wein.plus
ACHTUNG
Sie nutzen einen veralteten Browser und einige Bereiche arbeiten nicht wie erwartet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser.

Anmelden Mitglied werden

Mitte Juni 2021 hat der Deutsche Raiffeisenverband (DRV) seinen Austritt aus dem Deutschen Weinbauverband (DWV) erklärt. Im Interview mit Kristine Bäder erläutert Dr. Annette Fiss, Referentin für Weinwirtschaft im DRV, die Gründe für die Trennung, ihre Position zum romanischen Bezeichnungsrecht sowie zur Großlage - und warum der Austritt für sie keinen Weltuntergang bedeutet.

Der Hauptgeschäftsführer des DRV, Dr. Henning Ehlers, schreibt auf Ihrer Homepage: "In der Ausrichtung des DWV haben die genossenschaftlichen Positionen zuletzt nahezu keine Rolle mehr gespielt". Welche Positionen sind das?

Fiss: Um es bildlich auszudrücken: Wir haben uns auseinandergelebt. Eine Entwicklung, die dem Verlauf einer zwischenmenschlichen Beziehung durchaus ähnlich ist. Irgendwann stellen Sie fest, dass es keinen Sinn mehr macht, unter einem Dach zusammenzuleben. Einzelne Gründe dafür sind schwer zu benennen. Es ist ein längerer Prozess gewesen, der letztlich zur Trennung oder, im Falle der genossenschaftlichen Gruppe, zum Austritt aus dem Deutschen Weinbauverband geführt hat.

Um ein konkretes Beispiel zu geben: Schauen wir uns kurz die Vermarktungswege an! Für uns ist der Lebensmitteleinzelhandel (LEH) ein wichtiger Partner. Der DRV ist als Dachverband der genossenschaftlichen Landwirtschaft sehr breit aufgestellt und besitzt Expertise in allen Bereichen, die den Handel betreffen. Für Direktvermarkter spielt dieses Wissen dagegen nur eine untergeordnete Rolle. Das ist nur ein Beispiel, aber solche Unterschiede haben in Summe dazu geführt, dass wir unsere Interessen innerhalb des DWV nicht mehr ausreichend vertreten gesehen haben.

Schon seit langem arbeitet der Raiffeisenverband - unabhängig vom DWV - direkt in Berlin für seine Interessen. Welche Verbesserungen der Einflussnahme versprechen Sie sich damit?

Fiss: Richtig, als Dachverband der genossenschaftlichen Landwirtschaft sind wir in Berlin sehr gut vernetzt. Nach dem Austritt sehen wir die Chance, dass die neue Diskussionsgrundlage auch zu einer Präzisierung der Auseinandersetzung und damit auch zu einer Präzisierung der Interessenvertretung führt. In jedem Fall wird sich der Diskurs verändern und die weinbaupolitische Diskussion öffnen. Und das ist kein Weltuntergang, sondern die pragmatische Möglichkeit, neue Impulse zu setzen.

Die weinbaupolitische Diskussion wird sich öffnen

Welche Bedeutung hat die Großlage für die Genossenschaften? Wie sehen Sie deren Bedeutung für die Zukunft?

Fiss: Die Diskussion um die Großlage ist eine rückwärtsgewandte Diskussion. Vor allem, wenn sie den Grund für den Austritt liefern soll. Abgesehen davon, dass das den hinter uns liegenden Entscheidungsprozess stark vereinfachen würde, liegt uns nicht daran, vergangene Debatten oder Standpunkte zu rekonstruieren, um Schuld zuzuweisen. Der DRV als Dachverband blickt im Schulterschluss mit den regionalen Genossenschaftsverbänden in die Zukunft, und dazu gehört beispielsweise auch die Umsetzung des neuen Bezeichnungsrechts.

Wie sieht denn die Beteiligung der Genossenschaften an der Einführung des romanischen Bezeichnungsrechts konkret aus?

Fiss: Das romanische Bezeichnungsrecht ist ein Faktum. Es ist EU-weit beschlossenes Recht, das in den einzelnen Mitgliedsstaaten sukzessive umgesetzt wird oder umzusetzen ist - woran sich die Genossenschaften in Deutschland übrigens in allen Anbaugebieten intensiv beteiligen. Und zwar in einem sehr konstruktiven Arbeitsrahmen. Derzeit arbeiten sogenannte Schutzgemeinschaften in allen deutschen Anbaugebieten Herkunftsprofilierungen im Sinne des neuen Bezeichnungsrechts aus. In diesen regionalen Arbeitsgruppen sind selbstverständlich auch Vertreter der Genossenschaften aktiv beteiligt.

Welche Vermarktungsstrategien ergeben sich für die Genossenschaften mit dem romanischen Bezeichnungsrecht?

Fiss: Vermarktungsfragen sind das ureigene Terrain unserer Mitglieds-Genossenschaften und daher werden auch die Vermarktungsstrategien in den jeweiligen Betrieben entwickelt. Und dafür wird auch das neue Bezeichnungsrecht den passenden rechtlichen Rahmen bieten. Die romanischen Bezeichnungen werden sich durchsetzen, auf der Wein-Produzenten- und auf der Wein-Konsumentenseite sowie im Handel.

Sehen Sie Chancen, sich als Genossenschaften mit einer Umsetzung des neuen Weinrechts besser profilieren zu können?

Fiss: Sicher, die Gestaltungsspielräume und Profilierungsmöglichkeiten, die das neue Bezeichnungsrecht bietet, stehen der ganzen Weinbranche zur Verfügung.

Haben Sie den Eindruck, dass den Winzergenossenschaften durch ihren Austritt aus dem DWV ein Image-Schaden entstanden ist?

Fiss: Nein, den Eindruck habe ich nicht. Am Interesse der Presse ist erkennbar, dass die internen Konflikte nicht nach außen kommuniziert wurden. Das empfinde ich als einen sehr respektvollen Umgang der einzelnen Parteien miteinander. Dass der Austritt für Außenstehende daher überraschend war, ist nachvollziehbar. So etwas hat es ja auch lange nicht gegeben. Aber wir haben uns diese Entscheidung nicht leicht gemacht, immerhin sind es 36.000 Winzerfamilien, die sich von uns vertreten wissen wollen. Da muss ein solcher Schritt reiflich überlegt, gut begründet und abgewogen sein.

Foto: ©Deutscher Raiffeisenverband

Mehr verwandte Stories

Alle anzeigen
Mehr
Mehr
Mehr
Mehr
Mehr
Mehr
Mehr
Mehr
Mehr
Mehr

Veranstaltungen in Ihrer Nähe

PREMIUM PARTNER