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Das über 50 Jahre alte Konzept der Permakultur erhält Weinberge auch bei Extremwetter lebendig und intakt. Daniel Wyss ist Winzerberater des Bio-Weinhändlers und Permakultur-Pioniers Delinat. Er hat Kristine Bäder erklärt, wie die Alternative zur Monokultur funktioniert.

„Die Kriege der Zukunft werden um Wasser geführt“, prophezeite der ehemalige UN-Generalsekretär Boutros Ghali bereits 1985. Der Klimawandel und die wachsende Weltbevölkerung rücken dieses Szenario inzwischen näher. Die heißen und trockenen Sommer von 2018 bis 2020 haben auch in einigen Regionen Deutschlands die Grundwasserspiegel sinken lassen und bedrohen Ökosysteme, die Trinkwasserversorgung und den Weinbau. Aber es gibt Strategien, um der drohenden “Desertifikation” trockener Regionen entgegenzuwirken. Ein im Weinberg besonders erfolgversprechendes Konzept ist die Permakultur.

Es ist ein Weinhändler, der dafür Pionierarbeit im Weinberg leistet: Bereits vor 40 Jahren definierte Karl Schefer, Gründer des Schweizer Versandhandels Delinat, für seine Winzer eigene Richtlinien zur Produktion der Weine. Sie gingen schon damals weit über die Regeln des Bioweinbau hinaus. Von Beginn an standen dabei Biodiversität, Begrünung und Bodenbearbeitung im Fokus. „Seit fünf Jahren befassen wir uns explizit mit dem Thema Permakultur“, erzählt Daniel Wyss. Der Landwirt und Landschaftsarchitekt beschäftigt sich seit über 30 Jahren mit biologischen Landwirtschaft. Er berät die 100 Delinat-Winzer aus Deutschland, Spanien, Italien, Frankreich und der Schweiz bei der Anwendung der Richtlinien. Zu ihnen gehören auch die deutschen VDP-Betriebe Battenfeld-Spanier (Rheinhessen) und Ökonomierat Rebholz (Pfalz).

Schon seit 1991 betreibt Delinat ein eigenes Weingut. Mit Hilfe der Kunden, die sich als Aktionäre beteiligten, kaufte der Versandhändler in der Provence ein vernachlässigtes Anwesen mit Weinbergen. Heute gilt Château Duvivier als Modellbetrieb, in dem Daniel Wyss mit den Winzern vor Ort erprobt, was später in den Weingütern der Mitgliedsbetriebe eingeführt werden soll. „Wir haben viel Forschung zu Begrünung, Baumpflanzungen und Kupfer-Alternativen betrieben“, erzählt er von den Anfängen. Seit 2018 stehe aber die Wasserversorgung im Fokus: „Wir haben damit zunehmend Probleme, und das wirkt sich auf die Fruchtbarkeit der Rebstöcke und die Erträge aus”, beschreibt Daniel Wyss die Situation.

„Jeder Tropfen Wasser muss auf dem Weingut versickern”

Berater Daniel Wyss (l.) und der Winzer Carlos Laso (r.) in den trotz Trockenheit gesunden, blühenden Weinbergen des spanischen Öko-Weinguts Pago Casa Gran bei Valencia
Delinat - Wyss

Der Schlüssel zur Verbesserung für ihn ist Permakultur. Für das Pilotprojekt auf Château Duvivier arbeiten die Delinat-Experten mit den Pionieren Josef Holzer und Jens Kalkhof zusammen. Die beiden haben das vom Australier Bill Mollison in den 1970er-Jahren entwickelte Konzept einer dauerhaften und naturnahen Landwirtschaft in Europa als “Holzersche Permakultur” zum Einsatz gebracht. „Gemeinsam haben wir den Betrieb so umgebaut, dass jeder Tropfen Wasser, der auf dem Weingut fällt, auch auf dem Weingut versickern kann“, fasst Daniel Wyss das Ziel zusammen.

Abgeleitet von „permanent culture“ hat Bill Mollison den Begriff so definiert: „Permakultur ist das bewusste Design sowie die Unterhaltung von landwirtschaftlich produktiven Ökosystemen, die die Diversität, Stabilität und Widerstandsfähigkeit von natürlichen Ökosystemen besitzen.“ Es geht also darum, sich selbst erhaltende Kreislaufsysteme zu schaffen, die möglichst nah an ein natürlich entstandenes Öko-System heranreichen.

Um die Wasserversorgung der Reben zu sichern und zugleich auf Bewässerung verzichten zu können, will Daniel Wyss möglichst viel Regenwasser im Boden versickern lassen und das Ablaufen verhindern. Die Topographie auf Château Duvivier mit leichter Hangneigung der Weinberge hilft ihm dabei: „Wir haben viele kleine Teiche gebaut, die zwischen 50 und 80 Kubikmeter Wasser fassen.“ Oberhalb der Weinberge liegt außerdem ein See mit 3.000 Kubikmetern, dazu kommen viele Kanäle, die das Wasser dort hinleiten, wo es gebraucht wird. So wird das Regenwasser aufgefangen und kann langsam versickern. „Projekte in Portugal haben gezeigt, dass man auf diese Weise komplett verdorrte Landschaften wiederbeleben kann“, verweist er auf das Weingut Herdade dos Lagos im Vale de Camelos im portugiesischen Alentejo. „Nur wenn wir den Grundwasserstrom durch das Regenwasser mitversorgen und stabil halten, kann er sehr trockene Perioden überstehen und damit die Wasserversorgung sichern.“

Hochwertiger Weinbau statt verdorrte Landschaft

Die Permakultur-Spezialisten Josef Andreas Holzer (l.) und Jens Kalkhof (r.) liefern das Konzept für die Arbeit auf Château Duvivier. Den Einsatz erproben Winzer Erik Bergmann (2. v.l.) und Daniel Wyss (2. v.r.).
Delinat - Holzer

Im Alentejo hat das Team um Antje und Thorsten Kreikenbaum in den vergangenen Jahrzehnten große Seen angelegt, die die durchschnittlichen Regenmengen von maximal 600 mm jährlich auffangen und in den heißen und trockenen Sommermonaten zur Bewässerung zur Verfügung stellen. Dazu wurden mehr als 600 Hektar Wald aufgeforstet. Inzwischen ist die Landschaft geprägt von üppigem Grün und bietet Kranichen Überwinterungsquartiere. Längst gedeiht dort wieder qualitativ hochwertiger Weinbau und andere landwirtschaftliche Produktion.

Doch Wasserretention alleine genügt nicht, um die Fruchtbarkeit der Weinberge zu erhalten - nur lockere Böden können Wasser aufnehmen. „Dazu sind die richtige Begrünung und Humusbildung zwingend notwendig“, erklärt Daniel Wyss. Bislang galt die Lehrmeinung, Böden mit Umpflügen und Tiefenlockerung zu bearbeiten und dadurch die Bodengare zu fördern. Davon sind die Permakultur-Experten weit entfernt. Nun werden die Böden nur noch flach bearbeitet, Begrünung gewalzt statt umgebrochen und maximal mit einer Scheibe in der Tiefe gelockert. So bleiben die Bodenkulturen erhalten. Abhängig von den Bedingungen vor Ort, arbeiten die Delinat-Winzer mit jeweils angepassten Saatmischungen zur Begrünung der Rebzeilen.

Damit schafft er die Grundlage für einen weiteren Aspekt der Permakultur im Weinberg: Vitiforest. Mit diesem Ansatz werden Bäume und Büsche in die Monokultur integriert. „Verständlicherweise schrecken die Winzer da erstmal zurück, denn Bäume in den Weinbergen machen maschinelle Bewirtschaftung unmöglich”, sagt Daniel Wyss. Er arbeitet mit den Winzern an Konzepten, die beides verbinden. Sie pflanzen etwa Bäume um die Weinberge herum. Immerhin sei es früher doch üblich gewesen, Weinbergpfirsiche oder andere Obstbäume in direkter Nachbarschaft zu den Weinbergen wachsen zu lassen.

Bis zu 40 Bäume pro Hektar Weinberg

Der Delinat-Winzer Andreas Harm aus der Wachau hat Tomaten im Weinberg gepflanzt.
Delinat

Das Ziel ist, mit einem dreistufigen System die Zahl der Bäume pro Hektar auf bis zu 40 zu erhöhen. Die Vorteile liegen für Daniel Wyss auf der Hand: „Am richtigen Ort gepflanzt, haben Bäume einen positiven Effekt auf die Reben“, erklärt er. Bäume und Hecken helfen, das Wasser im Boden versickern zu lassen und machen in trockenen Zeiten Wasser aus tieferen Bodenschichten verfügbar. Doch nicht jede Baumart ist geeignet: „Wir empfehlen mittelgroße Bäume und vor allem solche, die von der gleichen Mykorrhiza profitieren.“ Diese Verbindung von Pilzen und Wurzeln sorgt für die Versorgung der Pflanze mit den wichtigsten Nährstoffen. Gewisse Bäume übernehmen dabei auch eine “Ammenfunktion” für die Reben. „Wir haben beobachtet, dass Reben in direkter Nachbarschaft zu Speierling- oder Quittenbäumen deutlich besser gewachsen sind als weiter entfernt gepflanzte“, berichtet der Winzer-Berater. „Bäume und Reben haben eine natürliche Verbindung“, ist er überzeugt. Immerhin nutzen Wildreben die Bäume als Rankhilfe. „Interessanterweise erinnert sich die Rebe offenbar an diese genetische Herkunft.“

Die Komplexität der Bewirtschaftung als Permakultur verlangt den Winzern zunächst viel Bereitschaft ab, sich auf neue Ideen und Methoden einzulassen sowie zeitweise auch Ertragseinbußen zu akzeptieren. „Die positive Wirkung des Konzepts trägt aber zu mehr Resistenz der Reben gegen Krankheiten und Trockenstress bei”, ist Daniel Wyss überzeugt. “Wir sehen eindeutig, dass Permakultur die Reben stärker macht.“

Kristine Bäder arbeitet als freie Journalistin und Autorin. Sie war bis Januar 2021 Chefredakteurin des Weinmagazins FINE und zuvor Chefredakteurin des Sommelier Magazins.

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