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Noch vor 30 Jahren wurden Biowinzer als körnerfressende Spinner belächelt, ihre Weine besaßen einen oft zweifelhaften Ruf. Heute gehören viele Bioweine zur Weltspitze und immer mehr Weintrinker legen besonderen Wert darauf, dass das Ökosystem Weinberg nicht ausgebeutet, sondern geschützt wird. Seit vielen Jahren steigt die Nachfrage nach Bioweinen, vor allem in Deutschland. Laut aktuellen Zahlen der Nürnberger Messe BioFach, stieg die Biowein-Produktion seit 2013 allein in den drei größten weinproduzierenden Ländern Spanien, Frankreich und Italien um mehr als 70 Prozent. Der Anteil der bio-zertifizierten Rebfläche in Europa insgesamt wuchs seit 2008 um das 3,4-Fache auf 9,5 Prozent. Ein positiver, ja wichtiger Trend, aus unserer Sicht.

Italien an der Spitze

Obwohl die Italiener selbst nicht gerade besonders viel Biowein trinken, weist Italien mit 15,9 Prozent den höchsten Anteil an der weltweiten Bio-Rebfläche auf, Tendenz steigend. Rund 90 Prozent des italienischen Bioweins werden exportiert. Für viele Weingüter ist das Bio-Label mittlerweile ein wichtiges Verkaufsargument geworden.

Dabei ist die Zertifizierung für italienische Bio-Landwirte mit extremem bürokratischem Aufwand und hohen Kosten verbunden, sodass viele Betriebe, die biologisch arbeiten, leider immer noch auf die offizielle Anerkennung verzichten. Vicky Schmitt vom Chianti-Classico-Weingut Le Fonti kann das nur bestätigen: „In Italien ist die Bio-Zertifizierung eine nervenaufreibende Sache, vor der sich viele scheuen. Auch wir haben fast zehn Jahre lang biologisch gearbeitet, bevor wir uns 2014 endlich dazu durchgerungen haben, die Weinberge offiziell zertifizieren zu lassen.

Raffaella Usai

 

Umso erfreulicher ist es, dass viele von Vicky Schmitts Winzer-Kollegen in den letzten Jahren ebenfalls diesen Schritt gegangen sind. So ist das Anbaugebiet für Chianti Classico mit rund 40 Prozent bio-zertifizierter Rebfläche eine der Vorzeige-Appellationen für Bio-Weinbau in Italien geworden. Im nationalen Vergleich liegt das historische, zwischen Florenz und Siena gelegene Weinbaugebiet, ganz weit vorne (nur die Franciacorta in der Lombardei weist mit 60 Prozent bio-zertifizierten Weinbergen einen noch beeindruckenden Wert auf).

Giovanni Manetti, aktueller Präsident des Chianti-Classico-Konsortiums, ist stolz auf diese Vorreiterrolle. „Es ist ein großer Mehrwert sowohl für die Winzer selbst als auch für die Konsumenten, dass wir unser Anbaugebiet und seine Biodiversität bestmöglich schützen. In den letzten zwanzig Jahren sind immer mehr Weingüter unserer Appellation auf den Zug aufgesprungen, weil auch sie die Vorteile erkannt haben.

Raffaella Usai

Panzano gab den Startschuss

Begonnen hat die Bio-Revolution in Panzano, einem Ortsteil der Gemeinde Greve in Chianti. Bereits 1995 gründeten die dort ansässigen Winzer die Vereinigung „L’Unione Viticoltori di Panzano in Chianti“ mit dem Ziel, die ökologische Landwirtschaft voranzutreiben. 2008 wurde in Panzano die private Forschungsstation für nachhaltigen Weinbau Spevis ins Leben gerufen, deren Leiter Ruggero Mazzilli die Weingüter bereits seit 2005 mit Rat und Tat unterstützt.

Neben der Beratung bei der Umstellung auf biologische Bewirtschaftung versorgt Spevis die Winzer über seine Monitoring-Dienste mit aktuellen Hinweisen für den präventiven Pflanzenschutz. Darüber hinaus testet und entwickelt die Spevis in Versuchsweinbergen neue Anbautechniken und Produkte.

Auch Vicky Schmitts Weingut liegt in Panzano. Sie ist von der Arbeit Mazzillis begeistert: „Ohne die Unterstützung der Spevis hätten wir Winzer es nicht geschafft, dass heute 90 Prozent aller Weinberge in Panzano biologisch bewirtschaftet werden. Dank der Forschungsstation können wir immer rechtzeitig auf Probleme im Weinberg reagieren.

Von Panzano aus hat sich der Bio-Trend auch auf andere Gemeinden des Anbaugebiets ausgeweitet: Castellina in Chianti, Gaiole in Chianti, Radda in Chianti, Castelnuovo Berardenga und San Casciano Val di Pesa. Auf Initiative der Bio-Bauern haben sich diese Gemeinden im Jahr 2016 zum sogenannten Biodistretto del Chianti zusammengetan. Dieser gesetzlich reglementierte Bio-Bezirk ist ein Zusammenschluss von Bio-Landwirten, Agronomen, Geschäften, Restaurants und Endverbrauchern, die sich gemeinsam für eine ökologische Landwirtschaft und Lebensweise in ihrer Region stark machen.

Giovanni Manetti (Präsident Konsortium): „Immer mehr Winzer streben heute ein ökologisches Gleichgewicht im Weinberg an und verpflichten sich, Eingriffe in die Natur und deren negative Folgen zu reduzieren. Die große Herausforderung ist es, eine gemeinsame Strategie für alle Landwirtschaftszweige zu koordinieren. Ich bin zuversichtlich, dass das gelingen wird, denn das Bewusstsein der Bauern hat sich gewandelt, das zeigt sich deutlich an den kontinuierlichen Wachstumsraten der Bio-Anbaufläche unserer Region.

Von Ruggero Mazzilli möchte ich wissen, inwiefern der Klimawandel die biologische Landwirtschaft beeinflusst hat: „In mancher Hinsicht hat der Klimawandel die biologische Landwirtschaft leichter gemacht, jedoch hat er für alle Winzer viele andere, neue Probleme geschaffen. Ich bin aber überzeugt, dass biologisch arbeitende Winzer am Ende besser auf unvorhergesehene Wetterereignisse vorbereitet sind, weil sie, bedingt durch die spezielle Wirtschaftsweise, aufmerksamer und umsichtiger mit ihren Weinbergen umgehen.

 

Raffaella Usai

Herausforderung Bio?

In der Tat muss ein Biowinzer seine Arbeit im Weinberg sehr viel vorausschauender und individueller gestalten als ein konventionell arbeitender, da er in erster Linie vorbeugende Arbeit leistet. Dazu gehören neben der ökologischen Pflanzenpflege die vielfältigen Maßnahmen zur Erhaltung und Verbesserung der Bodenlebendigkeit, um die natürliche Widerstandsfähigkeit der Reben zu erhöhen. Anstelle einer leblosen Monokultur wird ein intaktes Ökosystem mit großer Biodiversität angestrebt, das sich nicht zuletzt auf die Rebengesundheit und die Traubenqualität auswirkt.

Im Bio-Weinbau gibt es keine Standardantwort. Das agronomische Können des Winzers ist gefragt, denn er kann nicht auf kurative systemische Mittel zurückgreifen, die das auftretende Problem lösen. Auf den ersten Blick scheint der konventionelle Anbau wesentlich leichter zu sein: ein Problem, eine Antwort. Ist das der Grund, warum sich viele immer noch schwer damit tun, auf Bio umzustellen?

Ruggero Mazzilli (Spevis) ist überzeugt, dass sich die anfängliche Mehrarbeit auszahlt: „Natürlich muss ein Winzer nach der Umstellung erst einmal lernen, mit den neuen Herausforderungen umzugehen. Aber wenn er es verinnerlicht hat, wird er viele Vorteile bemerken. Unter anderem ist die Lebenszeit eines biologisch bewirtschafteten Weinbergs wesentlich länger und dies spart wiederum Kosten.

Für Winzerin Vicky Schmitt (Le Fonti) bedeutet Bio vor allen Dingen auch gesundheitliche Vorteile: „Ein wichtiger Grund für die Umstellung war, dass wir die Gesundheit unserer Familie und Mitarbeiter nicht länger aufs Spiel setzen und jederzeit guten Gewissens Trauben aus dem Weinberg probieren wollten.

 

Website der Europäischen Kommission

Kleine Historie des Bioweins

Wenn wir heutzutage so selbstverständlich von Biowein sprechen, sollten wir uns bewusst sein, dass diese Bezeichnung in Europa einen langen, hart umkämpften Weg hinter sich hat. Er begann bereits 1991 mit der ersten europäischen Verordnung über den ökologischen Landbau und die Herstellung von ökologischen Lebensmitteln. Die Verordnung ermöglichte es, „Wein aus Trauben aus ökologischem Anbau“ zu verkaufen, (die Bezeichnung „Biowein“ war damals noch nicht erlaubt). In den darauffolgenden Jahren nahmen der ökologische Weinanbau und die ökologische Kellerwirtschaft kontinuierlich zu. Vorreiter waren anfangs deutsche und österreichische Winzer, andere Länder folgten zögerlich, holten aber schnell auf.

Zwar wurde die Herstellung von Biowein durch privatrechtliche Normen und Richtlinien wie beispielsweise von Bioland®, Ecovin® oder Demeter® geregelt, die Weinhersteller drängten jedoch zunehmend auf die Verabschiedung einer gemeinsamen Verordnung.

Tatsächlich mussten die europäischen Biowinzer bis 2012 warten, um einheitlich zertifizierten, nach EU-Standards reglementierten Biowein auf den Markt bringen zu dürfen, der nun endlich auch als Biowein bezeichnet werden durfte. Uneinigkeit herrschte im Vorfeld insbesondere in Bezug auf die Grenzwerte für Schwefeldioxid zur Weinstabilisierung. Vor allem Deutschland und Österreich wehrten sich gegen eine allgemeine Absenkung der Schwefelwerte um 50 Milligramm pro Liter für Bioweine, während die Mittelmeerstaaten auf generell tieferen Schwefelwerten beharrten. Eine Lösung wurde erst gefunden, als die Weinkategorien neu geordnet und über den Restzuckergehalt definiert wurden, so dass für die einzelnen Kategorien unterschiedliche Schwefelgrenzwerte festgelegt werden konnten: Die Sulfit-Höchstwerte für Bioweine mit weniger als zwei Gramm Restzucker pro Liter liegen um 50 Milligramm tiefer als bei konventionellen Weinen (Rotwein: 100 statt 150 mg/l, Weißwein: 150 statt 200 mg/l). Beträgt der Restzuckergehalt mehr als zwei Gramm pro Liter darf der Gesamtschwefelgehalt 20 Milligramm höher sein (120 mg/l für Rot- und 170 mg/l für Weißwein). Diese Regelung kam den deutschen und österreichischen Winzern mit ihren oft etwas restsüßeren Weinen entgegen, ohne die südeuropäischen Weinbauern zu benachteiligen. Die Werte sind bis heute gültig.

Für umweltbewusste Weintrinker hat wein.plus übrigens schon seit vielen Jahren die Suchfunktion Biowein eingeführt. Suchen Sie selbst!

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