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Bunt gefiedert, fast wie ein Papagei, nur knapp 30 Zentimeter groß, schlank, türkisfabene Brust, rostbrauner Rücken, langer, gekrümmter Schnabel, „prüpp, prüpp, prüpp“ trillernd und ungemein elegant durch die Lüfte schwebend, das ist der Bienenfresser. Als ehemaliger Imker habe ich ein gespaltenes Verhältnis zum in vielen Farben schillernden Vogel – er soll große Schäden unter den Bienenvölkern anrichten – mir als Naturfreund ist er aber willkommen.

 

Der wohl bunteste Vogel auf einer Weinetikette: der Bienenfresser

Ausser in Büchern, auf Websites und in Fotogalerien habe ich ihn noch nie angetroffen. Nun steht er aber plötzlich auf meinem Tisch – allerdings verziert er nur die Etikette einer Rotweinflasche, mit der mich mein Nachbar Walter überrascht. Die Überraschung ist ihm gelungen – der bunte Vogel entpuppt sich als ausgezeichneter Wein. Ein Österreicher, Jahrgang 2006, vom Weingut Pitnauer, Göttlesbrunn in Niederösterreich, ein Zweigelt – für mich auch als Wein ein „bunter Vogel“ mit exotischem Anstrich. Doch das darf ich wohl nicht sagen, wenn ich als Weinliebhaber noch halbwegs glaubwürdig sein will; gehört doch der Zweigelt zu den populärsten Weinen Oesterreichs, darunter der „Bienenfresser“ zu den besten. Für mich aber ist er zwar nicht ganz unbekannt, aber doch eher ein sehr seltener Gast in meinem Weinglas. Dem „Bienenfresser“ sei gedankt (und natürlich meinem Nachbarn), dass ich nun (fast) Neues kennengelernt habe. „Carnuntum“ sagte mir mehr als Göttlesbrunn, schließlich haben auch wir Schweizer unser „Augusta raurica“ mit einem imposanten Amphitheater auf das wir stolz sind. Nur das „Heidentor“ fehlt bei uns und natürlich der Wein, der in den Göttlisbrunner Weinrieden angebaut wird: Grüner Veltliner zum Beispiel, St. Laurent oder eben Zweigelt.

 

Bienenfresser% Ernte 2006% Göttlesbrunner Zweigelt% Bärnreiser% Weingut Familie Pitnauer

Plötzlich (ist es so „plötzlich“ und nicht längst fällig?) wird mir bewusst, dass sich die Weinwelt nicht nur im Cabernet Sauvignon, Merlot, Pinot Noir oder Riesling verwirklichen kann, sondern zum Beispiel auch im Zweigelt. Dieser „Bienenfresser“ hat es mir angetan: diese leicht süßen dunklen Beeren am Gaumen, die Cassisaromen im Abgang, die verhaltene Vanille, die aber gar nicht an Holz erinnert, sogar etwas Kokos, Dörrobst meine ich geschmacklich zu ergründen. Die Palette von einladenden Weingenüssen erweitert sich mit einem Schlag. Selten genug, dass ich mich nach Osten, zum Beispiel nach Niederösterreich, wende, in eine Gegend, die ich zwar aus der Geschichte, nicht aber als Wein-Region kenne, „wo sich Kultur, Sonne und Wein treffen“, wie die Touristenwerbung es formuliert. Diese unerwartete Begegnung mit einem Wein, der außerhalb Österreichs wohl wenig bekannt ist, habe ich also einem bunten Vogel auf einer sonst schlichten Weinetikette zu verdanken. Weinetikette? Ist diese nicht viel wichtiger, ja entscheidender für neue Entdeckungen, als viele noch so gut-gemeinte Beschreibungen?

 

Präsentation der Flaschenformate und Etiketten auf dem Château Mouton Rothschild

Richtig, da gibt es in Bordeaux ein berühmtes Vorbild: Mouton Rothschild. Seit 1945 wird das Etikett dieses Premier Cru jedes Jahr von einem anderen Künstler gestaltet, darunter sind so berühmte Namen wie Picasso, Miro, Mathieu, Haring, Warhol, Baselitz, Poliakoff…. Dadurch wird der ohnehin zur Bordeaux-Spitze gehörende Wein noch kostbarer, nämlich auch als begehrtes Sammelobjekt. Weltweit gibt es wohl kein anderes Weingut, das sich mit totalem Merchandising so geschickt verkauft, dass man bei Rothschilds alles finden kann, vom Korkenzieher über die Krawatte bis zur Kunst, ja da gibt es sogar Wein. Doch zurück nach Österreich. Ich erinnere mich an einen Besuch an einem Stand auf der ProWein. Es war vor einem Jahr, als mir Künstler-Bilder auf einer Serie von Weinen aufgefallen sind. Ich bin stehen geblieben, habe die Etiketten genauer betrachtet: Marco Polo, Cardinal, Cavallo, Contessa und Reserve. Ein Werbetrick? Jedenfalls bin ich am Stand von Erich Giefing nicht vorbei gegangen. Rasch haben wir uns in ein Gespräch verwickelt, über Kunst, Etiketten, Wein. Zuerst ging es um den Künstler, den Österreicher Gerhard Almbauer aus Graz, der die Etiketten gestaltet hat. Und es ist – wie beim Bienenfresser – vorerst das Außergewöhnliche, das mich erreicht hat: bunt, einprägsam, exotisch, markant. Nicht dass mir die Kunst Almbauers besonders gefällt: In einer Gemäldegalerie wäre ich wohl nicht stehen geblieben.

 

Serie von Künstler-Etiketten beim Weingut Erich Giefing in Rust am Neusiedlersee% Österreich

Doch als Weinetikette bekommt Kunst eine andere Dimension. Hinter den Bildern, in der Flasche, da wartet das, was die Kunstverzierung präsentiert: Wein. Für mich ist es - in diesem Fall - die nächste Überraschung: fünf sehr gute Weine. Eine Cuvée aus Cabernet Sauvignon, Blaufränkisch und Zweigelt hat es mir besonders angetan. War es Marco Polo, Cardinal oder gar Cavallo? Ich weiss es nicht mehr. Jedenfalls kommt unser Gespräch von der Kunst rasch einmal zum Wein, von der Etikette zum Weingenuss. Für mich, den frankreichorientierten, ist der Wein (nicht nur die Etikette) eine echte Überraschung. Zuerst etwas ungewohnt zwar, wie die Bilder von Almbauer, nicht das, was mir längst vertraut ist. Etwas Neues, eine (fast) neue Erfahrung, ein nachhaltiges Erlebnis: würzig, kräftig, sehr fruchtig – aber auch mineralisch. Es sind halt die üblichen Begriffe, mit denen man versucht, das zu beschreiben, was als Wahrnehmung zuerst einmal unbeschreiblich ist und sich erst allmählich definiert. Ich glaube, dies war die erste – bewusst wahrgenommene – Begegnung mit der eigentlich noch jungen Rebsorte Zweigelt.

 

Bei Erich Giefing an der ProWein 2008

Bald einmal habe ich aber den „Cavallo“ wieder vergessen, genau so, wie ich den zweigelt-groof aus dem Gaumen wieder verbannt habe. Ein gutes Jahr lang, bis … bis der „kräftige, glockenartige Ruf“ des „Bienenfressers“ (zu hören auf http://de.encarta.msn.com/encyclopedia_761570280/Bienenfresser.html) mich daran erinnert hat, dass es nicht immer nur das sein muss, was man kennt. Auch Exotisches – und seien es auch nur die Phantasien eines Künstlers oder ein bunter Vogel – kann zu Vertrautem werden. Man muss sich nur darauf einlassen. Für mich bleibt deshalb – nicht auf Grund des Geschmacks – der Zweigelt fortan untrennbar mit einer bunten, exotischen Wahrnehmung verbunden.

Herzlich

Ihr/Euer

Peter (Züllig)

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