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Gemüse wird immer öfter vom Nebendarsteller zum Hauptakteur auf dem Teller. Doch welche Weine passen zu welchen vegetarischen Gerichten? Daniela Dejnega sprach mit zwei Sommeliers, die vor allem eins betonen: Pauschale Antworten gibt’s keine mehr.
André Drechsel, Restaurantleiter und Sommelier im Wiener Restaurant Tian ©Ingo Pertramer

Bei der Gemüseküche hat sich vieles zum Besseren verändert. Dem kann die Autorin dieses Artikels, seit über 20 Jahren Weinliebhaberin und Vegetarierin, nur zustimmen. Jahrzehntelang war das Angebot für Nicht-Fleischesser in einfacheren Lokalen grundsätzlich dürftig und selbst in gehobenen Restaurants wurde man – hinter mehr oder weniger vorgehaltener Hand – belächelt, bemitleidet oder mit Augenverdrehen bedacht. Heute jedoch wird immer mehr Menschen bewusst, wie viele gute Gründe es gibt, weniger Fleisch und mehr Gemüse zu essen. So ist es in der Gastronomie längst normal, mehrere fleischfreie Gerichte oder ein vegetarisches Menü anzubieten. Nur bei der passenden Weinauswahl herrscht oft Ratlosigkeit. Wie also stimmen Profis die Weinbegleitung auf die Gemüseküche ab?

„Die Gemüseküche stand für Sommeliers lange im Schatten der Fleischküche, obwohl sie durch ihre Dreidimensionalität in den Vordergrund gehört“, sagt André Drechsel, Restaurantleiter und Sommelier im Wiener Restaurant Tian, dem einzigen mit einem Michelin-Stern ausgezeichneten vegetarischen Restaurant in Österreich. „Fleischgerichte sind limitierter, die Gemüse-Speisen hingegen viel breiter aufgestellt, flexibler und variantenreicher. Aus einer Gemüsesorte lassen sich 100 Gerichte zubereiten, die alle verschieden schmecken“, fährt er fort. Je raffinierter und vielfältiger die vegetarische Küche, desto komplexer gestalte sich auch die Wahl der Weine. Im Tian bestellen mehr als 80 Prozent der weintrinkenden Gäste zum Menü die Weinbegleitung. Die Sommeliers erklären dabei alle Weine sehr genau.

Erlaubt ist, was schmeckt!

Zu Steinpilzen passen auch Rotweine. ©ÖWM - Blickwerk

„Die Zeit des unüberlegten Fleischkonsums ist vorbei, schon allein aus Umweltgründen“, bestätigt auch der junge Sommelier Max Weber, der zuletzt Erfahrung in mehreren Spitzenrestaurants der Welt sammelte, darunter im Geranium in Kopenhagen.

Das Restaurant ist nicht nur die neue Nummer 1 auf der Liste „World’s 50 Best Restaurants“, sondern legt den Schwerpunkt schon lange auf Gemüsegerichte - und kocht seit 2022 ohne Fleisch.

Max Weber mag das: „Die Kombination von Wein und Gemüse ist einfach spannend, weil die Vielfalt viel größer ist als bei Fleisch und Fisch. Zutaten, Gewürze und Zubereitungsart bieten unzählige Varianten. Allein, wie viele Geschmacksrichtungen sich aus einer Tomate herauskitzeln lassen, ist unglaublich. Dazu kommt, dass es so viele verschiedene Tomatensorten gibt. Das alles macht es extrem interessant.“

 
 Sommelier Max Weber liebt die aromatischen Variationen der Gemüseküche. ©Max Weber

Während viele Gemüse grundsätzlich eher dem Weißwein zugeneigt sind, funktionieren für ihn Tomaten oft mit Rotwein, der auch gerne etwas kräftiger sein darf - vor allem, wenn die Tomate geschmort oder gegrillt ist. Auch Steinpilze oder geschmorte Kartoffeln (in Österreich: Erdäpfel) können vortrefflich mit Rotwein harmonieren. Gibt es für ihn konkrete Empfehlungen? „Die Frage nach Grundregeln bekomme ich oft gestellt“, sagt Max Weber, „aber diese Zeiten sind vorbei. Was schmeckt, ist erlaubt – Faustregeln gibt es nicht!“ Für ihn ist aber ein Aspekt bei der Auswahl sehr wichtig: „Will ich die Harmonie betonen oder einen Kontrapunkt setzen?“ Auch André Drechsel hält nichts von pauschalen Antworten: „Regeln gab es früher, als die Speisen eindimensionaler waren. Heute arbeite ich mit extrem komplexen Gerichten. Ich suche oft nach dem Kontrapunkt, eine kleine Säurespitze zum Beispiel, ein winziger Ausreißer, damit es nicht langweilig wird. Ab und zu ist das Gericht der Hauptdarsteller, dann wieder ist es der Wein. Die Speise pusht den Wein und umgekehrt.“

Weber gibt dabei Naturweinen immer öfter den Vorzug: „Ich habe zwar ‚klassisch französisch‘ angefangen und ich liebe es immer noch, aber für mich geht es um Trinkfluss – und Weine mit 14,5 Prozent Alkohol haben keinen. Bioweine und biodynamische Weine sind tendenziell etwas schlanker und besitzen Trinkfluss.“

Eignen sich Bio-Weine besser?

André Drechsel arbeitet in diesem Sinn gern mit Weinen aus biologischem oder biodynamischem Anbau, und auch Natural Wines setzt er ebenfalls oft in der Weinbegleitung ein. Das begründet er so: „Naturwein heißt ja nicht trüb und stinkig, er kann ganz klar und präzise sein. Und die vegetarische Küche ist im Pairing dazu besonders geeignet, weil bei Gemüsegerichten die Struktur und die Textur sehr wichtig sind. Dazu passt die Struktur von Naturweinen bestens. Auch maischevergorene Weißweine, die durch die Tannine Grip haben, stehen der Gemüseküche unglaublich gut. Konventionelle, „gemachte“ Weine sind zu brav und gefällig für unsere Art von Gerichten. Wir brauchen Säure, Grip, Tannine, nichts Braves und Geradliniges.“

Aromasorten sind bei ihm hingegen nur sehr selten vertreten. Die Stachelbeer-Aromen vom Sauvignon Blanc stören für ihn die Feinheit der Gerichte, auch Muskateller sei schwierig und wie Traminer höchstens in maischevergorener Version im Einsatz. Hat das Gemüse aber viel Eigengeschmack, wie etwa Wirsing oder Grünkohl, darf auch der Wein mehr Power haben. Einen kraftvollen, gereiften Chablis oder einen gehaltvollen Weißburgunder nennt Drechsel als mögliche Partner.

Abseits der ausgetretenen Pfade

Das Kürbis-Ceviche harmoniert perfekt mit restsüßem Riesling. ©Max Weber

Schaumweine halten übrigens beide Sommeliers für hervorragend einsetzbar zur Gemüseküche. Max Weber kombinierte kürzlich ein Käferbohnen-Hummus mit Champagner von Agrapart – ein für ihn sehr gelungenes Pairing. Als eine seiner Lieblingskombinationen nennt er ein veganes Kürbis-Ceviche mit restsüßem Riesling. Bei ihm kam er von der Saar: Egon Müllers 2019 Le Gallais Wiltinger Braune Kupp Kabinett. Ein frischer Riesling ist auch ein hervorragender Begleiter zum Gemüsecurry, das mit Kokosmilch zubereitet wurde. Ist mehr Schärfe dabei, braucht es aber ein wenig Restsüße mit niedrigem Alkoholgehalt.

André Drechsel hingegen schwärmt für ein Steinpilzgericht, welches derzeit im Tian serviert wird: „Das hat viel Umami und Kraft, da sind Steinpilze, aber auch Brombeeren. Deshalb setze ich bewusst einen Roten ein, der leicht im Alkohol ist, aber doch eine gewisse Power hat. Ich serviere ihn kalt, so halte ich den Wein bewusst schlank und die Frucht tritt in den Vordergrund, Tannine und Körper kommen gar nicht zum Vorschein. Der Wein bietet dem Gericht Paroli, frischt es aber auch auf. Das ergibt einen kleinen Kick.“

Max Weber betont: „Leute, die gern Wein trinken, sich aber nicht extrem gut damit auskennen, sollten sich mehr trauen und im Restaurant mit dem Sommelier kommunizieren, sich überraschen lassen und die ausgetretenen Pfade verlassen. Es ist langweilig, immer das Gleiche zu trinken!“

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