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Der Captain hat seinen Anteil am Schiff verkauft, die Brücke verlassen und die Kapitänsmütze an den Haken gehängt. Der in Berlin lebende Österreicher Manfred Klimek war Mitgründer und bis 2013 der Redaktionsleiter des Blogs Captain Cork, das sich als „Wein-Tageszeitung im Netz“ positioniert. Nun fährt das digitale Schiff ohne ihn übers Weinmeer, und er schreibt an Land wieder auf Papier. Mit einem lesenswerten Buch gleichen Titels hat Klimek die von ihm erdachte, maritime Metapher- und Bilderwelt von Captain Cork zur Vermittlung des wichtigsten Weinwissens – und vor allem seiner Sicht auf den Wein – noch einmal aufleben lassen.

Der Berliner Journalist und Autor Rainer Balcerowiak hat gemeinsam mit Klimek das „ultimativ andere Weinbuch“ verfasst – so lautet die etwas zu plakative Unterzeile des Titels. Balcerowiak hat bereits mit Büchern wie „Das demokratische Weinbuch“ und „Der kulinarische Notfallkoffer“ die klassischen Wein- und Kulinarikthemen kräftig und originell gegen den Strich gebürstet und gehört als „Linkslotse“ schon länger zur Mannschaft von Captain Cork.

Ruhige See und hart am Wind

Das handliche, 215 Seiten starke und gut strukturierte Buch befasst sich in einem Rundschlag mit allem, was Wein und Genuss so ausmacht: knappes Basiswissen und Fakten zu Jahrgängen, dem Etikett, Gläsern – hier „die passende Hardware“ – sowie zu Wein und Essen. Den größten Raum nehmen die Weinregionen Deutschlands und der Welt ein, dazu die wichtigsten Produzenten, Wissen über Weinanbau, -produktion und einiges mehr. Klimek hat bei Captain Cork das Überzeichnen, das drastische Formulieren, die krachende Pointe zum Stil erhoben – und der findet sich in diesem Buch ebenso wie im Netz. Der Titel ist Programm. Ein vierseitiges Kapitel beschäftigt sich beispielsweise mit der „Macht der Tester“, zu denen auch Klimek selbst als Weinkolumnist der „Welt“ gehört. Darin schreibt er über die Macht von Robert Parker und dem Rest der Weinmedien und schließt das Kapitel so: „Wer sich von den Weinkoryphäen auf ‘angesagte’ Güter, Regionen und Rebsorten reduzieren lässt, bleibt letztendlich ein fremdbestimmter Geschmacksprimat.“ Neben solchen Sätzen findet sich aber auch vieles, das sich eher üblich ruhig liest als ultimativ anders. Das Sujet des Buches eignet sich eben nicht durchgängig zum stilistischen Hart-am-Wind-Segeln.

Präzise und lässig erzählt

Das große Kapitel über die Weinregionen bietet knappe, gute Beschreibungen der Traditionen, der großen Lagen und der renommierten Betriebe. Das hat man sicher auch schon woanders gelesen, aber der recht präzise und zugleich lässige Erzählton der beiden Autoren und ihrer Mannschaft ist angemessen und passend. Doch bevor gepflegte Langeweile beim Lesen nach dem nächsten Glas Wein verlangt, lassen sie, dramaturgisch gut gesetzt, immer mal wieder einen hohen Brecher übers Sonnendeck spülen. Im eher ruhigen Kapitel über die deutschen Weinregionen schreiben sie etwa: „Man muss kein Patriot sein, um sich für deutschen Wein zu begeistern. Es gibt mehr Spitzenwinzer denn je, ein breiter werdendes Mittelfeld – und natürlich jede Menge Flüssigmüllproduzenten. Letztere profitieren vom unsäglichen deutschen Weingesetz von 1971, welches offensichtlich dem einzigen Zweck dient, die Verbraucher zu verdummen und Großkellereien einträgliche Geschäfte zu ermöglichen.“ Hart, aber auf den Punkt gebracht.

Komprimiert, reduziert und gut gegliedert

Im hinteren Teil porträtieren Klimek und Balcerowiak ihre „Topwinzer der Welt“. Zu ihnen gehören neben dem Piemonteser Pionier Angelo Gaja auch Andreas Barth vom Weingut von Othegraven an der Saar und Stephan Attmann vom Weingut von Winning in der Pfalz, dazu der Biodynamie-Papst Nicolas Joly. Sein kurzes Porträt trägt die Überschrift der „Der freie Radikale“. Über die Auswahl, besser die Nicht-Auswahl, vieler anderer Topwinzer kann man diskutieren – doch Bücher wie dieses funktionieren nur mit der Komprimierung und Reduktion der großen Themen. Beides ist Klimek und Balcerowiak gut gelungen – mit originellen Überschriften, guter Gliederung, schlüssiger Wissensvermittlung und zudem lebendigen Fotos aus oft ungewohnter Perspektive von Manfred Klimek, dessen Hauptberuf ja das Fotografieren ist. Insofern ist das Buch nicht „ultimativ anders“. Es ist einfach nur gut. Alle Mann an Deck!

Manfred Klimek, Rainer Balcerowiak
Captain Cork – das ultimativ andere Weinbuch
Hallwag Verlag, München
€ 19,90
ISBN: 978-3-8338-3585-8

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