wein.plus
ACHTUNG
Sie nutzen einen veralteten Browser und einige Bereiche arbeiten nicht wie erwartet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser.

Anmelden Mitglied werden

Das neue deutsche Weingesetz soll mit der Einführung des romanischen Herkunftsmodells mehr Klarheit schaffen. Doch damit unterscheiden sich Lagenweine in bis zu drei Qualitätsstufen - auch, wenn sie aus demselben Weinberg stammen. Die auf Weinrecht spezialisierte Rechtsanwältin Nadine Liesching erklärt, was auf Produzenten, Händler und Weinfreunde zukommt.

Um deutsche Winzer im internationalen Handel zu stärken, hat der deutsche Gesetzgeber nach jahrelanger Diskussion im Deutschen Weinbauverband die Etikettierungsregeln an das romanische Herkunftsmodell angepasst. Die neu geregelten Bedingungen für die Verwendung von Herkunftsangaben sind nun ab dem Erntejahrgang 2026 einheitlich verankert und mit dem Qualitätsversprechen „Je kleiner die geographische Angabe, desto höher die Qualität“ verbunden.

Das neue Gesetz passt damit das deutsche Weinrecht, lange verspätet, den bereits seit 2012 in der EU geltenden Vorgaben an. Basis der nicht mehr ganz neuen Qualitätsbegriffe sind zunächst zwei EU-Kategorien, deren unterste als “geschützte geografische Angabe” (g.g.A.) definiert ist. Sie entspricht dem bisherigen Landwein, die Angabe weiterer Herkünfte ist hier nicht erlaubt. Weine der zweiten Kategorie mit “geschützter Ursprungsbezeichnung” (g.U.) entsprechen den bisherigen Qualitäts- oder Prädikatsweinen.

Spätlese trocken ist für Lagenweine Vergangenheit

DWV_neue_klassifikation©DWI - Neue Klassifikation

Das veraltete deutsche Prädikatswein-System bleibt dabei in Teilen erhalten. So dürfen frucht- und edelsüße Weine weiter mit Prädikaten wie Spätlese, Auslese oder Beerenauslese etikettiert werden. Zunächst hatten die Verantwortlichen der beteiligten Verbände sogar eine Öffnungsklausel in der Weinverordnung durchgesetzt, mit der “Kabinett trocken” und “Spätlese trocken” erneut einen Weg aufs Etikett von Einzellagen-Weinen gefunden hätten. Sie wurde aber bei den Beratungen dazu wieder gestrichen. “Es ist abzulehnen, dass die Anforderungen der Herkunftsprofilierung mit denen des Prädikat-Systems vermengt werden. Sie führen zu einer Verkomplizierung der Einzellagen-Profilierung, die dem Verbraucher kaum zu erklären sein wird”, heißt es in der Begründung im Bundesrats-Beschluss vom März.

Für g.U.-Weine definiert das Gesetz nun eine vierstufige Bezeichnungsebene. Sie beginnt mit dem Gebietswein. Er wird mit dem Namen des Anbaugebiets gekennzeichnet, aus dem er stammt. Auf der zweiten Stufe stehen die Weine einer Region. Diese Kategorie entspricht den bisherigen Bereichs- und Großlagen-Weinen. Die Verwendung dieser Namen wurden trotz heftigster Diskussionen wegen der Verwechslungsgefahr mit sehr ähnlich klingenden Einzellagen nicht abgeschafft. Der Kompromiss lautete: “Region”.

Dieser Begriff muss künftig deutlich und vor allem in der gleichen Schriftgröße, Schriftart und Farbe unmittelbar dem Großlagen- oder Bereichsnamen voran geschrieben werden:

Beispiel: Region Bernkastel / Region Kurfürstlay

Die zusätzliche Verwendung des Namens einer Gemeinde oder eines Ortsteils zusätzlich zu einer Region sollte zunächst nicht erlaubt werden - dies soll den Lagenweinen vorbehalten bleiben. Und doch hier gibt es eine Ausnahme: Die Nutzung ist möglich, wenn mindestens 85 Prozent der Trauben aus der angegebenen Gemeinde stammen. Der Gemeindenamen ist nun der Angabe Region sowie dem Großlagen-Namen voran- oder nachzustellen:

Beispiel: Region Kurfürstlay Brauneberg / Brauneberg Region Kurfürstlay

Beim Ortswein sind die Regeln dagegen recht unkompliziert: Bei der Nennung einer Gemeinde oder eines Ortsteils, aus dem 85 Prozent der Trauben stammen, ist nur der Mindestalkoholgehalt definiert. Er muss mindestens das frühere Prädikat „Kabinett“ erreichen. Der Wein darf schon ab dem 15. Dezember des Erntejahres vermarktet werden.

Beispiel: Brauneberger Riesling

Die Frage der Lage: Was ist erlaubt, was verboten?

An der Spitze der neuen Klassifikation steht der Lagenwein. Das klingt zunächst klar, ist es allerdings nicht: Denn diese Stufe ist künftig in drei Weinkategorien unterteilt, die alle zugleich von demselben Weinberg und Jahrgang stammen können. Die unterste Stufe der Spitze bildet der Einzellagen-Wein. Er muss den natürlichen Mindestalkoholgehalt von „Kabinett“ aufweisen und darf nicht vor dem 1. März des auf das Erntejahr folgenden Jahres verkauft werden. Er kann aus einer oder auch aus mehreren in der jeweiligen Produktspezifikation festgelegten Rebsorten vinifiziert worden sein. Diese Regelungen gelten auch für Weine aus „Gewannen“, die als kleinste geographische Angabe in der Weinbergsrolle verzeichnet sein müssen. Bei der Einzellage muss auf dem Etikett deutlich der Name der Gemeinde oder des Ortsteils zugefügt werden, wenn mindestens 85 Prozent der Trauben von dort stammen - in gleicher Farbe und in einer Schriftgröße von mindestens 1,2 Millimetern, unabhängig von der Schriftart.

Beispiel: Brauneberg / Brauneberger Juffer

In den für jedes Anbaugebiet einzeln zu definierenden Produktspezifikationen dürfen die Schutzgemeinschaften allerdings strengere Anforderungen zur Verwendung dieser Herkunftsbezeichnungen festlegen. Auf deutschlandweit einheitliche Regeln dürfen sich Weinfreunde daher nicht blind verlassen. Neu sind die erstmals einheitlich definierten Anforderungen, unter denen Winzer in allen Anbaugebieten schon ab Jahrgang 2023 ihre hochwertigsten Lagenweine entweder als Erstes Gewächs (EG) oder Großes Gewächs (GG) in den Handel bringen können.

Bei den EG sind die Hektar-Höchsterträge auf 60 hl/ha sowie bei Steillagen auf 70 hl/ha begrenzt, der Mindestalkoholgehalt muss mindestens 11,0 Volumenprozent betragen und die Vermarktung ist erst ab 1. März des auf das Erntejahr folgenden Jahres erlaubt. Bei den GG liegt der Höchstertrag bei 50 hl/ha sowie 60 hl/ha bei Steillagen und der Mindestalkoholgehalt bei 12 Volumenprozent. Der früheste Vertrieb ist ab dem 1. September nach dem Erntejahr für Weißweine möglich, für Rotweine gilt der 1. Juni des zweiten Jahres nach der Ernte. GG müssen von Hand gelesen werden und spätestens sechs Monate nach der amtlichen Prüfung einen gesonderten sensorischen Test durchlaufen. Hier sind die schon lange gültigen Vorgaben des VDP ins Gesetz eingeflossen.

Schutzgemeinschaften zwischen Qualität und Konsens

DWV_neue_klassifikation©VDP

Den eigens dazu gegründeten, regionalen Schutzgemeinschaften kommt dabei die Aufgabe zu, die jeweils zu EG und GG passenden Rebsorten, die geeigneten Lagen oder auch höhere Anforderungen an Erträge sowie Alkoholgehalte festzulegen. Sie müssen ebenfalls definieren, ob Erste Gewächse ihres Anbaugebiets einer sensorischen Prüfung unterliegen und welche Anforderungen dazu gelten. Doch bislang ist völlig offen, wie streng die Schutzgemeinschaften diese Regeln auslegen werden. Noch unklar ist ebenfalls, welche Qualitätskriterien die Lagen für Erste und Große Gewächse in jedem der 13 Anbaugebiete erfüllen müssen, ob jede Schutzgemeinschaft individuelle Regeln dafür definiert - und welche Kriterien dabei eine Rolle spielen. Für beide Weinkategorien gilt nur, dass der Jahrgang, die Rebsorte und die Einzellage samt des Gemeinde- oder Ortsteil-Namens angegeben werden müssen. Beide müssen die Geschmacksangabe „trocken“ erfüllen, was aber nicht aufs Etikett gedruckt werden darf. Die Verbände und deren Mitglieder können ihre teils geschützten Bezeichnungen wie “VDP.Grosses Gewächs®” weiterverwenden, solange sie gesetzlichen Mindestvoraussetzungen erfüllen. Verbände wie der VDP oder der Bernkasteler Ring haben für die Herkunftsbezeichnungen ihrer Lagenweine schon lange eigene, teils strengere Qualitätskriterien definiert. Die gesonderte sensorische Prüfung als gesetzliche GG dürfen sie selbst und nach eigenen Kriterien abnehmen.

Für die neuen Vorgaben gelten Übergangsfristen bis einschließlich Jahrgang 2025, für EG und GG aber nur noch bis 2022. Denn hier gelten die neuen Bestimmungen schon ab 2023. In dieser Zeit dürfen Qualitäts- und Prädikatsweine noch nach den bisher geltenden Vorschriften gekennzeichnet und vermarktet werden. Den Winzern steht es aber frei, das Weinetikett nur mit der g.U.-Angabe zu versehen und auf kleinere geografische Einheiten komplett zu verzichten.

Klassifikation mit Chancen - und Risiken

DWV_neue_klassifikation©DWI

Die neuen, geografischen Bezeichnungsregeln bilden damit die rechtliche Basis für neu strukturierte, erstmals Terroir-bezogene Qualitätsaussagen der deutschen Winzer. Die Vorgaben für die Verwendung der Lagen- und Gemeindenamen sowie die Bezeichnungen für EG und GG gelten nun einheitlich für alle Produzenten - unabhängig von der Zugehörigkeit zu einem Verband. Sollte sich diese Klassifikation trotz aller Komplexität der Regeln im Handel durchsetzen, besteht eine gute Chance für Winzer, die Wertigkeit ihrer QbA-Weine auch ohne VDP-Mitgliedschaft international zu erhöhen und sie dem Publikum in ihrer Bezeichnung verständlicher zu machen.

Die neuen Schutzgemeinschaften regeln im Anbaugebiet weitere Details, Restriktionen und Anforderungen zur neuen Kennzeichnung in enger Abstimmung mit Interessenvertretern von Verbänden und Winzern. Das kann zu sehr unterschiedlichen Regeln in jedem einzelnen Anbaugebiet führen. Im besten Fall eröffnet sich ihnen die Chance, sich über die Gebietsgrenzen hinweg erstmals gemeinsam und einheitlich zu profilieren.

Mehr zum Thema:

Nadine Liesching, LL.M. ist Rechtsanwältin für Lebensmittel- und Weinrecht sowie gewerbliche Schutzrechte in München. 

Mehr verwandte Stories

Alle anzeigen
Mehr
Mehr
Mehr
Mehr
Mehr
Mehr
Mehr
Mehr
Mehr
Mehr

Veranstaltungen in Ihrer Nähe

PREMIUM PARTNER