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Bunt und vielfältig wie die Region selbst präsentiert sich die Bio-Szene des Friaul. Allerdings ist sie nicht besonders groß. Noch nicht jedenfalls. Es tut sich jedoch einiges, und es sind hier gerade die qualitativ auf hohem Niveau arbeitenden Betriebe, welche die notwendige Pionierarbeit leisten.


Renzo Coceani

Herzerfrischend, unkompliziert und direkt. So lassen sich die Weine Renzo Coceanis wohl am besten beschreiben. Und auch auf Renzo Coceani selbst passt diese Beschreibung perfekt. Er gehört nicht zu den Topp-Bio-Produzenten des Friaul. Trotzdem möchte ich mit ihm beginnen. Zum einen, weil er einer der ersten war, der seine Weinberge auf bio umstellte und zum anderen, weil ich Weine, wie Renzo sie produziert, als Weine für den täglichen Genuss ausgesprochen schätze.

Renzo Coceani% Foto: Brunner
Bis 1989 arbeitete Renzo Coceani bei der staatlichen Eisenbahn Italiens. Als er zur Weiterbildung einen Computerkurs absolvieren sollte, hatte er dazu keine Lust, hängte den Bürojob an den Nagel und kümmerte sich anschließend ausschließlich um die väterlichen Weinberge bei Capriva del Friuli. Von Anfang an war ihm klar, dabei keine Chemie zu verwenden: „Weil ich wäre ja der erste gewesen, der diese Schweinereien bei der Arbeit im Weinberg abbekommen hätte.” Probleme gab es für ihn weniger mit der Umstellung im Weinberg, als mit der Akzeptanz bei den Kunden. „Viele waren skeptisch und manche kamen gar nicht mehr, als sie hörten, dass wir nun ein Bio-Betrieb waren. Es gab damals viele Vorbehalte gegen Bio. Sicherlich auch deshalb, weil die Qualität der meisten Bio-Weine zu dieser Zeit sehr zu wünschen übrig ließ.”

Was er mir jetzt zum verkosten anbot, bereitete mir jedoch große Freude, weil es Weines sind, die einfach zum trinken einladen und ich es wichtig finde, dass in einer Region die Qualität der Basisweine stimmt - geschmacklich und in ökologischer Hinsicht. All dies ist bei Renzos Weinen der Fall. Er produziert die typischen Sorten des Anbaugebiets: Tocai, Ribolla Gialla, Pinot Grigio, Chardonnay und Sauvignon bei den Weißweinen und Cabernet Sauvignon, Cabernet Franc, Merlot sowie eine Cuvée dieser Sorten bei den Roten. Bis auf die im Barrique ausgebaute Cuvée sind alle Weine geprägt vom Charakter der jeweiligen Sorte und angenehm niedrig in der Gradation. Die Preise liegen zwischen sechs und acht Euro ab Hof. Im zur Kellerei gehörenden Agritur gibt es die Möglichkeit, nach Voranmeldung die Weine zu typischen Gerichten des Friaul zu probieren.

Eine Korbkelter% mit der noch gearbeitet wird% Foto: Coceani

Wer des italienischen mächtig ist kann sich mit Renzo lange und angeregt unterhalten. Er plaudert ausgesprochen gerne und ausführlich - nicht nur über Wein, sondern vor allem auch über die politische Situation in Italien. Und so lange dabei nicht der Name des gerade neu- bzw. wiedergewählten italienischen Regierungschefs fällt, bleibt es mit Sicherheit eine entspannte und humorvolle Unterhaltung.


Castello di Arcano

Auch das Castello di Arcano produziert eher Weine der mittleren Preis- und Qualitätsklasse. Mit 43 Hektar Rebfläche ist es der derzeit größte Bio-Produzent des Friaul. Die Kellerei entstand aus dem Zusammenschluss von fünf Weingütern. Diese befinden sich sowohl in der DOC-Zone Colli Orientali als auch in den Grave del Friuli und lieferten bis zur Gründung ihrer eigenen Kellerei ihre Trauben bei den örtlichen Genossenschaften ab, oder verkauften sie an Abfüllbetriebe. Zu schade für biologisch erzeugte Trauben, befanden die Besitzer. Und da sie sich untereinander gut kannten - zum Teil auch verwandt waren -, beschlossen sie, 1997 das Castello di Arcano in der Nähe des für seinen luftgetrockneten Schinken bekannten Ortes San Daniele del Friuli zu kaufen. Hier vinifizieren sie nun ihre Trauben gemeinsam und bringen sie sie als Bio-Weine unter eigenem Label auf den Markt. Ein Zusammenschluss von Produzenten im Friaul ist - auch wenn diese sich gut kennen - sehr ungewöhnlich, gibt es doch kaum einen eigenwilligeren und zur Kooperation ungeeigneteren Charakter wie den friulaner. Das Projekt funktioniert jedoch sehr gut und ist hinsichtlich "Bio" sehr ambitioniert. So gibt es neben den normalen Bio-Weinen auch eine Linie, bei der komplett auf den Zusatz von Schwefel verzichtet wird. Zur Zeit sind dies vier Rotweine (Cabernet, Merlot, Refosco und eine Cuvèe) sowie der Weißwein Tocai. „Das sind sicher nicht die Weine, welche das Potential für eine lange Lagerung und Verfeinerung besitzen. Aber wer unter einer Schwefelallergie beziehungsweise -unverträglichkeit leidet, bekommt hier eine gute Basisqualität."

Castello di Arcano% Foto: Castello di Arcano

"Bei den Rotweinen haben wir da ohnehin keine großen Probleme. Beim Tocai müssen wir den Most eine Zeit lang mit den Schalen vergären, damit der Ausbau ohne Schwefel möglich ist. Der Wein bekommt so eine etwas dunklere Farbe und einen kräftigeren Geschmack. Das ist für Viele gewöhnungsbedürftig. Andererseits wurden die Weine früher fast alle so ausgebaut,” so Alessandro Belloni, der technische Leiter des Castello. Das kann ich bestätigen. Der Tocai ist ein sehr weicher, vollmundiger Wein von kräftigem Geschmack. Feinheit ist nicht die Qualität, die ihn auszeichnet. Vor Ort zum San Daniele-Schinken schmeckt er jedenfalls recht gut und auch zu Hause habe ich das ein oder andere deftige Gericht gefunden, zu dem dieser eigenwillige Wein sehr gut gepasst hat. Und auch die schwefelfreien Rotweine haben mir mit ihrer direkten, jugendlichen und etwas rustikalen Art einige erfreuliche Momente bereitet. Außer den schwefelfreien Weinen gibt es noch eine breite Palette typisch friulaner Gewächse: Pinot Bianco, Pinot Grigio, Sauvignon, Chardonnay und Verduzzo (alle weiß) sowie die Rotweine Merlot, Cabernet, Refosco, Tazzelenghe und die Dessertweinspezialität Picolit. Die Preise bewegen sich zwischen vier und zwölf Euro.

Die Eigentümer des Castello di Arcano: Domenico Taverna% Conte Francesco Deciani% Contesssa Annamaria Frangipane% Licia Taverna% Foto: Castello di Arcano

Wie Renzo Coceani ist das Castello di Arcano in erster Linie ein ein Produzent solider Weine für den täglichen Genuss. Aus genau diesem Grund habe ich beide an den Anfang dieses Berichts gestellt. Denn diese Weine sind meines Erachtens ausgesprochen wichtig, da sie die Basis der italienischen Weinkultur bilden. Wird dieser Bereich der industriellen Massenproduktion überlassen, geht genau das verloren, was Italien als Weinland schätzens- und liebenswert macht.

Allerdings findet man gerade bei den friulaner Bio-Produzenten auch einige der spannendsten Weine des Anbaugebiets. Und um die soll es im Folgenden gehen.


Vignai da Duline

1994 half Lorenzo Mochiutti neben seinem Medizinstudium noch seinem Großvater im Keller des Familienbetriebs in San Giovanni al Natisone. 1998 übernahm er den Betrieb komplett. Und seit Anfang des neuen Jahrtausends gehört die Kellerei Vignai Le Duline zu den Topp-Produzenten des Anbaugebiets. „Es war immer mein Ziel, große Weine zu erzeugen. Dies mit biologischen Methoden zu tun, stand für mich von Anfang an außer Frage. Weil ich das anders gar nicht kann.” Er hatte das Glück, dass schon sein Großvater auf Chemie verzichtete und nur organisch düngte. Dies allerdings gut und reichlich, so dass die Erträge viel zu hoch waren.

Schon bei der Arbeit im Keller stellte Lorenzo fest, dass man mit derart dünnem Traubenmaterial nicht nur keine guten Weine bereiten konnte, sondern dass auch der Verzicht auf allerei unnatürliche Hilfsmittel unmöglich war. „Den Trauben fehlte eigentlich alles: Gradation, Säure, Mineralsalze; die Tannine waren grün etc. Da kannst du im Keller nicht biologisch arbeiten.” Also machte er sich zuerst einmal daran, die Erträge zu reduzieren, zu begrünen, die Reben stärker zurück zu schneiden und „so nach vier bis fünf Jahren stellte sich ein neues Gleichgewicht im Weinberg ein, so dass ich ab 1999 keine der Mittel und Methoden mehr einsetzen musste, die ich vorher angewandt habe.” Die Le Duline-Weine werden weder angereichert noch gefiltert oder geklärt, „weil ich alles, was die Reben hergeben, in der Flasche wiederfinden möchte, und jede dieser Methoden nimmt von diesem Reichtum etwas weg.” Alle Weine werden im Holzfass, meist im Barrique ausgebaut, auch die Weißen. Schmecken wird man davon nichts, weil das Holz hier nicht zum Zwecke der Aromatisierung, sondern für die optimale Reife der Weine eingesetzt wird. „Wichtig ist für mich die Aufmerksamkeit für jeden einzelnen Wein. Der Respekt vor den jeweiligen Besonderheiten des Ausgangsmaterials.” Während der gesamten Reifephase bleibt der Wein auf der Hefe. „Das erlaubt es mir im ersten Jahr der Vinifizierung komplett auf Schwefel zu verzichten.”

Blick über friulaner Weinberge% Foto: Brunner

Voraussetzung um so arbeiten zu können sind vollkommen reife Trauben, die zugleich gute Säurewerte besitzen. „Dazu haben wir im Friaul gute Voraussetzungen. Es ist zwar nicht so leicht wie im Burgund, aber es ist bei guter Arbeit im Weinberg möglich. Ich habe das Glück, dass meine Rebstöcke sehr alt sind. Um was ich mich kümmern muss, ist das Gleichgewicht der einzelnen Pflanze. Das erziele ich nicht mit dem Einsatz diverser Präparate, auch keiner bio-dynamischen, sondern durch genaue Beobachtung und entsprechender Maßnahmen. Beispiel: Wenn ich zehn Rebstöcke, die unmittelbar nebeneinander stehen, auf sieben Augen zurück schneide, dann werden von diesen zehn Reben einige drei Fruchtansätze ausbilden, andere nur zwei und wieder andere alle sieben. Das heißt, jeder dieser Stöcke hat seine eigene Art, sich auszudrücken und je nachdem, was mir die Rebe zeigt, werde ich sie im nächsten Jahr behandeln. Bei denen, die zwei Fruchtansätze gebildet haben werde ich zwei Augen stehen lassen, bei denen mit sieben sieben.” Das hat natürlich Auswirkungen auf die zu bewirtschaftende Fläche, denn „mehr als 20.000 Pflanzen kann man auf diese Art und Weise zu zweit (das heißt er und seine Frau Frederica) nicht kontrollieren.” Diese Herangehensweise - die Pflanzen genau zu beobachten und aufgrund dieser Beobachtungen bestimmte Maßnahmen zu ergreifen -, ist für Lorenzo die Quintessenz der Bio-Dynamie.

Seines Erachtens wird im augenblicklichen Boom dieser Wirtschaftsweise zu viel Aufmerksamkeit auf Präparate etc. gelegt. „Ich bin nicht gegen die Anwendung von Präparaten, aber man sollte sich immer erst einmal fragen, ob es sie wirklich braucht. Ich nehme ja auch kein Medikament - auch kein homöopathisches -, wenn mir nichts fehlt. Wenn man Bio-Dynamie auf den Einsatz von Präparaten reduziert, wird sie meines Erachtens banalisiert. Sie wird dann zum Chemie-Ersatz. Aber sie ist ein Gedankengebäude, eine Einstellung, eine Herangehensweise, die grundsätzlich verschieden ist von der Chemie. Sie setzt auf den Erhalt und die Förderung der Vitalität der Pflanze, Vitalität in dem Sinne, dass die Pflanze die in ihr steckende Energie ausdrücken kann. Dafür gilt es, ein Umfeld zu schaffen, denn nur so entstehen wirklich ausdrucksstarke, vom Terroir geprägte Weine”.

Frederica Magrini und Lorenzo Mocchiutti% Foto: Mochiutti

Lorenzo und Frederica besitzen Weinberge im Grave del Friuli und in den Colli Orientali. Auf ersteren werden Tocai Friulano, Schioppettino, Malvasia Istriana, Refosco, Verduzzo und Merlot kultiviert. In den Colli Orientali Chardonnay, Sauvignon, Tocai 'Giallo'diTocai', Pinot Grigio, Merlot und Refosco. Das Angebot umfasst acht Weine in der Preisklasse von 10,50 Euro bis 22 Euro.


I Clivi

Mario Zanusso ist eng mit Lorenzo Mochiutti befreundet. Und ihre gegenseitige persönliche Wertschätzung schließt auch die Weine des jeweils anderen mit ein. Zu recht, denn genau so wie auf Le Duline werden im Weingut I Clivi typische, unverwechselbare friulaner Gewächse auf höchstem Niveau produziert. Allerdings auf ganz andere Art und Weise - zumindest im Keller. Hier sieht kein Weißwein ein Holzfass von innen, sondern nur Stahl. Den dafür ausgesprochen lange. Jetzt - im Frühjahr 2008 - kam der Jahrgang 2004 auf den Markt. Zwei Weine auf Basis von Tocai Friulano habe ich bei meinem Besuch in der Kellerei probiert, und mehr hätten es auch nicht sein dürfen. Beide luden so gnadenlos zum Nachschenken ein, dass ich mir einen Chauffeur gewünscht habe. Vor allem der 'Brazzan' aus den Weinbergen bei Brazzano im Collio hat eine Faszination, wie man sie nur bei wirklich außergewöhnlichen Weinen findet. Dicht, tief, komplex, rund und gleichzeitig - nach vier Jahren! - frisch, elegant und knackig. Das erlebt man nicht oft. Nicht im Friaul und auch anderswo nicht. "Wir haben uns für den Ausbau im Stahl entschieden, weil uns das für unsere Weine am geeignetsten erscheint. Letztlich ist es aber gar nicht so wichtig, wie der Wein im Keller ausgebaut wird. Hier muss man sich halt für die Methode entscheiden, die einem selbst am meisten zusagt und darf dann dabei keine Fehler machen. Wichtig ist letztlich nur das, was im Weinberg geschieht, beziehungsweise welche Voraussetzungen man hier vorfindet. Wir hatten das Glück, Weinberge zu erwerben, die mehr oder weniger verlassen waren. Zwar nicht besonders gepflegt, aber eben auch nicht mit Chemie und andersweitig versaut. Dafür aber hatten die Rebstöcke ein hohes Alter. Die meisten zwischen 40 und 60, manche aber auch bis zu 80 Jahre. Und von diesem Kapital profitieren wir."

Zu den Weinen im Wein-Plus-Weinführer

Ein hohes Alter können hier auch die Weine selbst erreichen. Auch und gerade die Weißweine. Bis zum Jahre 1997 ließ mich Mario Zanusso seine vorwiegend aus Tocai vinifizierten Cuvées 'Galea' und 'Brazzan' kosten und keiner wirkte müde - im Gegenteil: Je älter die Weine waren, umso komplexer waren sie. Den Weißweinen gilt das Hauptinteresse, vor allem auch deshalb, weil man hier interessante, autochtone Sorten in den Weinbergen vorgefunden hat, und die Arbeit mit originären friulaner Gewächsen war schon für Marios Vater Ferdinando sehr wichtig. Außer den erwähnten Cuvées, die man "eigentlich als Tocai bezeichnen kann, denn sie enthalten über 90 Prozent dieser Rebsorte," wird noch Malvasia und Verduzzo produziert. Rotwein gibt es zwar auch - einen reinsortigen Merlot -, aber in sehr bescheidenen Mengen. Die Preise liegen je nach Wein und Jahrgang zwischen 18 und 25 Euro.

Mario Zanusso und Vater Ferdinando% Foto: Mario Zanusso

Biologisch produziert wurde auf I Clivi von Anfang an. Eine Zertifikation wurde erst vor kurzem beantragt, und ab 2010 wird diese auch offiziell sein. "Wir haben uns aus Gründen der Glaubwürdigkeit dazu entschieden, eine offizielle Zertifikation zu beantragen. Es sind einfach zu viele, die sich heutzutage als 'Vini naturali', 'bio-dinamici', 'Vini veri', etc. bezeichnen. Meist geschieht dies vor allem, um sich von Anderen zu unterscheiden und in einem immer schwieriger werdenden Markt Aufmerksamkeit zu erregen. Früher machte man das durch besonders strukturierte, im Holz ausgebaute Weine. Heutzutage durch den Rückgriff auf archaische Ausbaumethoden und lange Maischegärung auch bei Weißweinen. Ich bin nicht gegen diese Weine. Jeder soll das machen, was er für richtig hält. Aber vor allem bei uns im Friaul gibt es einige, die ihre Art der Weinbereitung für die einzig richtige und vor allem für die einzig natürliche halten." Wer sich im Friaul auskennt, weiß, wer mit diesen Äußerungen gemeint ist, nämlich einige der renommiertesten Betriebe des Collio, wie Gravner und Radikon. Besonders ersterer ist so etwas wie eine lebende Legende im Friaul. Meines Erachtens zu recht, denn er hat einige der bedeutendsten Weine des Friaul geschaffen. Mit seinen aktuellen Weinen kann ich mich allerdings nicht so recht anfreunden. Da geht es mir wie mit dem Free-Jazz. Auch der wird von den Meistern dieser Musik gespielt, setzt Insider und Kenner in Verzückung, aber viele - auch ich -, können damit nichts anfangen. Aber meine persönlichen Geschmacksprefärenzen sind nicht der Grund, warum Joschko Gravner und seine Freunde in Oslavia hier nicht mit einem eigenen Kapitel erwähnt werden, obwohl sie sich als die Vorhut der Bio-Dynamiker im Friaul verstehen. Die von ihnen produzierten Weine sind auf ihre Art sehr gut (zum Weinführereintrag von Radikon). Der Grund für die Abwesendheit dieser Erzeuger ist, dass sie sich nicht zertifizieren lassen wollen und ich eine Zertifizierung für die Erwähnung in einem Bericht über biologisch produzierende Betriebe für die Mindestvoraussetzung halte.


Ronco del Gnemiz

Wie bei den Pecoraris fand auch auf dem Weingut Ronco del Gnemiz vor kurzem ein Generationswechsel statt, der damit einher ging, dass die schon seit vielen Jahren praktizierte ökologische Bewirtschaftung offiziell zertifiziert wurde. Man ist zwar noch in der Umstellung, allerdings dürfte diese aufgrund der durch die bisherige Bewirtschaftung günstigen Voraussetzungen wesentlich schneller als in den üblichen drei Jahren vor sich gehen. Der Entschluss zum ökologischen Weinbau erfolgte hier eher aus ethischen denn aus praktischen Erwägungen. „Ich kann nicht Bio-Produkte einkaufen und bei der Erzeugung meiner eigenen Produkte Chemie einsetzen,” so Serena Palazzolo, die vor zehn Jahren den Betrieb von ihrem Vater übernommen hat. „Und ich finde es einfach wichtig, dass man in seiner eigenen Welt - und sei sie auch noch so klein - so lebt, wie man es für richtig erachtet. Denn für diese Welt bist nur du selbst verantwortlich und kein anderer. Was den Wein angeht, so glaube ich, dass sich so eine Haltung stark im Produkt widerspiegelt.” Zunächst einmal spiegelt sich in den Weinen von Ronco del Gnemiz eine knackige, erfrischende Säure wider. Das heißt allerdings nicht, dass sie unharmonisch oder gar unreif wären. Im Gegenteil: es sind sehr aromatische, intensive Tropfen, die allerdings Zeit brauchen. Auch deshalb, weil sie fast alle im Barrique ausgebaut sind und sich das Holz erst mit der Zeit wirklich gut integriert. Die Weißweine sollten je nach Jahrgang zwischen drei und sechs Jahre alt sein, die Roten zwischen fünf und zehn.

Serena Palazzolo und ihre beiden Söhne% Foto: Brunner

Beraten wird Ronco del Gnemiz so wie auch die Kellerei Pierpaolo Pecorari von Andrea Pittano, einem Agronomen, der nicht nur biologisch arbeitende Betriebe betreut, mit diesen aber besonders gerne zusammenarbeitet. „Es ist angenehmer und macht einfach auch mehr Spaß, mit Leuten zu arbeiten, die offen für natürliche Methoden sind, weil sie in der Regel auch eine größere Sensibilität für das jeweilige Terroir besitzen und auf eine Individualität wert legen, die sich hieraus ergibt und nicht aus der raffinierten Anwendung irgendwelcher Kellertechniken.” Was Andrea Pittano damit meint, konnte ich bei meiner vorletzten Reise ins Friaul, die zum Zeitpunkt der Weinlese stattfand, feststellen. Bei vielen Kellereien wurden zum Beispiel die frisch geernteten Rotweintrauben vor der Maischegärung in riesigen Lagerhallen zum Trocknen ausgelegt. So erhält man eine Konzentration, welche die Trauben von Natur aus nicht mitbringen. Das Resultat sind zum Teil wahre Monsterweine. Weit entfernt von dem, was in den friulaner Weinbergen wirklich wächst. Aber leider werden diese Weine von den bekannten Führern hoch bewertet. Trinken kann man davon vielleicht ein halbes Glas. Die Ronco del Gnemiz-Weine sind da von ganz anderer Art und zeigen ihre Qualität nicht nur in der Verkostung, sondern vor allem beim Essen. „Von unseren Weinen,” so Serena Palazzolo „wird die Flasche meist ausgetrunken.” Zumindest bei den Weißweinen habe ich das beim Nachprobieren zu Hause genau so erlebt.

Auf Ronco del Gnemiz werden die Weißweine Tocai, Malvasia, Sauvignon, Chardonnay und Pinot Grigio produziert, bei den Roten ein reinsortiger Merlot, eine Cuvée aus Cabernet und Merlot sowie die lokalen Rebsorten Refosco und Schioppettino. Die Preise bewegen sich zwischen 9 und 35 Euro.


Alessia und Denis Montanar - Borc Dodòn


Denis Montanar% Foto: Brunner
In der ersten halben Stunde meines Besuchs erfuhr ich von Denis Montanar erst einmal so gut wie gar nichts über seine Weine. Stattdessen viel über die Geschichte der Gemeinde Villa Vicentina und des Weilers Borc Dodòn; über die alte Verbindungsstraße, die sich von den Hügelgebieten des Friaul zur alten Römerstadt Aquileia in zahlreichen Kurven durch die Ebene wand, immer unter Berücksichtigung der natürlichen Gegebenheiten, wie alten Bäumen und der Geographie der Landschaft. Er bedauerte es, dass die Straßen heutzutage nicht mehr in diese Landschaft integriert sind und diese gnadenlos zerschneiden, weil sie nur noch als kürzest möglichste, gerade Verbindung von einem Zentrum zum anderen geplant sind. Er erzählte vom Getreideanbau, den er im vierjährigen Fruchtwechsel betreibt, von den Schweinen, die er sich zugelegt hat und von denen ab und zu eines dran glauben muss, damit er seinen Gästen im Agriturismo hausgemachte Salami anbieten kann. Und schließlich machte er mich auf die Ästhetik der an den Drahtrahmen der Rebanlagen aufgereiten Regentropfen aufmerksam, die sich nach einem erfrischenden Schauer dort gebildet hatten. „Wein ist eine schöne Sache, er bereitet viel Vergnügen und ist in wirtschaftlicher Hinsicht sicherlich unser wichtigstes Produkt. Aber vor dem Wein kommt das Essen sowie ein funktionierendes soziales und kulturelles Umfeld. Erst wenn sich der Wein darin einfügt oder - was dasselbe ist -, ein Ausdruck davon ist, hat er für mich Bedeutung.”

Zu den Weinen im Wein-Plus-Weinführer

Denis Montar übernahm 1989 den landwirtschaftlichen Betrieb Borc Dodòn von seinem Großvater. Die Weingärten bewirtschaftet er seit 1996 nach ökologischen Richtlinien, den Getreide- und Saatgutanbau seit dem Jahr 2000. Er kultiviert die lokalen Sorten Refosco, Tocai Friulano, und Verduzzo, sowie Cabernet, Merlot und Muskateller. Er gehört zu denjenigen, die ihre Weine relativ lange mit der Maische vergären. Auch die Weißweine. Das Resultat sind sehr kräftige Weine, mit eher rustikalem Charakter. Er findet, dass diese Weine die Besonderheit des Bodens sowie der deftigen, lokalen Ess- und Trinkkultur besonders gut ausdrücken. Allerdings macht er kein Dogma aus dieser Art der Vinifikation und wendet die Maischegärung je nach Sorte sehr unterschiedlich ein. Relativ lange beim Verduzzo und der Cuvée Uis Blanchis, moderat beim Tocai und gar nicht bei der in Zukunft geplanten Cuvée aus Muskateller und Verduzzo, „weil es mir hier auf die feinen, subtilen Fruchtaromen ankommt, die bei einer Maischegärung eher in den Hintergrund treten.” Es sind Weine, die reifen können beziehungsweise müssen. So sind die derzeit jüngste Weine ein 2006er Merlot und ein 2005er Tocai, die beide noch am Anfang ihrer Entwicklung stehen. Vom Verduzzo, der Cuvée Uis Blanchis und den Rotweinen Refosco und Uis Neris kommt jetzt der Jahrgang 2003 auf den Markt. Alle Weine kann man im hauseigenen Agritur zu Salami, lokalem Käse und selbst gebackenem Brot genießen. Ein Besuch hier lohnt sich nicht nur des Essens und Trinkens wegen, sondern auch aufgrund der Nähe zu den kulturell interessanten Städten Aquileia und Grado. In ersterer wurden vermutlich schon in vorrömischer Zeit die ersten Reben im Friaul gepflanzt.


Weitere biologisch zertifizierte Betriebe im Friaul sind:

- Marina Sgubin in Dolegna del Collio Ortsteil Scriò: Familienbetrieb mit typischen Weinen des Collio, die man im hauseigenen Restaurant zu lokalen Spezialitäten genießen kann.
- Ca' Selva in Pordenone: Mittelgroßer Betrieb, der außer klassischen Friulaner Weinen auch noch passablen Prosecco produziert.
- Cantina di Cormons: Die Bio-Linie der Genossenschaftkellerei liefert unkomplizierte Weine für den täglichen Genuss.
- La Faula in Faedis: Typische Weine der Collio Orientali zu sehr moderaten Preisen. Übernachtungsmöglichkeit im angeschlossenen Agritur.
- Mont‘Albano produziert typische Friulaner Gewächse der mittleren Preisklasse und vinfiziert einfache Weine im unteren Preissegment aus anderen Regionen Italiens.


Fazit

Die Bio-Szene im Friaul ist zwar (noch) sehr klein und überschaubar. Bietet aber für jeden Geschmack und Geldbeutel eine gute Auswahl. Sie ist sehr vielfältig und zeigt auf den ersten Blick ein eher verwirrrendes Bild. Aber wir sind nun einmal im Friaul, wo sich die weinbaulich genutzten Flächen von den Ausläufern der karnischen Alpen bis zum Meer hin erstrecken. Einheitlichkeit kann und sollte man da nicht erwarten. Auch kulturell ist diese Region von drei grundverschiedenen Einflüssen geprägt: vom italienischen, vom österreichischen und vom slawischen Kulturkreis. Und wir haben es nicht zuletzt mit Friulanern zu tun. Und wer die kennt, weiß, dass sie gar nicht anders können, als genau das zu machen, was sie sich in ihren (Stur)kopf gesetzt haben. Jeder Winzer produziert so zwischen fünf und zehn Sorten und jede einzelne auf seine ganz individuelle Art und Weise. Der Eine bietet frische, jugendliche Weine an, der Andere strukturierte, reifebedürftige, der Nächste lässt seine Weißweine mit der Schale vergären. Bei Einem sind alle Weine im Holz ausgebaut, Andere lehnen dies strikt ab und so weiter. Im Unterschiede zu vielen anderen Winzern, die ich im Friaul kennen gelernt habe, hält bei den Bios jedoch keiner seine eigene Art des Weinmachens für die einzig wahre. Hier herrscht großer gegenseitiger Respekt und niemand redet schlecht über den anderen. Solange sich der typische friulaner Eigensinn auf diese Art und Weise sowie in einer - zugegebenermaßen oft verwirrenden - Vielfalt an hochwertigen, nach biologischen Kriterien produzierten Weinen ausdrückt, wird für mich jede Reise ins Friaul aufs neue zum Genuss und ich hoffe, dass in Zukunft noch viele friulaner Produzenten die Vorzüge der Ökologie für die Qualität und Ausdruckskraft ihrer Weine entdecken.

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