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Seit dem 19. Jahrhundert werden auf der Niagara-Halbinsel in Kanada Reben kultiviert, und seitdem wird hier auch Wein produziert. Der jetzige Erfolg des Weinbaus in Kanada hatte aber in den 1970-er Jahren seinen Anfang, als ein paar vorausschauende Winzer sich dazu entschlossen, sich der Vitis vinifera zu widmen, und sich nicht mehr auf die Hybridrebsorten und die einheimischen Reben zu beschränken. Diese Pioniere sind das Risiko eingegangen, die Probleme zu lösen, mit europäischen Rebsorten Weine von konstanter Qualität zu produzieren, und sich der Herausforderung des strengen kanadischen Winters zu stellen.

Verkaufsraum des Weingutes Inniskillin bei Niagara-on-the-Lake

Der kanadische Weinbau ist Donald Ziraldo und Karl Kaiser zu Dank verpflichtet, sie pflanzten 1974 im damals so genannten Seeger Weinberg Chardonnayreben an und gründeten 1975 das Weingut Inniskillin. Sie gehören zu den Pionieren, die mit ihren neuen hochwertigen Weinen die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit auf die Entwicklung im kanadischen Weinbau gelenkt haben. Heute konzentriert sich das Weingut Inniskillin auf Eiswein (Icewine), der aus den Rebsorten Vidal, Cabernet Franc und Riesling gewonnen wird.

Im Freien stehende Korbpressen für Eiswein bei Inniskillin

Die deutsche Verbindung

Ein deutliches Zeichen des Erfolgs auf der Niagara-Halbinsel ist bei der Produktion hochwertiger Rieslingweine zu sehen, sowohl Tafelweine als auch Eisweine. Ein findiger Weinjournalist, viel cleverer als ich es bin, hat dafür den Namen ”Niagara Pfalz” gefunden (Anmerkung d. Übersetzers: im Englischen klingen ”Pfalz” und „Falls”, also die Niagarafälle, sehr ähnlich).

Der Erfolg des Rieslings in Kanada hat seine Wurzeln in der Alten Welt. Zunächst gab es da eine ganze Reihe Deutscher, die in den späten Siebziger und frühen Achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts nach Kanada ausgewandert sind, und dort angefangen haben, Wein zu produzieren. Dabei war derjenige, der den größten Eindruck in der Region hinterlassen hat, sicherlich Hermann Weis vom Weingut St. Urbanshof an der Mosel. Er ist allerdings später nach Deutschland zurückgekehrt. Zusätzlich zu seinen Weinbergen und dem Weingut in Deutschland war Weis auch ein Rebenzüchter, der sich auf Rieslingreben spezialisiert hatte. In den Siebziger Jahren hat Weis das Potenzial für Riesling in Kanada erkannt, und hat damit angefangen, Reben an Winzer im Okanagan Valley und auf der Niagara-Halbinsel zu exportieren. Damals haben viele, die Reben von Weis gekauft haben, ihre Trauben an größere Weinkellereien verkauft, die oftmals den neuen Riesling einfach mit den einheimischen und Hybridrebsorten verschnitten haben, die mengenmäßig viel größer waren, und in den Verschnitten dominierten. Das Ergebnis war, natürlich, die Produktion von noch mehr schlechtem Wein, der hinzugefügte Riesling hat keinen Mehrwert geschaffen. Das führte dazu, dass es keinen Anreiz gab, die neue Rebsorte anzupflanzen, und es half auch nicht dem Rebzuchtgeschäft von Herrn Weis. 1980 war es dann so weit, dass Weis sich entschloß, selbst in Kanada Riesling anzupflanzen, um zu demonstrieren wie die Rebsorte kommerziell sinnvoll kultiviert werden konnte, um daraus hochwertige sortenreine Weine zu gewinnen. Er kaufte 1979 das Landgut Moyer in Vineland, Ontario, (im Herzen der Niagara-Halbinsel, in einem Unterbereich, der heute als Twenty Mile Bench bekannt ist), dort pflanzte er 40 Hektar Riesling in drei getrennten Parzellen an. Das war damals die größte Einzelpflanzung von Riesling in ganz Nordamerika, und das erste Mal, dass sich jemand in Kanada so entschlossen hinter den Riesling gestellt hatte. Er verkaufte die Trauben an mehrere Kellereien in der Gegend, die daraus resultierenden Weine ähnelten aber eher der Liebfraumilch (damals der führende Einfluß in Nordamerika in Sachen einfacher, massenproduzierter deutscher Weine) als einem hochwertigen deutschen Riesling. Weis war von den Ergebnissen enttäuscht, und begann im Jahre 1984 auf dem Moyergut selbst Wein aus seinen eigenen Trauben herzustellen, und nannte den Betrieb fortan Vineland Estates.

Das Unternehmen von Weis hatte eine zweifache Wirkung: es hat bewiesen, dass man auf der Niagara-Halbinsel Riesling in kommerziellem Umfang produzieren kann, dass der Riesling hierfür geeignet ist, und es diente auch als Modell für andere kommerzielle Winzer und Kellermeister, die schon bald seinem Vorbild folgten. Schon 1988 war die Niagara-Halbinsel für ihren guten Riesling bekannt.

Obwohl der Riesling keineswegs bei allen Weingütern die Produktion dominiert, so scheint es doch die Rebsorte zu sein, die zusammen mit dem Chardonnay fast bei allen Weingütern der Niagara-Halbinsel zu finden ist.

Herman Weis hat Vineland Estates 1992 verkauft, aber die Weinberge und das Weingut produzieren weiterhin gute Weine, viele davon stammen noch von den ursprünglichen Rieslingreben, die Weis selbst gepflanzt hat. Heute sieht Vineland Estates etwas anders aus als in seinen bescheidenen Anfangsjahren, es ist erheblich gewachsen. Heute gibt es hier ein sehr gutes Restaurant, und eine breite Palette sehr guter Weine wird produziert, dazu gehören Riesling, Sauvignon Blanc, Cabernet Franc und Gamay. Ich habe bei meinem Besuch auf dem Weingut einen 1989er Vineland Estate Riesling verkostet, der noch aus der Ära Weis stammte. Der Weine hatte eine elegante Altersnote, mit komplexem Aroma, sehr präsenter Säure und einem Petrolton.

Allan Schmidt% Geschäftsführer von  Vineland Estates% neben einer Gedenktafel zu Ehren von Hermann Weis

Es erscheint fast als ob die charmante Kleinstadt Jordan in Ontario, am Twenty Mile Creek gelegen, um die Kellerei Cave Spring Cellars herum gebaut ist. Die Kellerei ist in den umgebauten Gebäuden einer älteren Kellerei untergebracht, die hier vor zwei Generationen bestand. (Die Gebäude gehörten ehemals der Jordan and Ste. Michelle Winery, und datieren aus dem Jahre 1871.) Dort ist jetzt die Firma Cave Spring Cellars beheimatet. Dazu gehören ein Verkostungsraum, Weinladen, ein Restaurant, Inn on the Twenty und eine Galerie. Die Weinberge liegen ein paar Kilometer entfernt auf einigen der besten Parzellen der Beamsville Bench, einer Unterappellation der Niagara-Halbinsel. Die Idee für das Konzept von Cave Spring Cellars hatte John T. Pennachetti, der aber verstarb noch ehe der erste Jahrgang geerntet wurde. Seine Söhne, Len and Tom, haben das Projekt mit viel Begeisterung weiter verfolgt, und leiten heute zusammen mit dem Kellermeister Angelo Pavan den Betrieb. Bei Cave Spring Cellars konzentriert man sich besonders auf hochwertigen Riesling, der in zwei Qualitäten angeboten wird, VQA Niagara Peninsula, und VQA Estate Bottled (Gutsabfüllung). Auch bei Cave Spring Cellars ist der Einfluss von Hermann Weis unverkennbar zu spüren. Anne Weis, die Tochter von Hermann Weis, kam in den späten Achtziger Jahren aus Deutschland nach Kanada, um auf dem Weingut ihres Vaters zu arbeiten. Im Jahre 1996 heiratete sie Tom Pennachetti, den Vizepräsidenten und Miteigentümer von Cave Springs Cellars.

Der Estate Riesling von Cave Spring Cellars ist einer der besten Rieslingweine in ganz Nordamerika. Das Weingut produziert auch sehr gute Weine aus Chardonnay, Gamay und Pinot Noir.

Bei Cave Spring Cellars in Jordan% Ontario% (v.l.n.r.)Tom Pennachetti% Kellermeister Angelo Pavan% Len Pennachetti

Martin Malivoire hat ursprünglich in der Kinobranche an Spezialeffekten gearbeitet, er begann 1995 damit, auf der Niagara-Halbinsel Weinberge zu kaufen. Heute ist die Malivoire Wine Company in einem neuen, hübsch gestalteten Kellereikomplex in Beamsville untergebracht. Im Keller wird alles der Schwerkraft überlassen, die derzeitige Produktion liegt bei rund 10.000 Kisten jährlich, wobei die potenzielle Kapazität etwa 20.000 Kisten beträgt. Hier scheint der Haupteinfluß aus dem Elsaß zu stammen, die Reben sind auf der Beamsville Bench angepflanzt, es wird biologischer Weinbau betrieben, der Hauptfokus liegt auf Pinot Gris, Gewürztraminer und Pinot Noir. Es wird auch etwas Riesling kultiviert, aber als ich danach fragte, sagte man mir ”Hier gibt es schon genug Riesling.” Der Gewürztraminer ist ganz deutlich die Stärke von Herrn Malivoire, ich kann den Wein nur wärmstens empfehlen. Der 2004er Malivoire Wine Company Gewürztraminer hat einen eleganten Sortencharakter mit opulentem Litschiaroma, guter Tiefe und einer komplexen Struktur.

Malivoire Wine Company% Beamsville% Ontario

Die französische Verbindung

Le Clos Jordanne ist ein Weingut, dass in einer Kategorie für sich steht. Der Betrieb ist so dezidiert französisch dass die Mitarbeiter bei meinem Besuch Schwierigkeiten hatten, irgendwelche schriftlichen Informationen in englischer Sprache zu finden. Mir wurde erzählt, dass manche englischsprachige Ortsbewohner das Weingut scherzhaft ”Close to Jordan” nennen, also in der Nähe von JordanJordan ist der charmante Ort, in dessen Nähe das Weingut gelegen ist.

Thomas Bachelder% Kellermeister bei Les Clos Jordanne% Jordan% Ontario
Le Clos Jordanne ist ein Nobelexperiment, mit dem Ziel vor Augen auf der Niagara-Halbinsel in Kanada die besten Weine aus Pinot Noir und Chardonnay im burgundischen Stil zu produzieren, in einer Qualität, die den Grand Crus im Burgund entspricht. Die Strategie liegt anscheinend darin, dass man Weine von so hoher Qualität produziert, dass die Welt einfach aufmerksam werden muss, und die Weine nicht ignorieren kann. Ein solches Unternehmen habe ich noch nicht oft gesehen. Es ist natürlich ein großes Unternehmen, das auch erhebliche Ressourcen benötigt, die wohl den Eigentümern zur Verfügung stehen. Die Eigentümer sind ein Zusammenschluß aus Boisset, La Famille des Grands Vins et Spiritueux faus dem Burgund und der Vincor Corporation, einer Tochtergesellschaft von Constellation Brands (die größte Weinfirma der Welt, Eigentümer von Inniskillin und Robert Mondavi Winery, um nur ein paar der Firmen zu nennen). Im Jahre 2000 kaufte und bepflanzte die Partnerschaft 52 Hektar in vier Parzellen auf der Jordan Bench. Bei den Reben handelt es sich um ganz normale burgundische Klone von Pinot Noir und Chardonnay. Die Weinberge sind dicht bestockt, man betreibt biologischen Anbau, mit sehr niedrigen Erträgen von etwa 4 Tonnen pro Hektar.

Der Kellermeister Thomas Bachelder stammt aus Quebec, und hat im Burgund praktische Erfahrung gesammelt.

Ich habe mit ihm zusammen auf dem Weingut Fassproben des Jahrgangs 2004 verkostet. Die Chardonnays waren sehr gut. Die Pinot Noirs, nach Lagen getrennt vinifiziert, waren auf Augenhöhe mit sehr guten Premier Crus, und zum Teil auch mit Grand Crus aus dem Burgund. Es waren ohne Zweifel die besten Pinot Noirs, die ich in Nordamerika verkostet habe.

Die wählerischen Kanadier

Paul Bosc ist außerhalb Kanadas sicherlich weniger bekannt als die Gründer von Inniskillin und Herman Weis, aber auch er hatte einen frühen und erheblichen Einfluß auf die Entstehung des heutigen modernen Weinbaus auf der Niagara-Halbinsel.

Trauben warten auf die Eisweinernte bei Château des Charmes

Paul Bosc kam im Jahre 1963 nach Kanada, und bekam einen Arbeitsplatz beim Quebec Liquor Board (Alkoholrat der Provinz), wo er für $1.25 pro Stunde fehlerhafte Weine dekantierte. Bosc ist Franzose, er hatte im Burgund eine Lehre als Kellermeister absolviert, und hatte in Algerien eine Genossenschaft geleitet, ehe das Land seine Unabhängigkeit von Frankreich erhielt. 1964 erhielt er ein Angebot von der kanadischen Weinfirma Chateau Gai, die hauptsächlich aus französischen Hybridsorten Weine herstellte. Er wurde schließlich dort leitender Kellermeister und Direktor für Forschung und Entwicklung. Allerdings war Bosc nicht von der Meinung abzubringen, dass die besten Weine aus den klassischen europäischen Rebsorten hergestellt werden. Im Jahre 1978 hat er dann Château Gai verlassen und pflanzte 24 Hekter Vitis-vinifera-Reben in der Nähe von St. David’s, nur wenige Kilometer von den Niagarafällen entfernt. Bosc ist das Risiko eingegangen, trotz des weit verbreiteten Glaubens, dass die europäischen Rebsorten den strengen kanadischen Winter nicht überstehen würden. Er nannte sein neues Weingut Château des Charmes und begann mit einem Testprogramm sowie mit gnadenlosen Experimenten in Sachen Weinbau, was ihn schließlich sowohl mit alten als auch mit Neuen Rebsorten zum Erfolg führte. Er entwickelte seinen eigenen Gamay-Klon (den er Gamay Droit nennt) und erzielte auch Erfolg mit einer Cuvée, die man in einem solch kühlen Klima selten sieht, einer klassischen Cuvée namens Equuleus aus Cabernet Sauvignon, Merlot und Cabernet Franc. Er hat mit Erziehungssystemen sowie mit Rebschnittvarianten experimentiert, um die für die Region besten Lösungen zu finden, und hat seit einiger Zeit auch fünfzehn Meter hohe, mit Gas angetriebene Windräder aufgestellt, die warme Luft nach unten auf die Reben blasen, um diese vor der Kälte des Winters zu schützen. Bosc ist heute 72, und scheint einen Fuß in beiden Welten zu haben. Ich habe einen Tag mit ihm verbracht, wir verkosteten Weine, redeten über Wein und sind durch seine Weinberge gefahren.

Paul-André Bosc (links) und Paul Bosc Sen.% Gründer von Château des Charmes% St. David’s% Ontario

Paul Bosc ist ein Unikum; trotz seiner langen Berufslaufbahn im Weingeschäft hat er immer noch eine ganz gezielte Vision was den Weinbau und die Weinproduktion angeht, kombiniert mit seiner Leidenschaft und Vorstellungsvermögen, wie gute Weine gemacht werden sollten. Sein Sohn Paul Bosc, Jun. fasst die Einsicht seines Vaters, die wohl auf viele zutrifft, die auf der Niagara-Halbinsel Reben kultivieren und Weine produzieren, so zusammen: ”Kanada ist ein Land, das diejenigen bestraft, die nicht sehr sorgfältig arbeiten. Es belohnt diejenigen, die auf jedes Detail achten, und die bereit sind, hart zu arbeiten”.

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