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Auch die Weinszene hat ihre Vorurteile und Klischees. So sind zum Beispiel alle Bordeaux sündhaft teuer, alle Kalifornier schmecken gleich, Österreich produziert nur „Grünen Veltliner”, in Deutschland sind die Weine immer süß.... Dies alles ist mit Sicherheit falsch, obwohl dabei immer auch ein Kern von Wahrheit verborgen ist.

 

 

Besuch bei Peter Jakob Kühn% Rheingau

 

Viele prestigeträchtige Bordeaux sind tatsächlich viel zu teuer, doch es gibt auch den guten einfachen erschwinglichen Bordeaux; viele Kalifornier sind Massenweine die sich tatsächlich kaum unterscheiden; in vielen Dorf-Wirtschaft der Ost-Schweiz wird nichts als „grüner Veltliner” angeboten; deutsche Weine sind - im Vergleich zu den Schweizerweinen - alles andere als wirklich trocken.

 

All diese Beispiele stammen aus dem Alltag, werden genährt aus den Erfahrung, vor allem beim Konsum in den Gaststätten. Es ist noch gar nicht lange her, da habe ich in deutschen Gasthöfen immer „den trockensten offenen Roten” bestellt und dabei immer einen - für meinen Gaumen - viel zu süßen Wein erhalten.

 

Der Weinkenner weiß natürlich, dass die Wirklichkeit anders aussieht, dass es in Deutschland durchaus viele Weine gibt, die trocken, ja in ihrer Art „Weltklasse” sind, allen voran der Riesling.

 

 

Berühmte deutsche Reblagen hoch über dem Rhein

 

Beim „Alltagsweintrinker” ist dieses Wissen aber noch längst nicht angekommen. Die kleine Schweiz (knapp 7,5 Millionen Einwohner) ist von vier großen Nationen umgeben, zwei davon haben in Bezug auf Wein weltweit viel zu bieten: Frankreich und Italien. Dorthin wendet sich der weintrinkende Schweizer zuerst, sicher nicht nach Norden (Deutschland) oder Osten (Österreich).

 

Der umfassende Wein-Einkaufsführer der Schweiz, „vinfox”, listet 350 führende Weinhändler in der Schweiz auf, mit einem Angebot von 132.400 Weinen von 8.200 Produzenten, auf 540 Seiten. Deutsche Weine nehmen gerade mal 6 Seiten davon in Anspruch (zum Vergleich: Frankreich 223, Italien 126, Spanien 28 Seiten).

 

Zwar bieten rund 50 Händler auch deutsche Weine an, meist aber nur ein paar wenige, von einem oder zwei Weingütern. Vor allem sind es „süße” Weine, nebst Riesling, stehen die Beeren- und Trockenbeerenauslese und der Eiswein im Mittelpunkt. Also Spezialitäten, die auch in der Schweiz längst anerkannt sind.

 

 

In der Schweiz kennt man vor allem Weine von der Mosel

 

Seit einigen Jahren gibt es aber ein paar größere Weinvertriebsfirmen, die systematisch auf deutsche Weine setzen. Zum Beispiel „Boucherville” in Zürich, „Riesling” in Bern, und vor allem „Gerstl” in der Ostschweiz (Bad Ragaz - heutiger Firmensitz Zürich). Die drei Weinhandlungen haben eine stattliche Auswahl an deutschen Weinen, und zwar nicht nur Weine mit viel Restsüße, sondern durchaus auch trockene Rieslinge. Stellvertretend zitiere ich Max Gerstl, den Mitbegründer des Weinfestivals in Bad Ragaz (alle zwei Jahre). Er hat schon vor ein paar Jahren seinen „Cave Bordelais” umbenannt in „Weinselektionen Gerstl” und damit nach außen dokumentiert, dass er fortan nicht mehr „nur” Bordeaux anzubieten hat: „Bisher konzentrierte ich mich vor allem auf restsüße Weine (aus Deutschland). Mittlerweil - und ich gebe es gerne zu - bin ich nach anfänglicher Skepsis mit den so genannt Großen Gewächsen in eine neue Dimension vorgestoßen....” Da ist natürlich besonders interessant, welche Weine der „Deutschlandpionier” unter den Schweizer Weinhändlern in sein Programm aufgenommen hat. Zuerst einmal 8 Namen: Robert Weil; Rheingau, Jakob Jung, Rheingau; Peter Jakob Kühn, Rheingau; Klaus Peter Keller, Rheinhessen; Wittmann, Reinhessen; Steffen Christmann, Pfalz; Michael Fröhlich, Franken; J. J. Prüm, Mosel.

 

 

Wohl einziger Händlerkatalog der Schweiz% der nur trockene deutschen Rieslinge auflistet

Schon jetzt sehe ich die Leser die Nase rümpfen: Alles sogenannt „Große Gewächse” von durchaus reputierten Winzern Doch wo sind die andern? Die Pfälzer, die Saarländer, Badener, die von der Aar..... Der Weinhändler, der ja die Weine in der Schweiz zu verkaufen hat, begründet seine Zurückhaltung so: „Noch ist in der Schweiz die Nachfrage nach diesen Weinen eher bescheiden, deshalb reicht uns ein Angebot von 10 Weinen. Ich hatte also die wunderschöne Aufgabe, aus 150 Weinen die 10 Besten herauszusuchen....” Ob dies wirklich die 10 besten trockenen Rieslinge sind? Da erlaube ich mir kein Urteil. Seit vier Jahren ziehe ich einmal im Herbst ein paar Tage mit meinen deutschen Weinfreunden durch die besten Riesling-Gegenden: Rheingau, Franken, Pfalz, Mosel-Saar-Ruwer... Und überall - geführt von meinen lieben deutschen Gewährsleuten - habe ich recht viele gute, ja ausgezeichnete, einmalige Weine entdeckt. Nicht nur bei den berühmten Namen und unter den „Großen Gewächsen”.

 

Das Beispiel zeigt, wie rasch und gründlich Klischees und Vorurteile die Weinszene beherrschen, wie rasch und gründlich alles in einen großen Topf (wohl Weinbottich) geworfen wird, und wie differenziert doch die weltweite Weinszene in Wirklichkeit ist.

 

 

Angebot der renommierten Weinhandlung „Globus”. Ein einziger deutscher Riesling im Katalog

 

Letztlich ist der Markt und nicht die Qualität entscheidend für das, was aus den verschiedenen Weinregionen der Welt angeboten wird. Der Markt aber richtet sich an den sogenannten „Massegenschmack”, der nur mit viel Aufwand und sehr langsam zu beeinflussen ist. Deutsche Weine sind halt nicht „in” in der Schweiz - und da hat es selbst der beste Riesling schwer.

 

Von den deutschen Rotweinen möchte ich gar nicht reden: Sie machen nur etwa ein Prozent der ohnehin spärlichen deutschen Angebote aus und beschränken sich fast ausschließlich auf Spätburgunder. Lemberger, Dornfelder, Zweigelt, Merlot, Sankt-Laurent... aus Deutschland gibt es kaum. Sie alle sind in der Schweiz so gut wie unbekannt. Und was man nicht kennt, das hat eben auch keinen Markt.

 

Siehe oben, zu Beginn der Kolumne.

 

Herzlich


Ihr/Euer


Peter (Züllig)

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