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VDP-Präsident Steffen Christmann Mit dem neuen Weingesetz öffnen sich die VDP-Klassifikationsstufen des Ersten und Großen Gewächses erstmals für alle deutschen Weingüter - zusätzlich zum traditionellen Lagenwein. VDP-Präsident Steffen Christmann erläutert im Interview mit Kristine Bäder die Chancen, Risiken und Probleme: “Wir erwarten, dass es Veränderungen gibt.”

Enthält das neue Weingesetz für Sie Aspekte, die Sie positiv bewerten?

Christmann: Weinfreunde haben es meiner Auffassung nach grundsätzlich schwer, sich zu orientieren. Das geht mir selbst auch so. In meinem privaten Weinkeller muss ich mir teilweise die Preise der Weine meiner Winzer-Kollegen auf die Flaschen schreiben, um zu wissen, zu welcher Ebene ein Wein mit Phantasienamen gehört. Regionen wie das Burgund haben uns gezeigt, wie es klarer geht. Dort weiß man vom einfachen Bourgogne über die Village-Weine bis zu den Grands Crus, was einen erwartet. Im alten Weingesetz mit den Prädikatsstufen war das ja ebenso konzipiert, bis man Spätlesen für 1,49 Euro und für 499 Euro kaufen konnte. Das neue Weingesetz bietet dem Konsumenten durchaus die Chance, sich zu orientieren.

Müsste man Preispunkte für die einzelnen Kategorien der Herkunft festlegen?

Christmann: Grundsätzlich dürfen wir in unserer Marktwirtschaft keine Preispunkte setzen. Die Rahmenbedingungen der Produktion müssen daher der Schlüssel sein. Einfach gesagt: Wenn auf einem Hektar nur 5.000 Liter für ein Großes Gewächs geerntet werden dürfen und 10.000 Liter für einen Gutswein, dann verdoppeln sich die Produktionskosten. Damit ergeben billige Preise für ein Großes Gewächs keinen Sinn mehr.

Trotz aller Schwächen findet das neue Weingesetz Ihre Zustimmung?

Christmann: Wir können mit den Schwächen des neuen Weingesetzes insgesamt leben, weil wir damit einen ersten Schritt gegangen sind. Auch, wenn es erst ein kleiner Schritt ist.

Sie akzeptieren das mittelfristige Weiterbestehen der Großlagen nun doch?

Christmann: Die Großlage hat noch drei Arten der Relevanz. Erstens für Kellereien, die einzelne Anfragen aus dem Ausland exakt für solche Namen bekommen. Kleinere Betriebe versuchen sich mit dem Instrument der Großlagen-Weine, gegenüber großen Kellereien zu differenzieren, um etwas Individualität zu erreichen. Und im größeren Stil für Genossenschaften, weil sie sich davon eine Abgrenzung sowie eine Art Markenidentität versprechen. Aber das gelingt dort immer weniger.

 

Wenn ich die Lage profilieren will, darf es keinen Konflikt zwischen Großlage und Großer Lage geben.

Hoffen Sie darauf, dass die künftige Entwicklung des Verkaufs den Konflikt von selbst beendet?

Christmann: Wenn man den Anteil der Weine betrachtet, die unter dem Namen einer Großlage vermarktet werden, ist das heute nur noch ein geringer Teil im Vergleich zu früher. Für die Abnehmer solcher Weine funktioniert die Großlage wie ein Markenname. Wenn man aber die Chance des neuen Gesetzes nutzt, ist jeder gute Vermarkter in der Lage, diese Bezeichnungen auszuschleichen und durch eine neue Marke zu ersetzen, die der Kunde weiter kauft. Ich glaube, die Genossenschaften haben noch nicht erkannt, welche Chance für sie darin steckt, die eigene Reputation mit einer klaren Herkunftspyramide zu verbessern. Und um höhere Preise zu erzielen. Wir beobachten zugleich, dass sich schon viele Betriebe auf den Weg gemacht haben. Besonders die Flaschenwein-Vermarkter sind längst auf diesem Weg, vor allem, wenn die Betriebsleiter unter 40 Jahre alt sind. Das gilt auch für einige Genossenschaften. Und da verstehe ich deren Kritik an unserer Position. Denn wir beobachten, dass der Prozess ja von alleine passiert. Man hätte das Thema also in Ruhe lassen und noch zehn oder 15 Jahre zusehen können. Aber es verhindert Stringenz im Weingesetz. Wenn ich die Lage profilieren will, darf es keinen Konflikt zwischen Großlage und Großer Lage geben.

Was machen Weinbauländer wie etwa Frankreich anders, um Konsens bei der Herkunftsbezeichnung unter Winzern und Genossenschaften zu erreichen? Und warum funktioniert das in Deutschland nicht?

Christmann: In Deutschland war die Herkunft mit dem bisherigen egalitären System bislang ohne Bedeutung. Das war in anderen Ländern, allen voran Frankreich, nie so. Auch haben wir in Deutschland nie verstanden, was Herkunftsweine ausmacht. Aber es ist vielleicht gar kein typisch deutsches Problem, dass der Weg zur profilierten Herkunft so schwierig ist. Auch in anderen Ländern hat das nicht immer reibungslos funktioniert. Wir werden jetzt in Deutschland sehen, dass es Anbaugebiete wie den Rheingau oder die Ahr gibt, die sich relativ schnell ein klares Profil geben. Die Probleme sehe ich eher in Rheinhessen oder der Pfalz. Diese großen Anbaugebiete sind heterogener und vielfältiger. Für sie wird es ein weiterer Weg zur Herkunft.

Welche Aspekte beim Großen und Ersten Gewächs sind für den VDP bei den künftigen Detailregelungen der Schutzgemeinschaften nicht verhandelbar?

Christmann: Wir brauchen unbedingt den Bezug zur Qualität der Herkunft. Die Trauben für Erste oder Große Gewächse können nur in qualitativ herausragenden Weinbergen wachsen. Dabei ist es nicht realistisch, alle deutschen Weinberge zu bonitieren. Wir wollen eine wirkliche Lagenklassifikation einführen. Jeder Weinberg, der ein Erstes oder Großes Gewächs hervorbringen soll, muss einen Anerkennungsprozess durchlaufen. Solange dieser Bezug fehlt, wäre es wieder nur ein Selektionswein, der die Herkunft ignoriert.

 

Der deutsche Weinbau lehnt sich weit aus dem Fenster, wenn er ein Premier Cru und ein Grand Cru ausruft.

Wie lässt sich die Verbindung herstellen?

Christmann: Idealerweise würde man zunächst fünf Jahre Lagenweine erzeugen, daraus die besten Herkünfte und Weine für die Erzeugung Erster Gewächse zulassen und aus diesen nach weiteren fünf Jahren die Großen Gewächse entwickeln. Der deutsche Weinbau lehnt sich weit aus dem Fenster, wenn er ein Premier Cru und ein Grand Cru ausruft. Die Gefahr, sich zu blamieren, ist gewaltig. Bislang sind noch viele Details unklar. Beispielsweise beim Mindest-Mostgewicht für die Großen Gewächse: Das ist auf 90 Grad Oechsle festgelegt. Damit werden großartige Weine ausgegrenzt, besonders in Regionen wie an der Mosel. Das ist nicht logisch und ergibt für mich keinen Sinn. Hier ist letztlich die Regelung im alten Denken des Mostgewichts hängen geblieben.

Die Bezeichnungen Lagenwein, Erstes Gewächs und Großes Gewächs stehen nun im Wettbewerb zueinander. Sorgt das nicht noch für mehr Verbraucher-Verwirrung?

Christmann: Es wäre wunderbar, wenn man von der ersten Minute an ein allumfassendes, schlüssiges System geschaffen hätte. Im VDP haben wir uns lange Gedanken über die Einstufung der Lagen auf Basis von aktuellem Wissen und historischen Klassifikationen gemacht. Aber auch das kann niemals abschließend und für immer fix sein. Durch die Öffnung im Weingesetz werden nach und nach auch neue, bis dato unbekannte Lagen auftauchen. Insofern muss die Möglichkeit bestehen, Weine aus einem solchen Weinberg zunächst als normalen Lagenwein zu füllen. Bewährt sich die Lage, kann sie in der Hierarchie aufsteigen.

 

Wir stehen vor der ernsthaften Herausforderung, Grand Crus für Deutschland zu schaffen.

Die Eckpunkte der Richtlinien für ein “VDP.Grosses Gewächs” sind im Großen und Ganzen ins neue Gesetz eingegangen. Welche Konsequenzen hat das für Sie?

Christmann: Wir sind am Anfang eines Prozesses mit großen Chancen und großen Risiken. Ich bin der Meinung, wir sind mit diesem Teil des Gesetzes zu früh dran und hätten noch ein paar Jahre gebraucht. Vor allem das Bundesland Rheinland-Pfalz mit seinen Anbaugebieten Rheinhessen, Pfalz, Mosel, Nahe und Ahr hat die Einführung der Großen Gewächse zum jetzigen Zeitpunkt abgelehnt, aber andere Bundesländer haben das Thema vorangetrieben und sich durchgesetzt. Und nun stehen wir vor der ernsthaften Herausforderung, Grand Crus für Deutschland zu schaffen.

Was bedeutet das für den VDP?

Christmann: Ein Großes Gewächs wird erst final etabliert und anerkannt sein, wenn es nicht von einer Vereinigung wie dem VDP als Markenzeichen festgelegt wird, sondern als Grand Cru einer ganzen Region im Weingesetz geregelt ist. Wir waren uns immer im Klaren darüber, dass das am Ende in eine umfassende Regelung übertragen werden muss. Doch was jetzt festgeschrieben wurde, stand vorher unter der Überschrift “Selection” exakt so bereits im Gesetz - und hat nicht funktioniert. Das wird auch jetzt nicht funktionieren, wenn man nur die Namen tauscht, aber keine anderen Parameter definiert. Wir begleiten das Thema positiv und engagiert. Und wir erwarten, dass es entsprechende Veränderungen gibt. Kommen diese Veränderungen nicht, werden wir als VDP über andere Wege nachdenken.

Welche Überlegungen gibt es dazu?

Christmann: Wir bringen uns in den Prozess ein, mit dem Ziel, ein gutes Ergebnis zu erreichen. Wir werden aber, wenn das nicht gelingt, an der Idee „Große Weine aus Großen Lagen“ festhalten. Unter Umständen muss man sie unter anderem Namen vermarkten. Vielleicht genügt aber auch die Aussage, dass es ein “VDP.Grosses Gewächs” ist. Das werden wir sehen. Wir haben aber die Hoffnung, dass das neue Weingesetz als Chance erkannt wird und sich der deutsche Weinbau mit anderen Anbauländern auf Augenhöhe etabliert. Wie weit sich die VDP-Regionalvereine dabei einbringen, wird davon abhängen, welche Regeln mit den Schutzgemeinschaften in der Weinverordnung und in den Regionen erreicht werden kann. 

Fotos: © VDP

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