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Prof. Dr. Randolf Kauer Prof. Dr. Randolf Kauer ist Professor für ökologischen Weinbau an der Hochschule Geisenheim und Winzer in Bacharach am Mittelrhein. Gemeinsam mit Dr. Johanna Döring und weiteren Wissenschaftlern betreut Kauer seit 2006 einen Vergleichsversuch des biologischen, biodynamischen und integrierten Anbaus. Die Erkenntnisse zeigen: Bio-Weinbau kann die Antwort auf Trockenstress sein. Das Problem von Pilzkrankheiten besteht aber weiterhin.

Seit 16 Jahren untersuchen die Geisenheimer Forscher in einem Versuch mit vier Feldwiederholungen Parzellen, die - streng voneinander getrennt - konventionell nach integrierten Richtlinien, bio-organisch und bio-dynamisch bewirtschaftet werden. Zwischen den letzteren beiden Varianten besteht der Unterschied vor allem in der Anwendung der biodynamischen Präparate Hornmist und Hornkiesel und der Kompostpräparate. Die Begrünungsmischungen in den Bio-Varianten sind die gleichen - und vielfältiger als die von Gräsern dominierte Mischung der integrierten Parzelle. Schon kurz nach Beginn des Versuchs zeigten beide Bio-Varianten geringere Wüchsigkeit und Erträge. Geringere Holzerträge sind dabei erwünscht, weil sie eine lockere und luftige Laubwand schaffen.

Bio passt sich besser an die Trockenheit an.

Einige Jahre nach der abgeschlossenen Umstellung fielen den Forschern weitere Effekte auf: Veränderungen im Boden, Einlagerung von organischen Kohlenstoffen, Enzym-Aktivität, Zusammensetzung der Lebensgemeinschaften. In den vier heißen und trockenen Jahrgängen nach 2017 (mit Ausnahme von 2021) „traten Veränderungen auf, die wir so nicht erwartet und auch noch nicht beobachtet hatten. Sie haben mit der Reaktion der unterschiedlichen Systeme auf die Trockenheit zu tun“, erklärt Dr. Johanna Döring. So glichen sich die Erträge der integrierten und den Bio-Varianten einander an, die vorher im integrierten Anbau stets höher gewesen waren (s. Abb). 2018, 2019 und 2020 hatten die Bioflächen teilweise sogar höhere Erträge. „2018 waren wir noch überrascht, mittlerweile sind wir überzeugt, dass das keine Zufälle sind und sich diese Systeme besser an die Trockenheit angepasst haben. Irgendetwas führt dazu, dass sich die ökologischen Varianten anders verhalten als die konventionellen“, stellt Dr. Döring fest. Zudem untersuchten sie Zellwandfestigkeit und Robustheit der Pflanzen gegenüber niedrigen Wasserpotenzialen. Beide waren in den Bio-Varianten signifikant erhöht. Kauer resümiert die Erkenntnisse: „Die Hinweise verfestigen sich, dass Bio-Bewirtschaftung einen besseren Umgang mit Trockenstress erlaubt. Die Pflanzen passen sich durch die Etablierung der vielartigen Begrünungen offenbar über einen längeren Zeitraum besser an die Trockenheit an.“

Döring et al.

Die Erträge der drei Varianten im Vergleich. Grün: Biodynamisch, Blau: integriert, Gelb: bio-organisch

Erträge sind das eine, Qualität das andere. Die Stickstoffversorgung, die essentiell für die Entwicklung der Aromen und die Hefeernährung ist, ist im Bio-Anbau durch den Eintrag der leguminosenreichen Begrünungen besser Auch ist die Phenolbildung in den Öko-Varianten höher, was Prof. Kauer mit der durchlässigeren Struktur der Laubwände erklärt: „Die Trauben bilden mehr Flavonole in den Beerenschalen, weil sie besser belichtet sind.“ Insgesamt unterschied sich die Zuckerproduktion und damit die potenzielle Alkoholausbeute in den Bio-Varianten nicht vom integrierten Anbau. Diesen Effekt haben bereits viele weitere Bio-Winzer bestätigt.

Piwis sind gefragt

Dr. Johanna Döring
©Steffen Böttcher

Ist Bio-Anbau also die Rettung? Kauer hat klare Vorstellungen: „Um den Green Deal der EU bezüglich Reduktion der Pflanzenschutzmittel umzusetzen, kommen wir nur voran, wenn wir stark auf Piwi-Sorten setzen.“ Bei den Züchtungen sei man viel schneller geworden, da die Lage der Resistenzgene auf den Chromosomen bekannt sei. Das müsse man nicht mehr jahrelang in Feldversuchen prüfen. „Den großen Sprung kriegen wir jedenfalls nur mit Piwis hin. Zusätzlich können wir mit ihnen auch den Kupfereinsatz deutlich zurückfahren, was absolut notwendig ist. Der Einsatz von Piwi-Sorten geht aber zu langsam vor sich, auch wenn derzeit das Pflanzmaterial so gut wie ausverkauft ist.“ Zudem verspricht er sich viel von individuellem Begrünungsmanagement. „Das ist natürlich stark von der Wasserversorgung abhängig. In Spanien zum Beispiel werde ich kaum eine durchgehende Begrünung im Sommer erhalten können, dafür im Winter. So bekomme ich auch dort den Stickstoffeintrag in den Boden. Die Faktoren Biodiversität und Stickstoffversorgung der Reben spielen eine große Rolle. Magerrasen und Grasbegrünungen sind schön und gut, können aber diese Effekte nicht leisten. Da hat man bereits und kann man auch in Zukunft viel vom Bio-Weinbau in den konventionellen übernehmen.“

Johanna Döring greift ein manchmal gehörtes Argument auf: „ Manche denken sich: Der integrierte Anbau hat einen höheren Ertrag. Also mache ich auf 80 Prozent meiner Fläche integrierten Anbau und 20 Prozent lasse ich brach liegen und widme sie der Biodiversität. Doch wir können aus unseren Beobachtungen ableiten, dass die integrierte Variante unter Wassermangel den Ertragsvorteil zu verspielen scheint, denn die Ertragsunterschiede bestehen in trockenen Jahren nicht mehr. In vielen Parametern zur Untersuchung Biodiversität, Flora und Fauna haben liegen die Öko-Varianten eindeutig vorne – hauptsächlich aufgrund der vielartigen Begrünung.“

Bio-Weinbau gibt es nicht umsonst.

Randolf Kauer sieht als Wissenschaftler und Praktiker auch die Nachteile der Bio-Bewirtschaftung. „Der falsche Mehltau setzt uns Grenzen. Die Bekämpfung dieser Kernkrankheit mit Kupfer ist unabdingbar. Nur in ganz wenigen Standorten kommt man ohne Kupfer aus. Wenn wir immer trockene Jahre hätten, würde es Bio voranbringen, aber feuchte Jahre wie 2016 und 2021 bringen enorme Ertragseinbußen mit sich. Man muss sich bewusst sein, dass es solche Verhältnisse auch mehrere Jahre hintereinander geben kann, und das muss man wirtschaftlich durchhalten können.“ Dazu käme der höhere Arbeitsaufwand und die nötige Schlagkraft beim Rebenschutz. „Wenn man nicht schnell auf bestimmte Wettersituationen reagieren kann, wird es schwierig. Dafür braucht man Arbeitskräfte. Bio-Anbau gibt es nicht umsonst. Er hat für uns alle große Vorteile, aber für den einzelnen Betrieb ist er erstmal mit einer Kostensteigerung verbunden, die er einpreisen muss. Bio ist schön, aber man muss auch davon leben können.“ Trotzdem möchte er seine Winzerkollegen animieren, Bio-Bewirtschaftung zu versuchen: „Habt den Mut, auf Bio umzustellen! Macht die Erfahrungen, auch wenn sie manchmal negativ sind. Bio-Bewirtschaftung erfordert eine große Nähe zum Boden, zur Pflanze, zum Wetter, zum Ökosystem, und diese Erfahrung kann sehr bereichernd sein. Wir sehen das immer größer werdende Interesse dafür bei unseren Studierenden. Ich wünsche meinen Kollegen, dass sie sich dem öffnen, denn die Nachfrage des Marktes treibt uns immer mehr in diese Richtung.“

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