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Einige Tausend Flaschen Wein aus dem vorigen Jahrhundert liegen im Keller von Breuers Rüdesheimer Schloss und viele davon sind für Gäste des Restaurants zu fairen Preisen erhältlich. Einmal im Jahr erlaubt Bernhard Breuer mit seiner Raritätenprobe jedoch auch einen ausführlicheren Einblick in die Qualitäten aus früheren Jahrzehnten. So auch am 14 Februar dieses Jahres, als sich ein kleiner Kreis leidenschaftlicher Weinliebhaber auf dem Schloss traf, um sich zur exzellenten Schlossküche einen Abend lang unter anderem mit den Zeugnissen einer Glanzzeit des Rheingauer Weinbaus zu beschäftigen.

Schloss Rüdesheim

Es begann mit mäßig Altem, einer 94er Rauenthaler Baiken Beerenauslese aus den Kellern des Staatsweinguts, die weniger durch Konzentration, denn mit Eleganz, Reintönigkeit, einem feinen Spiel und großer Länge beeindrückte. Ein wunderbarer Wein aus einem recht schwierigen Jahrgang, der nur in Spitzenlagen wirklich ausreifte (93).

Auch 1964 war nicht eben ein großer Jahrgang. Das Jahr, in dem Martin Luther King den Friedensnobelpreis erhielt während Jean-Paul Sartre jenen für Literatur ablehnte, machte vor allem wegen des damaligen Rekordertrags von im Durchschnitt knapp 105 Hektolitern pro Hektar Schlagzeilen. Auch der Beerenauslese aus dem Hallgartener Schönhell von Carl F. Engelmann ist die großzügige Ernte anzumerken, doch trotz schlanken Körpers und der eher moderaten Süße stand da immer noch ein Wein in bester Trinkreife im Glas: Feine, florale und leicht pflanzliche Pfirsich-Honignase; im Mund klar, schlank, leicht mineralisch, wieder Honig, auch Orangen und zartherbe Würze, nicht wirklich lang, aber sehr schön zu trinken (88).

34er Mariensthaler Hohlweg

Das "Sonnenjahr" 1934 hatte ebenfalls einen Rekordertrag zu bieten, nur waren es damals gerade mal 62 Hektoliter pro Hektar! Es war nichtsdestotrotz ein schwarzes Jahr für den deutschen Weinbauverband - er wurde aufgelöst, doch für den Wein einer der größten des Jahrhunderts. So präsentierte sich auch die Martinsthaler Hohlweg feinste Beerenauslese von eigenen Weinbergen des Handelshauses Schmoelder & Goedecke geradezu zeitlos, mit wunderschönem, tiefem und oxydativem Duft nach welken Blüten, Honig und Dörrobst, einer dicht gewirkten, feinwürzigen Frucht mit traumhafter Säure und perfekter Süße (96). Hatten die ersten beiden Weine noch leichte Schwierigkeiten mit dem zur Serie servierten Blutwurstauflauf, war hier ein idealer Begleiter gefunden.

Bernhard Breuer - ein Liebhaber alter Weine

Zum Tartar vom Reh an Portulak-Salat präsentierte Bernhard Breuer seine vier Lagenrieslinge aus 2002 verdeckt. Der Jahrgang war ideal für Breuer und bescherte ihm wohl eine der besten Serien seiner Laufbahn. Interessanterweise offenbarten sich vor allem die beiden Flaggschiffe Schlossberg und Nonnenberg völlig anders, als ich es erwartet hätte. Während der Rauenthaler Nonnenberg eher verschlossen war, hochkonzentriert, aber mit eingeschnürter Frucht, fast nur aus Mineralik und Struktur bestehend (95), strahlte der Rüdesheimer Schlossberg - ganz anders als noch einige Wochen zuvor - in allen Facetten und bot ein umwerfendes Schauschpiel aus Rasse, Frucht, Tiefe und Konzentration (96). Kaum weniger beeindruckend und ebenso strahlend der Rüdesheimer Berg Roseneck, mit opulenter, betörender Frucht und großartiger Struktur (95). Erheblich zurückhaltender zeigt sich derzeit der Rüdesheimer Berg Rottland, ganz geradlinig, glasklar und straff, mit tiefer Pfirsichfrucht und fester Mineralik (91+).

Die Bachforelle wurde von 3 Weinen aus dem Rauenthaler Nonnenberg begleitet. Der jüngste, ein 90er, stammte wiederum vom Hausherrn selbst. Er präsentierte sich zunächst ungewöhnlich kühl und säurebetont für einen 90er, mit Noten von kandierten Zitrusfrüchten, Cassis und Litschi in der Nase, floralen Aromen und feiner Mineralik. Mit etwas Luftzufuhr schien er sich aufzufüllen: er wirkte nach einigen Minuten stoffiger und tiefer, die Säure verlor deutlich an Pikanz (89). Die 89er Auslese der Bingener Kellerei A. Weigand präsentierte sich oxydativ und ein wenig parfümiert, mit floralen Aromen und Cassis in der Nase, nach getrocknetem Steinobst, Ananas und Cassis am Gaumen, mit etwas Gerbstoff und wieder deutlich ins Parfümierte tendierenden, floralen Aromen (85).

46er Rauenthaler Nonnenberg von Hermann Pabst

  Von Hermann Pabst, einem Düsseldorfer Weingroßhändler mit - damals - eigenem Lagenbesitz in Rauenthal stammte die nun folgende 46er Spätlese, der ihr Alter zwar deutlich anzumerken war, die aber trotz der Medeiranoten in der Nase mit großer Tiefe, Dörrobstaromen sowie Noten von Unterholz, Steinpilzen und Maronen aufwarten konnte und an der Luft noch an Frucht gewann. Ein betörender, dabei inzwischen fast völlig trocken schmeckender Wein aus dem ersten Nachkriegsjahrgang, in dem Volkswagen wieder die Produktion des Käfer und Adenauer den Vorsitz der CDU aufnahm (91).

Es folgte zur Wildbratwurst auf Roter Bete eine ganze Serie aus 1964, einem eher mittelmäßigen Jahr, das jedoch aufgrund seiner präsenten Säure zumindest bei den edelsüßen Weinen reizvolle Ergebnisse hervorbrachte. Erstaunlich war in diesem Zusammenhang wieder einmal die Frische, in der sich selbst die schwächeren dieser ja doch schon 40 Jahre alten Weine präsentierten. Allen Anhängern einer allzu modernen Kellertechnik und einer mathematisch genauen Gärführung, deren Weine oft bereits nach 2 Jahren oder noch früher erste Ermüdungserscheinungen aufweisen, sei eine Probe dieser Weine ans Herz gelegt. Leider hatte schon die erste Flasche einen leichten Korkfehler. dennoch war zumindest erkennbar, welch Finesse und Komplexität in dieser feinen Spätlese "Rosalack" von Schloss Johannisberg steckte. Der potenziell beeindruckenste Wein dieser Serie, aber leider nicht abschließend zu bewerten. Beim Hallgartener Schönhell Cabinet von Fürst Löwenstein deutete schon die glanzhelle Farbe auf eine unglaubliche Jugendlichkeit und Frische hin, die sich auch im Glas bestätigte. Obwohl ganz schlank und filigran, schienen die Jahre an diesem verführerischen Kleinod völlig spurlos vorübergegangen zu sein (89). Auch die Kiedricher Gräfenberg Spätlese Cabinet des Staatsweinguts war schlank, aber auch von deutlich einfacherer, beinahe etwas plumper Art, mit süßen Dörrobstnoten und leichter Firne, nicht lang, aber immerhin noch schön zu trinken und ebenfalls keineswegs zu alt (82). Ebenfalls aus den Kellern des Staatsweinguts stammte die Spätlese aus dem Erbacher Marcobrunn mit einem verführerischen Duft nach Steinobst, Äpfeln, Kandiertem Obst und Honig. Am Gaumen offenbarte er sich als Kind seines Jahrgangs: weich und recht saftig, ohne große Dichte und Tiefe, mit einer zartherben Note, aber wiederum angenehm (und relativ bald) zu trinken (84). Der nächste Wein stammte von Scholl & Hillebrand, dem Vorgänger der Breuer'schen Handelsfirma, der bereits 1910 vom Großvater Bernhard Breuers übernommen wurde. Der Rüdesheimer Berg Roseneck ebenfalls jahrgangstypisch schlank und eher einfach, mit Zitrus- und Rosenduft, Kräuternoten, nur minimaler Süße am Gaumen, aber trotz der eher einfachen Art immer noch klar und frisch (82). Mit dem letzten Wein dieser Serie, einer Hochheimer Kirchenstück Spätlese Cabinet der Staatsweingüter erging es uns nicht anders als mit dem Ersten. Ein Korkschmecker, hinter dem eine vielschichtige und komplexe Aromatik auf einen theoretisch exzellenten Wein schließen ließ. Ein Trauerspiel.

Der erste Wein der nun folgenden Greisen-Serie wiegte die Teilnehmer in trügerischer Sicherheit. Der 44er Hochheimer Stielweg von Commerzienrat Aschrott präsentierte sich vor allem vegetabil in der Nase, mit Noten von Pfirsichen und Lauch. Im Mund dann dem mittelmäßigen Jahrgang entsprechende, schlanke Frucht, knochentrocken und ein wenig mager, im Abgang wieder Lauch (77). Auf das, was dann folgte, war wohl niemand vorbereitet. Der 24er Hochheimer Stielweg des Staatsweinguts hätte ebensogut aus den 80ern stammen können, so unglaublich frisch präsentierte sich dieses Meisterwerk: Hochkomplexer, vollkommen reintöniger Duft nach Pfirsichen, Blüten, Kreuzkümmel, Mineralien und Anis sowie feiner Kräuterwürze. Im Mund glasklar, schlank und feinsaftig, mit eher moderater Süße und eleganter Säure, wahrhaft verwirrende Frische und Vitalität am Gaumen, verspielt, sehr nachhaltig, erst im packenden Abgang machen sich leicht oxydative Noten bemerkbar. Man muss diesen Wein selbst probiert haben um zu glauben, dass etwas so Leichtes und Filigranes ein solches Alter erreichen kann - und das spielend (95)!

Hattenheimer Pfaffenberg 1904

 Noch einmal 20 Jahre drauf setzte der Hattenheimer Pfaffenberg von Schloss Schönborn, dem man seine 100 Jahre vor allem in der Nase zunächst deutlich anmerkte. Ein erster Probeschluck offenbarte dann jedoch keineswegs einen ausgezehrten Wein. Die Dichte und Länge ließen darauf schließen, dass dem Wein nur etwas frische Luft fehlte. Und so war es. Nach wenigen Minuten begann das Bukett aufzublühen und einen tiefen, vielschischtigen Duft nach Gewürzen, roten Beeren, Dörrobst und welken Blüten preiszugeben. Am Gaumen eine herrliche Balance von Dichte und Eleganz, ganz reintönige, feinsaftige Frucht, erstklassige Säure und komplexe Aromatik, so tief wie spannend und mit Luftzufuhr immer noch an Frucht gewinnend. Der Abgang hielt einen Minutenlang in Bann (96). Lebendige Geschichte im wahrsten Sinne. Auch nach dem heißen Sommer 1904 registrierte man eine für damalige Verhältnisse reichliche Ernte - von durchschnittlich 35 Hektoliten per Hektar!

Zu Hase und Kaninchen kamen 3 jüngere Rote aus eigenem Hause auf den Tisch: die "B"-Selektionen des Spätburgunders aus den Jahren 1999, 2000 und 2001. 99 zeigte sich fest gewirkt und gleichzeitig elegant, mit reintöniger Pinot-Frucht, leicht röstigen Noten und mineralischem Rückgrat (88). Sowohl Holz- und Röstaromen als auch die süße Kirsch- und Beerenfrucht waren beim 2000er noch ausgeprägter, dafür konnte er nicht ganz mit der Finesse und Tiefe des Vorgängers mithalten. Ein offenherziger, ausgesprochen harmonischer Spätburgunder, der jetzt viel Freude macht (86). Stammten Breuers Pinot Noirs bislang stets ausschließlich aus Rüdesheimer Lagen, wurde 2001 erstmals auch der Ertrag der neuen, mit französichen Klonen bestockten Flächen im Nonnenberg verwendet. Schon das Bukett ist tiefer und vielschichtiger als bei den Vorgängern, mit Aromen von roten und schwarzen Beeren, Gewürzen und Mineralien. Im Mund jugendlich und sehr saftig, fest gewirkte, glasklare Frucht, am Gaumen mineralisch, ausgezeichnete Struktur und Länge (90+).

 

Vitale Greise

Auch zu Rohmilchkäsen und Dessert (Apfelkuchen und Thymianparfait) wurden Spätburgunder serviert, diesmal jedoch ausnahmslos Edelsüße. Den Anfang machte eine Assmannshäuser Höllenberg Spätburgunder Weißherbst Eiswein Auslese aus 1970, dem Jahrgang, der mit einem Allzeit-Ertragsrekord von 134,2 Hektolitern pro Hektar exemplarisch steht für eine unselige Zeit im deutschen Weinbau, in der Menge weit mehr galt als Qualität und von der sich die Branche bis Heute nicht endgültig kuriert hat. Entsprchend knapp bemessen zeigte sich auch der Wein, schlank, mit animalischen und gemüsigen Noten in der Nase (Leber und Kapern!), etwas kandiertem Obst und zarter Süße, aber auch phenolischen Noten am Gaumen (78). Ganz anders die Erbacher Siegelsberg Spätburgunder Weißherbst Trockenbeerenauslese von Schloss Rheinhartshausen aus dem Botrytisjahr 1976: Sehr tief und konzentriert schon in der Nase, nach Dörrobst, Kandis, Roten Beeren, welken Rosen und etwas Lack. Im Mund dicht, kraftvoll und konzentriert, wieder Kandisnoten, Karamell und Dörrobst, deutliche Mineralität, große Tiefe und Länge, sollte noch eine halbe Ewigkeit halten (94). Auch die 77er Assmannshäuser Höllenberg Spätburgunder Weißherbst Eiswein Beerenauslese des Staatsweinguts hatte Dörrobst, Kandis und Karamell zu bieten, offenbarte aber in der Nase einen deutlich würzigeren und weniger fruchtigen Charakter als der 76er, mit Noten von türkischem Honig, Maronen und Brioche. Am Gaumen wurden die Gegensätze noch größer: zwar klar in der Frucht, war der 77er doch eher schlank, säurebetont und vegetabil, im Hintergrund wieder Kandisnoten, im Abgang spürbare Gerbstoffe. Der komplexe Duft trägt hier maßgeblich zum positiven Gesamteindruck bei (88). Den Abschluss der Verkostung machte nochmal ein Eiswein aus dem Assmannshäuser Hollenberg - diesmal ein 83er - aus den Kellern des Staatsweinguts, der seinen beiden Vorgängern gleicher Herkunft aus den 70ern weit überlegen war: Cremiger, nussig-würziger Duft nach kandiertem Obst und Quarkgebäck. Saftig und süß im Mund, mit feiner Säure, Kandisnoten, wieder Quark und dazu fast marmeladige Frucht am Gaumen, deutliche Eisweincharakteristik, im Hintergrund etwas Honig, ausgezeichnete Tiefe und Länge (91).

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