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Montalcino gehört zu den renommiertesten Weingebieten Italiens, der hier erzeugte Brunello zu den berühmtesten Weinen der Welt. Klar, dass so ein Klassiker weniger heftig unter der Corona-Krise leidet als unbekanntere Weine. Trotzdem macht die negative Konjunktur auch den Winzern rund um das kleine Städtchen südlich von Siena zu schaffen. Denn insbesondere hochpreisige Weine haben unter dem ausbleibenden Tourismus und der über zwei Monate langen Schließung der Restaurants gelitten. Besserung ist nur zaghaft in Sicht, da die Saison trotz Öffnung der Grenzen keineswegs auf normalem Niveau verläuft. Auch kommen Maßnahmen wie Notdestillation und grüne Weinlese für den Brunello nicht in Frage. Wir haben mit dem Präsidenten des Konsortiums, Fabrizio Bindocci, über die Krise und eine andere große Herausforderung, den Klimawandel, gesprochen.

wein.plus: Ende April hat das Konsortium den Landwirtschaftsrat der Region Toskana gebeten, den Katastrophenzustand für Montalcino auszurufen. Geht es den Winzern so schlecht?

Fabrizio Bindocci: „Nun, die gegenwärtige Krise könnte auch als eine Katastrophe, also als ein zerstörerisches Naturereignis, angesehen werden. Es geht hierbei aber vor allem um die Mittelbeschaffung, um staatliche Hilfen, die die Betriebe dringend brauchen, da die Liquidität knapp wird. Zusätzlich müssen wir alle Budgets neu aufstellen, die auf Förder-maßnahmen der EU basieren, um auf die negative Konjunktur zu reagieren.“

wein.plus: Ist der Umsatz im Vergleich zu den ersten Monaten des Jahres 2019 zurückgegangen? Wie verhalten sich die Märkte jetzt? Welche Länder erholen sich?

Fabrizio Bindocci: „Am Anfang des Jahres lief alles noch gut. Im ersten Quartal 2020 wurden sogar mehr Staatsbanderolen an die Weingüter ausgeliefert als im Vergleichszeitraum 2019 (ohne die DOCG-Banderole darf eine Flasche Brunello nicht in den Verkehr kommen – Anmerk. der Red.). Dann kam der Lockdown und alles stand plötzlich still. Die Märkte erholen sich nur langsam, aktuell kommen positive Signale vor allem aus Kanada, Deutschland und den asiatischen Ländern.“

wein.plus: Montalcino lebt vom Weintourismus. Obwohl Restaurants und Hotels seit einigen Wochen wieder öffnen dürfen, wird die Sommersaison wie andernorts auch eher verhalten verlaufen. Wie geht es den Gastronomen? Besteht die Gefahr, dass einige Restaurants ganz schließen müssen?

Fabrizio Bindocci: „Das mag ich mir gar nicht vorstellen. Der Weintourismus ist für Montalcino lebenswichtig. Im Jahr 2018 hatten wir fast 200.000 Besucher und über 75.000 Übernachtungen. Und das in einem Dorf mit 6.000 Einwohnern!“

wein.plus: Wie man liest, will das Konsortium die Investitionen in Werbung und Marketing erhöhen. Welche Strategien werden Sie fahren?

Fabrizio Bindocci: „Um auf die Krise zu reagieren, ist es notwendig, das Marketing zu intensivieren, die Marke Brunello weiter zu stärken und gleichzeitig, so wie in der Vergangenheit auch, die absolute Qualität in Weinberg und Keller anzustreben. Wir setzen auf unsere Premium-Produkte und ihre gezielte Förderung mittels einer Multi-Channel-Strategie, vor allem stehen momentan digitale Tools im Fokus.“

wein.plus: Zum Glück für die Winzer konnte die alljährliche wichtige Jahrgangspräsentation "Benvenuto Brunello" im Februar noch problemlos stattfinden. ProWein und Vinitaly sind wenig später ausgefallen. Wird es dieses Jahr weitere Veranstaltungen des Konsortiums geben?

Fabrizio Bindocci: „Es ist noch zu früh für Ankündigungen. Wir werden aber sofort aktiv werden, sobald die Bedingungen dafür erfüllt sind, sowohl mit Online-Events als auch mit realen Veranstaltungen.“

wein.plus: Eine der wichtigsten Herausforderungen für den Weinbau ist der Klimawandel. Wie bereiten sich die Winzer in Montalcino darauf vor?

Fabrizio Bindocci: „Mit Maßnahmen, die auch in vielen anderen Anbaugebieten weltweit praktiziert werden, um dem Temperaturanstieg ohne schädliche Folgen für die Weinproduktion zu begegnen. Dazu gehören Laubwandmanagement, schonende Bodenbearbeitung, sowie Begrünung zwischen den Rebzeilen zur Verbesserung des Wasserhaushalts, vor allem aber auch das Anlegen von Wasserreservoirs für die Notbewässerung.“

wein.plus: Ist es möglich, mit den Weinbergen in höhere Lagen auszuweichen?

Fabrizio Bindocci: „Ja, die Weingüter, die über Land in höheren Lagen verfügen, tun dies bereits seit einigen Jahren.“

wein.plus: Auf immer mehr Brunello-Etiketten sind Alkoholgehalte von über 14,5 Volumenprozent zu sehen. Wie wollen die Winzer die für ihre Weine typische Eleganz bewahren?

Fabrizio Bindocci: „Die Eleganz eines Weins wird ja immer durch das Zusammenspiel mehrerer Komponenten bestimmt, sie ist nicht alleine vom Alkoholgehalt abhängig. Solange der Alkohol harmonisch mit Tanninen, Säure und den anderen Weininhaltsstoffen verbunden ist, bleibt die Typizität des Weins erhalten.“

wein.plus: Wurde jemals die Möglichkeit technischer Alkoholreduktion in Betracht gezogen, wie sie in anderen Ländern praktiziert wird?

Fabrizio Bindocci: „Wir haben nie darüber diskutiert und sehen im Moment keine Notwendigkeit dafür. Die Produzenten sind allerdings für jede Maßnahme offen, solange sie nicht invasiv ist und die Qualität und Typizität des Weins nicht beeinträchtigt.“

wein.plus: Das Weingut Banfi im Süden der Appellation experimentiert zurzeit mit 25 alternativen Rebsorten, darunter eine aus Georgien. Könnte die Einführung von nicht einheimischen Sorten im Produktionsdisziplinar eine mögliche Zukunft für den Brunello sein?

Fabrizio Bindocci: „Jüngste Beratungen mit unseren Mitgliedern haben gezeigt, dass die Winzer den Brunello weiterhin aus 100% Sangiovese erzeugen wollen, wir werden deshalb die Produktionsregeln mittelfristig nicht ändern. Den Weingütern steht es natürlich frei, mit neuen Rebsorten zu experimentieren, die sie für andere Weine verwenden können.“

wein.plus: Der Trend zu Bio-Weinen nimmt allgemein zu. Wie hoch ist der Anteil der biologisch bewirtschafteten Fläche in Montalcino? Im Vergleich zur Nachbarappellation Chianti Classico ist die Zahl der auf dem Markt erhältlichen Bio-Weine eher gering.

Fabrizio Bindocci: „In Montalcino sind etwa 25 Prozent der Weingüter bio-zertifiziert oder befinden sich in Umstellung. Das Anbaugebiet umfasst eine Fläche von insgesamt 24.000 Hektar, von denen sind nur 15 Prozent mit Weinbergen bepflanzt, allein die Hälfte der Fläche besteht aus Wald. Das ist von unschätzbarem Wert für die Biodiversität und den Schutz der Umwelt.“

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