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Auch wenn sich die D.O. Bullas gerne aufplustert wie ein stolzer Pfau beim ersten warmen Sonnenstrahl, die Wirklichkeit ist ein wenig trister und grauer. Von der in jeder Hinsicht vernachlässigbaren Bodega Tercia de Ulea, die noch dazu durch illegale Etiketten auffällt, einmal abgesehen befinden sich alle anderen Bodegas in den beiden Gemarkungen Cehegín und Bullas. In den Orten Cehegín und Bullas findet man außer den beiden Cooperativen und den bereits oben beschriebenen Zeitzeugen der Weinbaugeschichte jedoch keine Weingüter. Statt dessen findet man sie in Tälern und Seitentälern, oder in Hochlagen, zumeist weit entfernt von jedweder Zivilisation. Dass sich ausgerechnet die traditionellste der modernen Bodegas und eine der beiden Innovativbodegas quasi Seite an Seite in der Region Aceniche beäugen, ist daher schon allein eine Nachricht wert - und hilft zumindest ein wenig, den im noch immer unablässig herniederprasselnden Regen davongeschwommenen Zeitplan ein wenig einzuhalten.

Glücklicherweise gibt es heute morgen einen Guide, Josefa Fernández, die Chefin von Bodegas Balcona weist den Weg. Endlich einmal nur fahren ohne ständig die zweite Abzweigung rechts hinter der dritten Eiche, neben der sich Wildschwein und Hase treffen, um sich einen guten Fraß zu wünschen, zu verpassen. Sie war bei den Vorabgesprächen die aktivste, schickte gleich eine Info, wo Treffpunkt sei, fragte etwa siebenmal nach, ob ich die Info auch erhalten habe, um sie dann kurz vor dem Besuch doch wieder abzuändern. Dabei ist Bodegas Balcona das einzige Weingut der Region, welches bereits einen Importeur in Deutschland hat.

Alte Rebstöcke im Valle de Aceniche

Nach etwa zwölftausend Metern in Richtung Berge und mindestens ebensovielen Kurven und Gegenkurven war das Ziel erreicht. Eine Bodega inmitten von einem Meer von Weinbergen, in denen zunächst einmal die Tropfbewässerung auffiel. Josefa stürmte sofort aus ihrem crémefarbenen Audi A4 ins schützende Innere der Kellerei und begann, erst einmal von José Luis Pérez, dem Inhaber von Clos Martinet im Priorato und Berater der Bodega - zumindest in deren Anfangsjahren - sowie von Robert M. Parker, jr. zu reden, der in einem Anfall jugendlichen Leichtsinns einem Wein der Bodega einmal 90 Punkte gegeben hatte, was zum einen schon viele Jubeljahre her und zum anderen so außerordentlich spannend nun auch wieder nicht ist. Und dann begann wieder einmal das Spiel, welches eine gute von einer schlechten Bodega unterscheidet, noch ehe zumindest aus Sicht der Bodega die erste Information vermittelt war.

„Lass‘ mich Dir die Arbeitsweise in unserem Weingut erklären: Die Trauben kommen hier an..." Was sie in diesem Moment nicht ahnt, noch nie geahnt haben mag und wohl auch in ihren kühnsten Träumen von Parker und Punkten niemals ahnen werden wird: Sie hat schon verloren. Ein Schinken entsteht nicht auf der Schlachtbank, der Kaviar nicht in der Dosenfabrik und Wein nicht im Weingut, sondern in den Weinbergen. Leider war dies kein Versehen, sondern offenbarte das offensichtliche Desinteresse an achtzig bis neunzig Prozent des Prozesses, denn auch im weiteren Verlauf des durchaus harmonischen und angenehmen Gespräches versuchte sie immer wieder, die Sachen mit den Weinbergen zu beenden, um auf Barricas und Flaschen und Pérez und Parker zu sprechen zu kommen. Klappte leider nicht so, wie sie sich das vorgestellt hatte. Die Information über die Rebfläche ging ihr noch leicht über die Lippen: 90 Hektar, aber nur zwölf für die eigene Bodega, alles andere wird offen verkauft. Knapp die Hälfte ist Monastrell, dazu gibt es Cabernet Sauvignon, Merlot, Syrah und Tempranillo. Monastrell im klassischen Kopfschnitt, Abstand zwei auf zwei Meter, der Rest ist jung und an drahtigem Rahmen kletternd. 3.000 Stöcke pro Hektar, erklärte sie. Eine Ziffer, die später noch einmal wichtig werden sollte, um das Verkostete zu verstehen. In tieferem Gewässer fühlte sie sich, obwohl sie versicherte, dass sie nichts mehr möge, als durch die Weinberge zu laufen, sichtlich unwohl. Bei der obligatorischen Frage nach den Unterlagsreben wusste sie erst einmal gar nichts, nach einer stützenden Aufzählung wählte sie ausgerechnet die unwahrscheinlichste aus, ob die Reben im Guyot- oder im Cordon-Schnitt gezogen sind, konnte sie leider auch nicht sagen, sondern meinte, dass das wie ein „V" aussehe - was bei beiden Varianten möglich ist. Aber dass bewässert werde, dass wusste sie schon. Denn, und davon schien sie felsenfest überzeugt, ohne substanzielle Bewässerung könnten die Rebstöcke nicht überleben. Das kommt davon, wenn man nur die eigenen Rebstöcke anguckt und dabei von Parker träumt. Fragen nach Behandlungsmaßnahmen im Weinberg konnten somit getrost unterbleiben.

Ein Mann% ein Fass% ein Wein: Algonso García und sein 2005 Chaveo
Wie dem auch sei, die bewässerten Trauben landen - hoffentlich trocken - in der Bodega, und zwar oben, damit sie ohne Pumpen in die Tanks purzeln können. Ich muss zugeben, dass ich der Bodega schon vor der Reise latent skeptisch gegenüberstand, dann aber doch beschloss, zu ergründen, womit der relative Ruhm der Bodega zu begründen wäre. Als ich dann den Prozess der Traubenverarbeitung beschrieben bekam, wußte ich, dass meine Skepsis nicht ganz unbegründet war. Reinzuchthefe, kurze Maischestandzeit, eine hastige malolaktische Gärung in den Stahltanks, die zudem noch durch Nährmittelzugaben unterstützt wird. Das alles bringt saubere, fast klinisch reine Weine hervor, Wein mit Herz und Seele geht aber anders.

Dann beschloss Josefa, lieber in den Barriquekeller zu wechseln, wo sie durchaus geschickt mittels einer Minipipette auch aus schwer zugänglichen Fässern Wein hervorzauberte. In den Fässern, etwa 170 an der Zahl, liegt derzeit der Jahrgang 2005. 2006 schlummert noch in den Stahltanks, 2003 und 2004 sind abgefüllt. 2002 ist im Verkauf. Die Geschäfte scheinen trotz der mit 40.000 Flaschen eher kleinen Produktion nicht so sonderlich gut zu laufen.

Wir probierten dies und das, begannen mit genau einem Monastrell, um dann die anderen Rebsorten etwas eingehender zu verkosten. Mehrere Merlotproben, dann Tempranillo, Cabernet Sauvignon und schließlich Syrah, ehe ich doch noch einmal nachhaken musste, um auch noch zwei andere Monastrell-Muster zu kosten. Der Cabernet Sauvignon hatte diesen Grüne-Paprika-Ton, der von jungen Anlagen und hohem Ertrag kommt, zumeist gemeinsam anzutreffen. Der Merlot schmeckte verhalten nach Erdbeeren, der Tempranillo verhalten nach nichts. Der Syrah hatte zumindest eine gute Farbe. Aber alles nicht Fisch nicht Fleisch und schon gar nicht Wein. Nun stellte sich auch für den Besucher die Porque-Frage: Warum ist das so? Die langjährige Bodegaausquetscherfahrung lehrt mir, nie nach dem Ertrag zu fragen, da diese Zahl zumeist falsch ist, sondern die Frage in zwei Teile zu spalten. Erst nach Stöcken pro Hektar fragen und dann, möglichst viel später, einmal den Ertrag pro Stock zu ergründen. Drei Kilo pro Stock war die Antwort. Also da liegt der Hase im Pfeffer. Drei Kilo bei alten Kopfschnittanlagen mit 1.100 Stöcken pro Hektar, das mag ja noch angehen. Aber drei Kilo bei 3.000 Stöcken, das ist mit Verlaub schon sehr viel - und neben all den technischen Mätzchen sicherlich der Hauptgrund, warum die Weine so sind, wie sie sind.

Im Prinzip gibt es zwei Weine, einen mit Syrah und einen ohne. Monastrell, Cabernet, Merlot und Tempranillo ist in beiden Weinen. Tiefe, Komplexität, dieser Aber-Hallo-Effekt, das ist leider nicht anzutreffen. Die Weine sind sicher nicht schlecht, aber gehören bestimmt nicht mehr zu Spitze der Region. Außerdem sind sie regionsuntypisch, vielleicht sogar spanienuntypisch und damit als Bullas-Weine ungeeignet und als internationale Weine zu teuer. Daher wohl auch der etwas langsame Abverkauf.

Was mir beim Schreiben dieser Zeilen auffällt: Es gibt nur wenige Stahltanks. Somit muss, vom Monastrell einmal abgesehen, jede Rebsorte in nur einem Tank ausgebaut werden. Jede Rebsorte durchläuft somit nur einen Prozess, egal, ob der Wein dann in der Selección 37 barricas oder in der etwas höherpreisigen Crianza landet. Interessant ist noch der dritte Wein der Bodega, Casa de la Cruz: Ein Barrique Cabernet, ein Barrique Merlot, ein Barrique Syrah und ein halbes Barrique Monastrell, aber nicht selektiert, sondern eher bei der Abfüllung übriggeblieben. Kein Tempranillo, dafür doppelter Preis, das ist auch ein spannendes System.

Einer der vielen Gründe, Balcona mit etwas Skepsis zu betrachten, befindet sich nur einen Steinwurf von eben dieser Bodega entfernt und hört auf den Namen Bodegas Monastrell, was schon mal ein gutes Zeichen für den Terroir suchenden oberfänkischen Kastilier ist. Die Bodega ist gerade erst im entstehen, ebenso die Visitenkarten, die Telefonanlage und vieles mehr. Alfonso, ein kleiner, agiler Mann Mitte vierzig, kletterte erst einmal von einem Gerüst herunter welches gerade den Blick auf ein Labor, eine Küche oder so etwas ähnliches versperrt. Ähnlich wie bei Molino y Lagares de Bullas besteht auch diese Bodega aus einer Mehrzweckhalle, die wohl einen Tick zu groß ausgefallen ist. Daraus ergibt sich folgende Hypothese: Interessante Bodegas in Bullas scheinen stets zu große Gebäude zu haben. Denn für die maximal 50.000 Flaschen, die hier einmal entstehen sollen, hätte es auch ein Viertel der Halle getan. Zumal der Barriquekeller nun tatsächlich im Keller sein wird und der von den Fässern besetzte Platz dann auch noch zur Verfügung steht.

Das neue Bullas: eine einzige Baustelle. Barriquekeller in der Bodega Monastrell

Bei Bodegas Monastrell wird fast ausschließlich mit Monastrell gearbeitet. Lediglich ein knapp zwei Hektar großes Stück Petit Verdot bilden einen Contrapunkt. Der Petit Verdot ist erst fünf Jahre alt, im Drahtrahmenstil gezogen (Guyot) und steht auf 41-B, einer sehr kalkresistenten Unterlage, die zudem reifeverzögernd wirkt. Das hat seine Konsequenz, denn gelesen wird hier, auf etwa 850 Metern Höhe, erst nach dem 10. Oktober. Der Monastrell befindet sich in vier oder fünf Parzellen nahe der Bodega, alles im Kopfschnitt, alles so etwa 30 Jahre alt. Wirklich alte Stöcke gibt es hier kaum, da die Weinbauern bis weit in die Mitte des letzten Jahrzehnts eigentlich nur nach Kilo bezahlt wurden und sich daher aufwendige alte Anlagen mit niedrigem Ertrag einfach nicht leisten konnten. Die Schuld tragen hier eindeutig die Großbodegas, welche auf Qualität keinen Wert leg(t)en. Biologischer Weinbau, keine Bewässerung, grüne Lese und ein Ertrag, der mit 23.000 Kilo auf 15 Hektar nun aber auch gar nichts mit Massenweinerzeugung zu tun hat. „No tiene nada que ver" ist eine der Lieblingsfloskeln der Spanier und kommt gleich nach „No te preocupes", beides jedoch mit deutlichem Sicherheitsabstand zu „mañana". Der schon anderweitig beschriebene Estiercol kommt auch hier zum Einsatz, die grüne Lese findet so Anfang August statt, wenn die Farbmutation beginnt.

Der Verkostungsreigen begann hier mit einer Barriqueprobe Petit Verdot - ein ziemliches Monster, aber gut! Zum Einsatz kommen Barricas von „Ardour", ein wenig Seguin Moreau etwas Demptos und als Versuchsfässer drei oder vier aus ungarischer Eiche, die, wie bei eigentlich allen Weingütern, nach Beendigung der Versuchsphase wieder aussortiert werden. Etwa siebzig Fässer sind derzeit vorhanden und warten darauf, in ihr neues, bereits fertiggestelltes Zuhause umziehen zu können. Der Jahrgang 2005 war der erste der Bodega, noch in einem anderen Gebäude ausgebaut. Hier stehen nun sieben Stahltanks, ein Selektionstisch, eine Presse, eine kleine Abfüllanlage - und eben die Fässer. 2005, da es nicht die eigene Bodega war und 2006, da es der erste Jahrgang in dem neuen Gebäude war, wurde kommerzielle Hefe gesät, ab 2007 soll damit Schluss sein. Alfonso hatte Angst, dass in den ersten beiden Jahrgängen etwas schiefgehen könnte, und da gerade am Anfang die Kohle an allen Ecken und Ende fehlt, na gut. Dafür findet die Malo in den Barricas statt. Überhaupt verträgt der Monstrell bei diesen geringen Erntemengen das Holz ausgezeichnet, er frisst es einfach auf. Eine Flasche des 05er Chaveo präsentierte sich zwar am ersten Abend einer Verkostung latent schokoladig und cKaffeelastig, aber nach einem Tag war dieser Ton weg. Gut auch die verschiedenen Muster des 05er Valché, der noch ein bis zwei Monate in den Fässern reifen wird. Der 2005 Chaveo ist bereits seit einem halben Jahr abgefüllt, reift derzeit auf der Flasche, genauer gesagt wartet der Wein auf die Fertigstellung der Etiketten, um in zwei bis drei Monaten auf den Markt zu gelangen.


Ein kleines Fazit

Bullas mit seinem eher kontinentalen Klima ist sicherlich interessant. Die Weine präsentieren sich ganz anders als die aus den Nachbarregionen Jumilla und Yecla. Was die Beurteilung der Qualitäten etwas kompliziert macht, ist das Alter der Bodegas. Einschließlich einer hier im Text nicht vorkommenden Bodega hat die Hälfte aller Weingüter gerade einmal maximal zwei Jahrgänge hinter sich, zumeist mit relativ kleinen Mengen, die noch ohne größere Probleme zu keltern sind. Was passiert, wenn Erfolg einsetzt? Werden die Bodegas größer und wie wirkt sich das dann auf die Qualitäten aus? Kommen, davon angelockt, neue Betriebe, die die Typizität der Region nachhaltig verändern? Ist überhaupt ein Markt vorhanden für die nicht übertrieben teuren, aber sehr wohl dem Schnäppchensektor enteilten Produkte? Bleiben die Winzer bei etwaigen Erfolgen auf dem Boden? Und die wichtigste Frage: wie altern diese Weine? Alles Fragen, die wohl erst in einigen Jahren zu beantworten sind. Man wird sehen.

Zum ersten Teil "Antonio kommt um fünf"

Zum zweiten Teil "Schlammschlacht im staubigen Süden"

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