wein.plus
ACHTUNG
Sie nutzen einen veralteten Browser und einige Bereiche arbeiten nicht wie erwartet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser.

Anmelden Mitglied werden

Während in der Toskana bereits die Mandelbäume verblühen, der rote Mohn zu leuchten beginnt und die Feigenbäume austreiben, herrscht im Burgund noch farbloser Nachwinter. Einzig der Weißdorn sorgt für Kleckse im Landschaftsbild. Wenn in Italien die Rebknospen schwellen, sind die Burgunder Winzer noch immer beim Schneiden der Reben und beim Verbrennen der abgeschnittenen Triebe.

Und trotzdem ziehts mich alle zwei Jahre im Frühjahr in diese Gegend, wo sich die Landschaft in dieser Jahreszeit noch so gar nicht für mich Weintouristen zurechtgemacht hat. Regelmäßig pilgere ich nach Beaune an die Grands Jours de Bourgogne – die im Zweijahresrhythmus stattfindenden „großen Burgundertage“.

Ich fahre nicht nur der Weine wegen dorthin, sondern um Klarheit zu tanken. Klarheit über Weinkommunikation, Klarheit darüber, was Ordnung in unsere Weinwelt bringt, was wichtig ist für unsere Weinkultur.

Vive le Terroir!

Ich habe mich schon immer gefragt, weshalb im Burgund die Reben so niedrig gehalten werden. Die Arbeit an den Weinstöcken und die Weinlese können nur in stark gebückter Haltung erfolgen. Ein Witzbold meinte, dass ihre Liebe zum Terroir die Burgunder die Nähe des Bodens suchen ließe… Aber das allein kann es wohl nicht sein, deshalb fragte ich die Winzer.

Vincent Dureuil-Janthial (Domaine Vincent Dureuil-Janthial) ist der Meinung, die Reben würden durch den niedrigen Wuchs geschont und könnten dadurch älter werden. Ludovic du Gardin (Clos Salomon): „Mit 8.000 bis 11.000 Stöcken pro Hektar sind wir gezwungen, die Stöcke niedrig zu halten. Ein weiterer Grund: Die Wärmereserven werden vom Boden an die Trauben abgegeben. Für den Rücken sind diese niedrigen Rebstöcke allerdings nicht so gut.”

Tatsächlich ließe sich die Vegetation von Reben mit burgundischer Pflanzdichte bei üblicher Stockerziehung schwer kontrollieren, und die Rebtraktoren müssten noch hochbeiniger gebaut werden. Die Produktions-reglemente schreiben diese hohe Pflanzdichte vor, und anders als mit dieser kurzstämmigen Erziehung ist sie wohl nur schwer umzusetzen. Die Dekrete für Mercurey, Rully und Givry diktieren eine Bestockung von mindestens 8.000 Reben pro Hektar. Aber nicht nur das, zwischen den Rebstöcken darf der Abstand nicht mehr als 0,8 Meter betragen, und die Gasse darf nicht breiter als 1,4 Meter sein.

Das Gesetz sieht zudem vor, dass in einer Parzelle nicht mehr als 15 Prozent (Mercurey) respektive 20 Prozent (Givry und Rully) der Rebstöcke fehlen dürfen. Dies ist zusammen mit der Erkenntnis, dass ältere Weinstöcke den besseren Wein ergeben, der Grund dafür, dass man in den Weinbergen zwischen den alten Stöcken überall Jungreben findet, oft geschützt durch eine Plastikrolle gegen Windverbiss. Denn für das Durchschnittsalter der Weinstöcke ist es besser, fehlende Pflanzen zu ersetzen als den ganzen Weinberg zu erneuern. Ludovic du Gardin (Clos Salomon): „Ein hohes Alter der Rebstöcke ist sehr wichtig für die Qualität, denn junge Pflanzen sind sehr kräftig und fruchtbar und produzieren zu viele Trauben.”

Die burgundischen Winzer betonen die Unterschiedlichkeit ihrer Terroirs, von Village zu Village, von Cru zu Cru und führen darauf auch die Vielfalt der Weine zurück. Das ist wunderschön! Ein wunderschönes Märchen, an das ich weiterhin und gerne glauben werde. Dies, obschon es keinen Zweifel gibt, dass die Unterschiedlichkeit der Weine innerhalb eines Jahrgangs vor allem vom Produzenten geprägt wird.

(Foto: Merum)

Tatsächlich sind aus historisch-agronomisch-geologischer Sicht deutliche Differenzen zwischen den einzelnen Lagen festzustellen, was sich mehr oder weniger dezent auch in den Weinen äußern kann. Allerdings sind diese Unterschiede zwischen den einzelnen Lagen nur bei den Weinen desselben Produzenten spürbar. Denn die Unterschiedlichkeit der Weine verschiedener Produzenten einer bestimmten Lage ist viel größer als die Unterschiedlichkeit der Lagenweine eines bestimmten Produzenten.

Große Jahrgangsunterschiede

Die Nähe der Trauben zum wärmenden Boden hat in manchen Jahres bestimmt ihre Bedeutung, auch wenn die Gefahr der Traubenfäule bei größerem Bodenabstand bestimmt geringer wäre.

Das Burgund ist im Gegensatz zu den meisten Weingebieten Italiens und Südfrankreichs eine Anbauzone, in der Sonne und Wärme nicht im Überfluss vorhanden sind. Hier haben Sonnenausrichtung der Lagen, wärmehaltende Steinmauern und Böden noch ihre Wichtigkeit. Der Klimawandel zeigt nicht die unerwünschten Folgen wie in südlicheren Anbaugebieten, vielmehr wird ein überhitzter, frühreifer Jahrgang wie der 2009er von der Presse noch als „Jahrhundertjahrgang“ gelobt. Ähnlich dem 2009er waren der 2007er und wohl auch der 2011er. „Aber einen zu hohen Alkoholgehalt“, so Jean-Claude Brelière, „riskieren wir hier nicht. Einzige Ausnahme war bisher 2003, als wir Weine mit 14 Volumenprozent hatten. Vielmehr ist es bei uns immer noch die Botrytis, die den Erntezeitpunkt bestimmt.“

Zum Glück gibts noch die „schwierigen“ Jahrgänge mit später Reife, vielleicht mit mehr Botrytisproblemen und heller Farbe: Sie sind burgundischer, facettenreicher, feiner, fruchtiger, knackiger und trinkiger. In diesem Sinne gute Jahrgänge sind sicher 2010, 2008 und 2006.

Brelière: „Der 2009er ist dunkler, denn Mitte August und September war es sehr heiß. Die Schale wurde dicker und das bringt mehr Farbe. 2010 war kühl, die Schale blieb dünn, der Wein wurde hell, dafür aber feiner. Der 2010er ist sicher burgundischer als der 2009er, aber der Konsument möchte dunkle Weine. Wir versuchen den Kunden immer wieder zu erklären, dass Pinot wenig Farbe ergibt.“

Charles Nebout (Belleville): „Im Burgund ist es das Klima, das uns vor die größten Herausforderungen stellt. In Rully hat es 2011 schwer gehagelt und die Menge wurde drastisch ausgedünnt. 2010 fielen die Temperaturen vor der Weinlese auf vier bis fünf Grad. Das ist großartig, denn diese Temperaturen blockieren die Krankheiten, konzentrieren die Trauben. 2009 wars wärmer, die Weine besitzen weniger Säure,
weniger Frische, aber sie sind dunkel und konzentriert. Laut der Presse ein Jahrhundertjahrgang. Ich hingegen liebe die Frische des 2010ers! Aber jedem seinen Geschmack.“

Der Erntezeitpunkt ist im Burgund starken Schwankungen unterworfen. Mitte bis Ende September könnte man in der Côte Chalonnaise als normalen Erntetermin bezeichnen. Jean-Claude Brelière (Domaine Brelière): „2003 begannen wir bereits am 19. August, 2007 am 1. September. In den 1960er Jahren wurde Anfang September geerntet, in den 80er-Jahren im Oktober. Nach 1985 wurde es dann immer früher.“

Ludovic du Gardin: „Hier in Givry reifen die Trauben rund eine Woche bis zehn Tage früher als in der Côte d’Or. Wir sind hier eben bereits südlicher. Normalerweise lesen wir die Trauben zwischen dem 10. und dem 20. September.“ Ludovic betont jedoch, dass die frühen Lesetermine nicht unbedingt nur den Klimawandel zur Ursache haben, sondern auch die bessere Weinbergsarbeit, die dazu führt, dass die Trauben regelmäßiger ausreifen. Und, um das Gespenst des Klimawandels zu verscheuchen, erzählt er, dass es bereits im 14. Jahrhundert schon mal eine Periode gab, in der die Trauben Ende August geerntet wurden. Ludovic du Gardin: „Der Pinot reagiert sehr sensibel auf das Klima, weit mehr als der Chardonnay. Er kann bei warmen Temperaturen drei Wochen früher austreiben und die Weinlese dadurch einen Monat früher stattfinden.”

(Foto: Merum)

Im Burgund wird der Erntezeitpunkt in erster Linie vom Zuckergehalt und vom Gesundheitszustand der Trauben bestimmt. Es ist nicht immer einfach, die gesetzlich vorgeschriebe natürliche Zuckerkonzentration von 187 g/l für die Villages und 189 g/l für die Premiers zu erreichen, bevor die Traubenfäule die Lese erzwingt. In der Regel wartet man mit der Ernte solange, wie es die Traubengesundheit erlaubt. Denn zu früh gelesene Trauben ergeben nicht nur einen schwachen, sondern auch einen sauren Wein. Ludovic du Gardin: „Die Säure ist hier recht hoch, wir haben einen pH-Wert von 3,15. Das bedeutet, dass wir wirklich die Vollreife abwarten müssen, wenn wir vermeiden wollen, dass die Säure den Wein zu stark prägt.“

Burgund endet nicht bei Santenay

Die Côte Chalonnaise ist ein altes Weingebiet. Die unmittelbare Nähe zu Chalon, mit einem vor allem in den letzten Jahrhunderten wichtigen Hafen am Canal du Centre, der über die Saône und die Loire das Mittelmeer mit dem Atlantik verbindet, förderte nicht nur die industrielle Produktion der Gegend, sondern auch den Weinbau. Im 19. Jahrhundert war die Ebene zwischen Givry und Chalon ein einziges Rebenmeer. Es diente in erster Linie der Massenweinproduktion. Der Qualitätsweinbau fand weiter entfernt in den Hügeln statt.

Je größer die Distanz zum Hafen, desto wertvoller musste der Wein sein, da sich sonst der Transport nicht gelohnt hätte. Die Weinbauern der Côte d’Or waren, folgt man dieser Überlegung, daher seit jeher zur Qualitätsproduktion gezwungen. Die Weinmengen von Chalon hingegen dienten auch dazu, die Arbeiter der Steinkohleminen von Montceau-les-Mines zu versorgen. Es heißt, dass diese Leute sechs, acht, ja zehn Liter Wein pro Tag brauchten, um die Zehnstundenschichten unter Tag durchzustehen. Allerdings soll der damalige Wein nicht mehr als sechs bis sieben Prozent Alkohol enthalten haben.

Zu Anfang des 20. Jahrhunderts wurde die Weinproduktion aufgrund der Reblaus und des echten Mehltaus sowie des Arbeitskräftemangels nach dem ersten Weltkrieg dezimiert. Nach dem Zweiten Weltkrieg erlebte sie mit dem steigenden Durst der Nachkriegs-Franzosen dann eine neue Blütezeit. Erst in den 70er-Jahren begann sich der Weinbau in die Hügel zurückzuziehen und Qualität ein Thema zu werden.

Ludovic du Gardin: „Vor 40, 50 Jahren gab es nur wenige Flaschen, der meiste Wein wurde irgendwie offen verkauft. Die dann einsetzende Selbstvermarktung löste eine rasche Qualitätsentwicklung aus. Die Winzer haben in den letzten Jahren sehr viel Arbeit in ihre Weinberge investiert und arbeiten viel sorgfältiger als früher.“

Jean Claude Theulot (Domaine Theulot Juillot): „Früher hatten unsere Weine den Ruf, rustikal zu sein. In den letzten 15 Jahren haben wir bei der Finesse der Weine große Fortschritte gemacht.”

Tatsächlich werden die Roten von Rully, Givry und Mercurey zunehmend interessanter auch für eingefleischte Burgundfans. Es ist nicht mehr fehlende Qualität, sondern höchstens noch das fehlende Image der Weine von Chalon, das die Weinkundschaft verunsichert.

Jean-Claude Theulot: „An unserem Image müssen wir noch arbeiten, wir gelten als die kleinen Cousins der Côte d’Or.” Auch Jean-Claude Brelière ist nicht glücklich über das Verhältnis zu den Kollegen der Côte d’Or: „Wir von der Côte Chalonnaise gelten in Beaune und Nuits als Winzer zweiter Klasse. Wir fühlen uns als Burgundwinzer nicht ernstgenommen. Für die Kollegen der Côte d’Or heißt Burgund: Côte de Nuits und Côte de Beaune. Mâcon und Côte Chalonnaise gehören für sie nicht so richtig dazu. Ich habe den Eindruck, die wollen die Marke ‚Burgund’ nicht teilen. Aber das Burgund hört nicht bei Santenay auf!“

Ludovic du Gardin: „Die Côte Chalonnaise ist die natürliche Fortsetzung der Côte de Beaune mit sehr ähnlichen Böden. Im Gegensatz zur Côte de Nuits ist unsere Appellation von Quertälern zerfurcht und besteht nicht aus einem zusammenhängenden Hang. In napoleonischen Zeiten wurde die Côte Chalonnaise von der Côte d’Or nur aus verwaltungstechnischen Gründen getrennt.“

(Foto: Merum)

Tatsächlich denkt man bei Burgund an Beaune und den Corton, an Nuits, Clos de Vougeot und Gevrey-Chambertin. Aber die Côte d’Or, die wir mit Burgund assoziieren, ist nur ein Teil des fast 30.000 Hektar großen Wein-Burgunds. Dieses beginnt im Norden in Chablis und breitet sich aus bis Mâcon.

In der Côte Chalonnaise wird noch Mischwirtschaft betrieben, man sieht noch Kühe weiden und Bauern das Heu einfahren. Zwischen einem Weindorf und dem andern folgt man romantischen Flussläufen und durchquert Wälder. Zwar gibts hier mit 4.500 Hektar mehr Weinberge als in der Côte de Nuits, doch sind sie in der Landschaft viel weiträumiger verteilt. Offenbar scheinen auch die Weinjournalisten die Weine südlich der Côte de Beaune nicht ernstzunehmen. Brelière sagte mir bei der Begrüßung fast erstaunt: „Sie sind der erste Weinjournalist, der uns hier seit 1990 besucht! Früher kamen viele, aber seit über zehn Jahren interessiert sich keiner mehr für uns. Nur ein Japaner kam mal vorbei, aber da hätte man bezahlen müssen, um im Artikel erwähnt zu werden.”

Gerne hätte ich in den letzten Jahren etwas über die Côte Chalonnaise gelesen und mir Wissen über das Gebiet angeeignet. Leider beschäftigt sich kein Weinjournal mit diesem qualitativ rasch wachsenden Gebiet, zu sehr liegt es im Schatten berühmter Nachbarn. Hätte ich etwas Brauchbares zu diesem Thema gefunden, ich hätte diesen Bericht bestimmt nicht geschrieben.

Krise? Gibts keine.

Im Vergleich zur Côte d’Or, aber auch zu manchen bekannten Appellationen Italiens, sind die Weine der Côte Chalonnaise preisgünstig. Ab sechs, sieben Euro kosten die Weine der regionalen Appellationen (Bourgogne, Côte Chalonnaise), zwischen acht und zwölf Euro die Gemeinde-Appellationen (Mercurey, Givry, Rully), meist zwischen zwölf und 20 Euro die Premiers.

Ignorieren wir die offizielle Klassifikation und halten wir uns an die Merum-Herzen, dann kosten die Weine mit zwei und drei Herzen im Durchschnitt 13,30 Euro. Zum Vergleich: Bei den besten Barolo unserer letzten Verkostung betrug der mittlere Verkaufspreis ab Hof 30,80 Euro, bei den besten Chianti Classico 9,90 Euro.

Nach meinen Gesprächen mit den Winzern des Chianti (Merum 2/2012) erwartete ich auch im Burgund düstere Mienen. Aber die Befürchtung erwies sich als unbegründet. Das größte Problem mancher Winzer scheint zu sein, zu wenig Wein zu haben. Auf die Frage, wie er mit der Krise zurecht käme, antwortete Vincent Dureuil-Janthial mit einem Lachen: „Nein, wir haben keine Krise. Im Gegenteil, wir können nicht alle Bestellungen ausführen.”

Gründe für die Weinknappheit sind allerdings auch die geringen Erntemengen von 2010 und der Umstand, dass die Winzer in Rully 2011 gleich nochmals Pech mit Hagel hatten. Dazu kommt, dass die Presse den heißen Jahrgang 2009 hochgelobt und für den Ausverkauf des Jahrgangs gesorgt hatte. So gingen die Winzer bereits mit leeren Kellern an die folgenden Jahrgänge.

Pierre de Benoist (Domaine de Villaine) hat den größten Teil seiner Weinberge in der weißen Aligoté-Appellation Bouzeron, dort besitzen die Rotweine nur den Status von Bourgogne Côte Chalonnaise. Seinen Digoine durften wir für die Merum Selezione verkosten, allerdings schickte er Merum seinen Wein wohl mehr aus Höflichkeit als aus kommerziellem Interesse, denn sein Wein ist knapp, er muss ihn den Kunden zuteilen: „Wir könnten jedes Jahr viel mehr verkaufen, als wir produzieren.“

(Foto: Merum)

Die Wirtschaftskrise sei, so Amaury Devillard (Château de Chamirey), für sie sogar nützlich: „Die Grands-Crus-Kundschaft hat sich aus preislichen Gründen den Premiers zugewandt und die Premier-Kunden eher den Village-Qualitäten. Manche Côte-d’Or-Kundschaft hat sich nach preiswerteren Alternativen umgeschaut und die Weine der Côte Chalonnaise  entdeckt. Viele Weingüter hier haben dank der Krise Vorteile. Wir zum Beispiel haben in den vergangenen drei Jahren zweistellige Umsatzzunahmen zu verzeichnen.“

Aber auch kleine Winzer haben nicht zu klagen. Patrice Masse von Masse Père et fils bei Givry: „Seit zwei, drei Jahren nimmt die Nachfrage zu, Absatzschwierigkeiten kennen wir nicht. Wir bauen dieses Jahr sogar einen neuen Gärkeller.”

Jean-Claude Brelière, ein kleiner Winzer in Rully: „Wir verkaufen unsere Weine gut. Von Krise kann man nicht sprechen, aber die weltweite Konkurrenz ist groß geworden, und die Situation ist heute sicher nicht mehr so wie früher.”

Der gut Deutsch sprechende Jean-Claude Brelière macht noch auf eine andere Erscheinung aufmerksam, nämlich auf die ausbleibenden deutschen Weintouristen. „Ich möchte gerne an Kunden aus Deutschland verkaufen. Früher kamen hier sehr viele von ihnen vorbei. Nach dem Mauerfall und der Einführung des Euro blieben die Deutschen aber zunehmend weg. Ich habe gehört, sie kaufen heute günstigere Weine, auch aus Italien.”

Patrice Masse (Masse Père et fils): „Die Importeure sagen, unsere Preisleistung sei gut, auch in Blindverkostungen kommen die Rully, Givry und Mercurey neben den Côte de Beaune immer gut zur Geltung.”

Pierre de Benoist (Domaine de Villaine): „In den letzten Jahren sind die Weine der Côte Chalonnaise zwar etwas teurer geworden, aber sie sind gemessen an ihrer Qualität preisgünstig. Für uns ist Qualität Pflicht, denn die Côte Chalonnaise ist nicht berühmt, die Winzer können sich hier nicht hinter dem illustren Namen der Appellation verstecken, sondern sind gezwungen, sich über ihre Weine bemerkbar zu machen. Der Wein muss gut sein, wenn man ihn verkaufen will.”

Vielleicht dient dieser Bericht ja dazu, manchem, aufgrund der hohen Preise untreu gewordenen Burgundfreund wieder Lust auf diese Weine zu machen. Die Côte Chalonnaise bietet auch weniger weinvernarrten Begleitern oder Begleiterinnen einiges an schönen Landschaften und sehenswerten Kulturstätten sowie ein paar hervorragende Lokale.

Was Weinberge kosten

Bei den Vignerons de Buxy, einer großen Kellereigenossenschaft im Süden der Côte Chalonnaise, erklären mir Véronique Moreau und Sylvain Rozier, dass das Durchschnittsalter der Winzer auffallend höher werde, obschon es eigentlich allen gut gehe: „Gleichzeitig nimmt die Zahl der Winzer ab und der mittlere Weinbergsbesitz zu.”

(Foto: Merum)

Der Grund dafür liegt bei den hohen Grundstückspreisen und dem Erbsteuerrecht, meint Jean-Claude Brelière: „Ein Hektar Premier Cru Rully – egal ob rot oder weiß – kostet 180.000 bis 200.000 Euro, ein Hektar Appelation Village bis zu 150.000 Euro.“ Nicht weniger sind es laut Ludovic du Gardin in Givry, nämlich 150.000 bis 160.000 Euro pro Hektar.

„In der Côte de Nuits hingegen“, so Brelière, „kann der Preis pro Hektar auch eine Million Euro betragen! Dieser hohe Wert jedoch ist ein Problem, denn bei jedem Generationswechsel schlägt das Finanzamt zu. Je länger das Weingut in der Hand einer Generation bleibt, desto geringer die Steuer.” Der Vater wird also möglichst bis ins hohe Alter warten, bis er den Besitz seinen Nachkommen vererbt.

Wenn mehrere Geschwister ein Weingut erben und sich ein Teil von ihnen auszahlen lassen will, dann muss der Besitz veräußert werden. Brelière: „Die großen Unternehmer kommen auf diese Weise zu immer mehr Rebfläche, und die kleinen Weingüter werden weniger.”

Wenn die Weine der Côte d’Or bedeutend teurer sind als die der Côte Chalonnaise, dann liegt der Grund dafür nicht etwa bei höheren Produktionskosten, sondern bei den astronomisch hohen Grundstückspreisen. Steuern, Erbgeschichten, Landzukäufe, der Druck von Kapitalgebern und Teilhabern drängen die Produzenten der Côte d’Or zu größerer Rendite und höheren Verkaufspreisen.

Bio kommt nur langsam voran

Die Biobewegung ist im Burgund nicht sehr stark. Noch im Jahr 2006 waren mit 540 Hektar keine drei Prozent der Anbaufläche giftfrei. Seither ist allerdings viel passiert, sodass heute mehr als 7,5 Prozent der burgundischen Weinberge biologisch bearbeitet werden (ein Teil davon befindet sich noch in Umstellung). Am grünsten ist die Côte d’Or mit zwölf Prozent der Anbaufläche.

Die meisten Pflanzenkrankheiten kann man in normalen Jahren mit den laut Biogesetz zugelassenen Kupfer und Schwefel unter Kontrolle halten. Statt des bequemen „Sauberspritzens“ muss der Biowinzer die spontane Vegetation arbeitsaufwendig mit mechanischen Methoden tief halten, mit Bodenbearbeitung zum Beispiel oder bei Dauerbegrünung mit häufigem Schnitt.

Im Kampf gegen die Essigfliege stehen den Bio-Winzern natürliche Präparate und Fallen zur Verfügung, nur gegen die herbstliche Traubenfäule (Botrytis), für die der Pinot besonders anfällig ist, ist noch kein wirksames Bio-Kraut gewachsen.

Vincent Dureuil-Janthial arbeitet seit 2005 biologisch. Auch er kennt kein Mittel gegen Botrytis. Was also tun? „Alles ernten und dann zuhause am Sortiertisch die faulen Trauben entfernen und nur die gesunden in den Gärbottich geben.” Vincent Dureuil-Janthial glaubt, dass die Bio-Welle im Burgund langsam abebbt: „In der Côte de Nuits gab es in den vergangenen Jahren einen gewaltigen Bio-Schub, aber diese Entwicklung scheint abgeschlossen.“

(Foto: Merum)

Wege zu Stil und Qualität

Ludovic du Gardin: „Man unterscheidet zwischen Pinot fin, Pinot moyen und gros Pinot. Die Klone haben kleine, dickhäutige bis große, dünnhäutige Beeren. Hohe Qualität bringen der Pinot fin und zum Teil auch der Pinot moyen. Eine der wichtigen Arbeiten der Côte Chalonnaise besteht seit Jahren darin, die ungeeigneten Klone durch gute zu ersetzen.“

Seit vielleicht 20 Jahren hat sich im Burgund die Kaltmazeration vor Beginn der Gärung eingebürgert. Man erwartet sich von diesem Einweichen der Beeren im eigenen Saft eine bessere Ausbeute von Aromen und Farbe. Charles Nebout (Belleville): „Wir maischen ein und lassen die Trauben bei zehn, zwölf Grad sechs Tage lang ziehen. Danach setzt die Gärung ein, und die Temperatur steigt bis auf 30, 32 Grad. Jeden Tag pumpen wir den gärenden Wein ein oder zweimal über den Traubenhut oder stoßen den Hut von Hand hinunter. Bis zum Abpressen vergehen 20 Tage.“

Um einseitigen Holzgeschmack zu vermeiden, bedient man sich bei der Domaine Belleville nicht bei einem einzigen Lieferanten, sondern kauft die benötigten Barriques bei möglichst vielen verschiedenen Herstellern ein.

Charles Nebout: „In der Côte Chalonnaise arbeitet man allgemein nur mit einem geringen Prozentsatz neuer Barriques. Manche verwenden nicht Barriques, sondern große Fässer, damit erhält man dann vielleicht mehr Frucht, aber auch härtere Tannine.” Jean Claude Theulot (Domaine Theulot Juillot): „Holz ist eine Frage des Feingefühls des Kellermeisters. Er muss das Holz dem Wein anpassen.” Jean-Claude Brelière verwendet höchstens 20 Prozent neues Holz, er möchte nicht, dass seine Burgunder nach Holz riechen. Manche Weine baut er sogar im Stahltank aus.

Anders Vincent Dureuil-Janthial, er ist vom Nutzen der Barrique überzeugt. Für seine Roten erneuert er jedes Jahr ein Drittel seiner Barriques. Tatsächlich zeigte die Verkostung für die Merum Selezione, dass sein Rully ziemlich von neuem Holz geprägt ist.

Das Sortieren der Trauben erfolgt bei Brelière im Weinberg, die Gärung erfolgt stets im Stahltank. Wenn die Trauben ohne Fäulnis sind, unterzieht er sie einer Kaltmazeration bei zehn Grad, dann folgt die Gärung, und zwei Wochen nach Gärbeginn wird abgepresst. Je schöner die Trauben, desto länger darf der Wein auf den Schalen bleiben, im Jahr 2010 gab es etwas Fäulnis, deshalb wurde früher abgepresst.

Meine Erfahrung mit den Weinen des Burgund ist, dass die Weine umso mehr nach neuen Barriques riechen, je berühmter die Produzenten und je prestigeträchtiger die Lage ist. Leider bleibt mir so der Zugang zu manchen Spitzenlagen und zu den Weinen mancher Spitzenproduzenten verwehrt.

Die besten Weine haben wir bei zuverlässigen, aber weniger prominenten Produzenten gefunden, wunderbare Weine. Allein aus Budgetgründen kann es nicht immer Clos de Bèze oder Corton Bressandes sein, die Lust auf ein Glas Burgunder kann häufiger auftreten als bloß an Weihnachten und Geburtstagen. Deshalb habe ich für mich die Weine einiger Produzenten aus Rully, Mercurey und Givry entdeckt. Die kann ich mir auch öfters leisten.

Noch vor zehn, fünfzehn Jahren fand ich südlich der Côte de Beaune kaum Weine, die mich begeisterten. Ich fuhr dann mit Flaschen aus Ladoix, Gevrey und Vosne-Romanée nach Hause. Seit ein paar Jahren jedoch mache ich meine Einkäufe hier, zwischen Rully und Givry. Das entspricht nicht nur meinen geschmacklichen Ansprüchen, sondern auch eher meinen finanziellen Verhältnissen…

(Foto: Merum)

Was der vignaiolo vom vigneron lernen kann

Nein, die Italiener machen keine schlechteren Weine als die Franzosen. Aber sie wissen im Gegensatz zu ihren nord-westlichen Nachbarn nicht so richtig, wie man Qualitätsweine nachhaltig an den Mann bringt. Zum Beispiel entgeht ihnen der tiefere Sinn von Appellationen. Während die Burgunder streng kollektiv denken, tun sich die individualistischen Italiener mit sowas schwer. Ist die Appellation für den Burgunder das zentrale Dogma seines beruflichen Lebens, so ist dieser Begriff für jeden gesunden Italiener gleichbedeutend mit Zwangsjacke.

Einen Super-Burgundy im Vins-de-Pays-Status mit einem Zusatz von Fremdsorten als teuersten Wein auf die Preisliste zu setzen, ist eine individualistische Verirrung, auf deren Idee im ganzen Burgund bisher noch keiner gekommen ist.

In Italien, vor allem aber in der Toskana, ist es hingegen üblich, die eigene Appellation auf diese Weise lächerlich zu machen. Dass die dumme Angewohnheit, den italienischen Appellationen jede Attraktivität zu nehmen, am Ende kommerzieller Suizid ist, wollen die Weinproduzenten nicht wahrhaben.

Versuchen Sie mal, einem burgundischen Winzer vorzuschlagen, er soll ein bisschen Merlot in seinen Premier Cru mischen und diesen als überteuerten Tafelwein anbieten… Versuchen Sie mal, bei einem burgundischen Winzer über einen seiner Kollegen zu schimpfen. Eher schmeißt er Sie raus, als dass etwas Abfälliges über seine Lippen kommt.

Dem Winzer aus Rully ist klar, dass sein Ruf mit dem seiner Appellation verknüpft ist. Wer einen anderen Rully-Winzer schlecht macht, macht auch ihn schlecht. Wenn schmutzige Wäsche gewaschen werden muss, dann sicher nicht vor Außenstehenden.

Für mich als Journalisten ist diese bewundernswerte Haltung der burgundischen Winzer allerdings eine Pein, denn sie ist ziemlich unergiebig. Wenn es um ihre Weinwelt geht, sind die Burgunder politisch korrekt bis zur Langeweile. Keine ausgeplauderten Geheimnisse, kein Insider-Klatsch, keine üblen Nachreden, keine Vertrautheiten… Den Preis der aufgezwungenen Informations-Abstinenz bin ich allerdings gerne bereit zu bezahlen, auch wenn das die Recherchen aufwendiger macht und nichts die Illusion nährt, kein Außenstehender zu sein.

Anders in Italien, vor allem in Mittel- und Süditalien. Wer nicht penetrant Wert darauf legt, fremd zu bleiben, spürt geradezu, wie er sozial aufgesogen wird. Das Vermitteln von Zugehörigkeitsgefühl ist eine typisch italienische Eigenart. Der Italiener gibt etwas von sich preis, damit sich der Außenstehende nicht fremd fühlt. Der Italiener möchte gefallen, möchte beeindrucken, möchte geliebt und bewundert werden. Und dafür erzählt er dir alles, was du hören möchtest…

Als Bewunderer hat man auch im Burgund eine geachtete Stellung. Aber näher ran lässt man den Außenstehenden nicht. Die Distanz wird gewahrt und man spürt sie. Italien ist meine Heimat, mit Italien bin ich verheiratet, Italien liebe ich mit all seinen Schwächen, denn es hat an Positivem so viel zu verschenken. Das Burgund hingegen verehre ich wie eine Frau, von der ich weiß, dass ich sie nie kriegen kann.

Ich vergesse nie, was mir Paolo de Marchi (Isole e Olena) nach einer gemeinsamen Frankreichreise vor etwa 20 Jahren gesagt hat, um den Unterschied zwischen den Italienern und unseren Gastgebern zu charakterisieren: „Die Franzosen haben wenige Ideen, aber klare.“ Besser kann man es, glaube ich, nicht auf den Punkt bringen.

Merum 4/2012 mit Interviews und Verkostungsergebnissen bestellen

Mehr verwandte Stories

Alle anzeigen
Mehr
Mehr
Mehr
Mehr
Mehr
Mehr
Mehr
Mehr
Mehr
Mehr

Veranstaltungen in Ihrer Nähe

PREMIUM PARTNER