ist, das prozentual nur eine gewisse Größe in Deutschland darstellt.

Eine der wichtigsten Regeln in den Debatten war jahrzehntelang die Einstimmigkeit. Sie hat oft als Bremse gewirkt. Wollen Sie daran festhalten?

Schwörer: Dem Vorstand war es wichtig, keine Gruppierung zu überstimmen. Es gab aber nie einen Beschluss, nur hundertprozentig abzustimmen. Wir haben uns beispielsweise auf fünf Jahre Übergangszeit und ein Stufenmodell für die Einführung der Weinbezeichnungen im neuen Gesetz einstimmig geeinigt. Der einzige Punkt, wo wir uns nicht einig waren, war die Verwendung der Ortsnamen mit der Großlage. Da haben sich auch die Genossenschaften enthalten.

Was wird sich im DWV ohne sie ändern?

Schwörer: Am direkten Meinungsbildungsprozess im DWV sind die Genossenschaften nun nicht mehr beteiligt, indirekt sind sie es aber weiterhin. Die Regionalverbände Württemberg und Baden sind ja sehr stark genossenschaftlich geprägt, und die werden dort weiter ihre Interessen einbringen. Wie intensiv das sein wird, muss man sehen. Bei vielen Themen werden wir aber den Austausch suchen.

Für die Genossenschaften ändert sich nach dem Austritt also gar nichts - ihr Veto ist durch genossenschaftlich geprägte Regionalverbände gesichert. Was zunächst wie ein riesiger Schritt wirkte, ist in Wirklichkeit nur ein kleiner?

Schwörer:Ja. Im badischen und im württembergischen Weinbauverband sind die Genossenschaften weiterhin präsent. Allerdings gibt es hier aber auch teilweise unterschiedliche Positionen, auch zwischen den Genossenschaften.

Sie setzen nicht auf einen Neuanfang des Verbandes, sondern auf Diplomatie?

Schwörer:Wir werden in die Analyse gehen, wie es weitergeht. Die Genossenschaften haben uns signalisiert, weiter Gespräche führen zu wollen. Das müssen wir abwarten. Aber wir gehen derzeit davon aus, dass wir ab 2022 getrennte Wege gehen. Auch der Fränkische Weinbauverband hat betont, sie würden nicht im Groll gehen. Würden wir ohne Austausch nebeneinander her arbeiten, würde das der gesamten Branche schaden. Die einzelnen Erzeuger dürfen aber nicht unter diesen Problemen leiden. Für sie soll die hundertprozentige Interessenvertretung durch uns gesichert bleiben.

Dem Fränkischen Weinbauverband hat die Vertretung durch den DWV nicht mehr genügt.

Schwörer: Mit der Verabschiedung des Weingesetzes und der Weinverordnung hat sich ihm nun aber ein großer Spielraum eröffnet. Das Gesetz bildet ja nur den Rahmen ab. Es gibt das Stufenmodell, für Orts- und Lagenweine sind Mindestkriterien definiert worden. Jeder Regionalverband, jede Schutzgemeinschaft, ist frei, weitere und strengere Kriterien festzulegen. Das wird Franken in einigen Bereichen wohl auch tun. Sie haben eine Struktur dazu geschaffen, um ein eigenes System zu entwickeln. Wenn sie ihr Rebsorten-Portfolio einschränken wollen, spielt der DWV dabei keine Rolle. Bei den anderen Gebieten aber auch nicht, es sind allein die regionalen Schutzgemeinschaften, die hier den Hut aufhaben.

Das DAC-System in Österreich beschränkt sich auf wenige Leitsorten pro Anbaugebiet und relativ strenge Regeln. Es ist klar und einfach. Warum tun sich die deutschen Interessenvertreter so schwer damit?

Schwörer: In Österreich konnte man überregionale geografische Begriffe nutzen, die wir nicht haben. Es gab bei uns eine intensive Diskussion im Bundeslandwirtschaftsministerium, ob man nicht mit einem DAC-ähnlichen System künftig beispielsweise zwei Pfalzweine etablieren könnte: Als Pfalz DAC und als Pfalz. DAC-Weine würden damit auf wenige Leitsorten festgelegt. Das wurde aber direkt abgelehnt, weil es in Österreich, anders als bei uns, verschiedene geografische Bezeichnungen gibt. Für „Niederösterreich“ ist der gesamte Rebsorten-Satz erlaubt, in der DAC Burgenland sind dagegen die Leitsorten begrenzt. Bei uns hat dazu das Gerüst gefehlt. DAC Pfalz wäre hier das Premium-Produkt, Pfalz alleine das Basisprodukt. Das wäre den Verbrauchern nach Ansicht der Regionalverbände nicht zu vermitteln.

Werden diese Debatten ohne die Genossenschaften einfacher?

Schwörer: In den Schutzgemeinschaften bleiben die Genossenschaften weiter voll in der Verantwortung. Sie müssen mit den DWV-Mitgliedern zusammenarbeiten, um die Profilierung ihres Anbaugebiets zu entwerfen. Die Beteiligten müssen sich zusammenraufen, sonst sind bestimmte Wein-Bezeichnungen für sie verloren: Das betrifft den Lagenwein, das Erste und das Große Gewächs. Sie dürfen nur verwendet werden, wenn die Schutzgemeinschaft eine Regelung für sie verabschiedet hat.

Wie ist der Diskussionsstand bei Ersten und Großen Gewächsen?

Schwörer: Wir haben über das Thema lange diskutiert und dazu eine Arbeitsgruppe gegründet. Es besteht das Bedürfnis ihrer Verwendung, aber wir verzeichnen auch einen gewissen Wildwuchs des Begriffs. Jeder Erzeuger darf das Große Gewächs als „herausgehobenes Produkt des Betriebs“ nutzen, es gibt keine gesetzlichen Vorgaben. Von verschiedener Seite wurde der Wunsch geäußert, den Begriff gesetzlich zu regeln. Jetzt haben wir in der Verordnung die Kriterien der „Selection“ herangezogen und weitere optional gestellt, etwa die sensorische Prüfung und die Anerkennung von geeigneten Weinbergsflächen.

Gilt auch dort wieder der kleinste gemeinsame Nenner der Interessengruppen?

Schwörer: Das ist der große Stein des Anstoßes: Eine Seite argumentiert, es müsse einen Anerkennungsprozess für das Große Gewächs geben, um die Wertigkeit des Produktes zu erhalten. Die Gegenseite sieht das anders. Doch die Weinwirtschaft tut sich keinen Gefallen, wenn sie das Image des Produkts im Ausland zerstören würde. Deswegen diskutieren wir mit den Schutzgemeinschaften, wie wir innerhalb der Übergangszeit die Wertigkeit des Großen Gewächses garantieren können. Die Frage ist: Finden wir eine Übereinkunft mit den Schutzgemeinschaften, die in den Lastenheften festgelegt werden - oder bekommen wir für die Übergangszeit bis 2023 eine Änderung der Weinverordnung hin? Mir ist es wichtig, dass ein Konzept dabei herauskommt, das die Wertigkeit von Großem und Erstem Gewächs sichert. In der Vergangenheit sind wir leider Meister darin gewesen, solche Konzepte herunter zu wirtschaften.

Was tun Sie dafür, dass nicht wieder nur ein Kompromiss herauskommt?

Schwörer: Es darf kein Konzept sein, das im unteren Preissegment gefahren werden kann. Es sind Premium-Produkte, die ihren Preis haben müssen. Das Ganze erfordert zusätzlichen Aufwand, daher wird die Nutzung nicht kostenfrei für die Winzer sein. Dazu muss er etwas Geld in die Hand nehmen, und das Produkt muss einen gewissen Preis erzielen. Anders kann ich mir das nicht vorstellen.

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