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Es bleibt in der Familie

Echte weiße Burgundersorten (genauer: Pinot-Sorten) gibt es in Deutschland eigentlich nur zwei: Weiß- und Grauburgunder, die nichts anderes sind, als farbliche Mutationen des Pinot Noir. Das macht sie zudem weitgehend identisch mit den roten Schwarzriesling und Samtrot, die in dieser Folge ebenfalls aus Pinot Noir mutierten. Tatsächlich zählen wir jedoch auch Chardonnay und Auxerrois zu den Burgundersorten. Beide sind natürliche Kreuzungen zwischen Pinot und Heunisch (Gouais Blanc, übrigens auch einer der 3 Elternteile des Rieslings), also immerhin Verwandtschaft.

Alle Varianten zählen zu den nichtaromatischen oder "neutralen" Rebsorten, was ein wenig irreführend ist, da die Weine zwar nicht ausgeprägt aromatisch oder fruchtbetont sind, aber durchaus über ihren jeweils charakteristischen, eben nicht neutralen Ausdruck verfügen. Gleichwohl ist ihre aromatische Zurückhaltung wohl der wichtigste Grund dafür, dass man den Burgundersorten im Keller etwa mit biologischem Säureabbau, besonders langem Hefelager sowie Ausbau in mehr oder weniger großen beziehungsweise neuen Holzfässern häufig Behandlungen zur gezielten Geschmacksbeeinflussung angedeihen lässt, die in Deutschland für aromatischere Sorten, insbesondere den Riesling, bis vor kurzem weitgehend verpönt waren und erst langsam wiederentdeckt werden.

Grauburgunder

Der Grauburgunder ist die weiße Burgunderrebe in Deutschland mit der größten Anbaufläche. Seinen Namen hat er von der graublauen und/oder roten Färbung, die die Beeren mit der Reife annehmen. Dass die Weine daraus in aller Regel weiß ausfallen, liegt lediglich daran, dass sie wie die meisten Weißweine ohne Schalenkontakt vergoren werden. In letzter Zeit finden sich allerdings zunehmend auch zwiebelschalen- bis lachsfarbene Versionen.

Die Bandbreite der aus Grauburgunder erzeugten Weine ist erstaunlich groß. Früher, als die Sorte in Deutschland verbreitet noch Ruländer hieß, wurde ihre Anfälligkeit für Botrytis dazu genutzt, aus ihr weiche, mollig-süße, bisweilen auch schwere Weine zu produzieren, wie man sie heute vor allem noch im Elsass findet. In Deutschland ist diese Variante, von edelsüßen Spitzen einmal abgesehen, inzwischen weitgehend ausgestorben. Ausgehend vom Pinot-Grigio-Boom in den 80er und 90er Jahren hat man auch in Deutschland begonnen, den Wein weitgehend frei von Botrytiseinflüssen und vor allem trocken auszubauen. Dabei vermieden es zumindest die besseren Betriebe, den oft ausgesprochen neutralen Stil des Pinot Grigio zu imitieren, wie er damals den deutschen Markt überschwemmte.

Neutral ist der Grauburgunder nur, wenn man ihn aus zu hohen Erträgen und zu früh gelesenem Material produziert. Die Sorte braucht eine gewisse Reife und Substanz, um ihre Stärken auszuspielen. Schlanker Grauburgunder kann ein anregendes, süffiges Getränk abgeben, aber erst die später gelesenen, reiferen Varianten verfügen über die charakteristischen Aromen von Pistazien, reifem Kernobst sowie immer wieder auch gelben Melonen und mürbem Steinobst. Es bedarf einigen Fingerspitzengefühls, Überreife und zu tiefe Säure zu vermeiden, die Möglichkeiten der Sorte aber dennoch auszuschöpfen. Allerdings halten seine üppigeren Aromen den Grauburgunder auch bei hoher Reife häufig noch dann in der Bahn, wenn der Weißburgunder bereits ins Anstrengende und Schwerfällige abzukippen droht. Längeres Hefelager, Schalenkontakt und gekonnter Holzausbau helfen dabei, auch den kräftigeren Varianten noch die nötige Struktur zu verleihen, um nicht aus dem Leim zu gehen. In letzter Zeit gelingt es zudem immer mehr Produzenten, elegante, alkoholärmere Grauburgunder zu produzieren, die dennoch Tiefe und Charakter aufweisen.

Die angestammte Heimat des Grauburgunders ist Baden. Von hier kommen mehr erstklassige Vertreter der Sorte als aus allen anderen deutschen Weinbaugebieten zusammen. In der Pfalz hat ziemlich eindeutig der Weißburgunder Vorrang, aber in Württemberg, in Rheinhessen und zum Teil auch an der Nahe entstehen zunehmend interessante Weine. Eine gewisse Traditon in der Kelterung hochklassiger Grauer Burgunder hat auch Franken, obwohl die Sorte hier mengenmäßig nur eine kleine Rolle spielt. Der Rheingau hat zumindest einen Grauburgunderproduzenten von Rang.

Hier gehts zu allen 151 in diesem Jahr probierten deutschen Grauburgundern

Weißburgunder

Noch immer ist nicht ganz klar, ob der Weißburgunder aus dem Grauen mutiert ist oder umgekehrt. Jedenfalls ist die Verwandschaft so nah, dass man eigentlich kaum geschmackliche Differenzen erwarten würde. Bei den Alltagsweinen ist der Unterschied tatsächlich kaum zu merken. Es scheint lediglich so zu sein, dass Weißburgunder auch in der leichten Basisvariante mit seiner frischen Zitrus- und Apfelfruchtigkeit tendenziell mehr Freude bereitet, weil der Grauburgunder in der gleichen Gewichtsklasse mitunter allzu neutral ausfällt. Bei höherwertigeren Weinen werden die Unterschiede deutlicher. Beide Sorten zeigen dann oft ausgeprägt nussigen Charakter, nur ist es beim Weißburgunder eher Haselnuss statt der für den Grauburgunder typischen Pistazie. Auch die Fruchtigkeit ist meist eine andere, weil der Weiße Burgunder neben den beiden gemeinsamen Kernobstaromen mehr Zitrustöne aufweist, während die graue Version wärmere Aromakomponenten hinzubekommt.

Die Bandbreite guter Weißburgunder reicht von straffen, kühlen, saftigen und mineralischen Exemplaren, die von einem nicht allzu fruchtigen Riesling gar nicht so weit entfernt sind, über betont nussige, eher abgeklärt wirkende Typen, die exzellente Essensbegleiter abgeben, bis hin zu üppigen Barriqueweinen mit karamelligen und buttrigen Aromen. Längere Maischestandzeiten, Spontangärung und behutsamer Holzausbau lassen in Deutschland heute aber eine immer facettenreichere Weißburgunder-Landschaft entstehen,  die seinen Ruf als eher langweilige, dafür massentaugliche Sorte ohne herausragende Eigenschaften zunehmend ins Wanken geraten lässt.

Nicht, dass die banalen Weine am Aussterben wären. Noch immer haben viele Produzenten einen Hang zur Restsüße, die beim Weißburgunder nur selten passt. Weine aus früh gelesenen Trauben werden so schnell zu sehr banalen, zitronig-limonadigen Allerweltsgetränken für Leute, die Wein eigentlich nicht mögen - so wie es offenbar viele Prüfer der bekannten Weinwettbewerbe tun, die derlei nur zu gern mit güldenen Medaillen ausstatten. Doch auch den höherwertigen Weißburgundern steht der Zucker selten gut zu Gesicht, zumal wenn die Weine im Holz ausgebaut wurden. Da passt dann selten alles zusammen. Auch für edelsüße Weine eignet sich der Weißburgunder nur bedingt, da er in dieser Klasse nicht den aromatischen Reiz des Grauburgunders mitbringt und deshalb ein wenig zur Einseitigkeit neigt.

Auch in Sachen Weißburgunder ist Baden zweifellos ein Schwergewicht, nur kann von Dominanz in diesem Fall keine Rede sein. Dafür ist die Südpfalz viel zu stark, deren beste Exemplare oft mit den Spitzenrieslingen der Region um die vordersten Plätze konkurrieren. Die Charaktere könnten jedoch unterschiedlicher kaum sein: während man in Baden, besonders am Kaiserstuhl, am Tuniberg, im Breisgau und im Markgräflerland, eher einen ruhigen, abgeklärten, fein-nussigen, an Burgund orientierten Stil favorisiert, sind die Pfälzer zumeist erheblich frucht- und säurebetonter, lebhafter und rassiger. Selbstverständlich gibt es auch gewisse Überschneidungen - und die fette, buttrige, alkoholreiche Holzvariante findet man ohnehin überall. Unbedingt im Auge behalten muss man wieder die Entwicklung in Rheinhessen und Württemberg, wo die Zahl der bemerkenswerten Weißen Burgunder stetig wächst, zudem beginnt die Mittelhaard der südlichen Pfalz Konkurrenz zu machen. Nicht ganz so spannend ist die Entwicklung in den meisten anderen Gebieten, aber guten Wein aus der Sorte findet man eigentlich überall - sogar an der Mosel, zumindest da, wo man sich in Sachen Zucker beherrschen kann.

Alle 206 in diesem Jahr probierten Weißburgunder

Chardonnay

Der Chardonnay ist heute weltweit so populär, dass zwangsläufig eine Gegenbewegung entstehen musste, die ihn komplett ablehnt. "Anything but Chardonnay" ist der Streitruf dieser sich als Wein-Avantgarde sehenden Bewegung, der, als Synonym für die Abkehr vom Massengeschmack ganz allgemein gebraucht, durchaus einmal eine sinnvolle Wirkung erzielt haben mag, wörtlich genommen jedoch reichlich dumm ist. Und an Dummheit ist so gar nichts avantgardistisch. Auch und gerade der deutsche Rieslingfreak pflegt gerne seine Vorurteile, hält er sich doch meist für den aufgeklärteren Weinkenner. Dabei ist Chardonnay in Wirklichkeit weit entfernt vom weichen, buttrigen, nussig-röstigen Getränk für Möchtegern-Weinkenner, als das er in manchen Kreisen verschrien ist. Tatsächlich wirkt die Sorte, solange man es mit der Reife und den Eingriffen im Keller nicht übertreibt, wesentlich zurückhaltender und dabei auch ein ganzes Stück nobler als alle anderen Burgundersorten. Chardonnay hat zunächst einen eher kühlen Charakter, wirkt säurebetonter als etwa Weiß- oder Grauburgunder, hat deutlich mehr pflanzliche Anteile im Aroma, dafür weniger Frucht und längst nicht deren eindeutig nussigen Grundcharakter. Wo Chardonnay in unseren Breiten betont fruchtig ausfällt, stimmt meistens etwas nicht; die Röstaromen wiederum kommen vom Holz, die Nüsse vom langen Hefelager (naja, und natürlich auch vom Holz) und die Butter vom biologischen Säureabbau.

Doch der auf den ersten Blick allzu neutrale Charakter täuscht über die wahren Fähigkeiten des Chardonnay hinweg, dessen beste Exemplare eine Tiefe, Vielschichtigkeit und Noblesse aufweisen, die sonst kaum eine Weißweinsorte je erreichen kann. Lautstärke ist ihm von Natur aus fremd, dafür transportiert er die Begebenheiten seiner Herkunft und seines Entstehens besonders gnadenlos. Erstklassiger Chardonnay bedarf deshalb eines Meisters in Weinberg und Keller, der mit ihm nicht weniger behutsam umgeht, als mit dem als Diva verrufenen Pinot Noir. Großer Chardonnay hat etwas zutiefst berückendes, weil sich der Anfangs so ruhige und eher neutrale Eindruck Schicht um Schicht, Schluck um Schluck wandelt und den Blick auf nicht geahnte Tiefen freigibt.

Wer Chardonnay produziert, muss also wissen, was er tut. Es ist erheblich leichter, aus Weiß- oder Grauburgunder befriedigenden Wein zu erzeugen. Doch immer mehr deutsche Produzenten wagen das Experiment - und da es immer mehr exzellent ausgebildete Winzer gibt, gelingt es auch immer öfter. Nach und nach zeigt Chardonnay deshalb auch in Deutschland, warum er als eine der nobelsten Sorten überhaupt gilt.

Da die fruchtige Variante für erstklassigen Chardonnay keine Alternative darstellt, hat hier wieder Baden klar die Nase vorn, wo die Nähe zu Frankreich schon viel früher einen eher burgundischen Weinstil gefördert hat als anderswo. Aber das "Anderswo" holt auf. Überall da, wo geeignete Böden und ehrgeizige Winzer aufeinandertreffen, tauchen in letzter Zeit zunehmend gute bis hervorragende Chardonnays auf. So ist es kein Wunder, dass Rheinhessen dank seiner dynamischen Jungwinzerschaft und den oft kalkreichen Böden gleich eine ganze Reihe bemerkenswerter Weine vorzuweisen hat. In der Pfalz gibt es guten Chardonnay schon länger, aber auch hier bewegt sich etwas, ebenso in Württemberg, wo die allgemeine Qualitätsentwicklung in den letzten Jahren so rasant fortgeschritten ist, wie in wenigen anderen Gebieten. Selbst der Rheingau hat den einen oder anderen ehrgeizigen Chardonnay-Produzenten.

Alle 78 in diesem Jahr probierten Chardonnay

Auxerrois

Der Auxerrois steht immer ein wenig im Schatten seiner Geschwister. Die Sorte bewegt sich aromatisch eher zwischen Chardonnay und Weißburgunder: einerseits relativ kühl, aber dafür nussiger als der Chardonnay. Da er einem meist in einer etwas leichteren, süffigeren Variante begegnet, ist er blind von Weißburgunder kaum zu unterscheiden. Sorgfältig gemachte Exemplare können hervorragende, vielseitige Essensbegleiter abgeben und viele davon sind auch noch ausgesprochen preiswert. Erzeuger von wirklich hochklassigem Auxerrois sind in Deutschland noch selten, aber es gibt sie.

Alle 6 in diesem Jahr probierten Auxerrois

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