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In nur wenigen Jahren hat sich der Sauvignon Blanc in Deutschland zu einer regelrechten Modesorte entwickelt. Inzwischen werden von mehr als 500 Produzenten weit über 500 Hektar Sauvignon kultiviert. Für Puristen ist die Sorte jedoch häufig ein Ärgernis, ein Fremdkörper im deutschen Sortenspiegel. Ihnen ist nicht bewusst, in welcher Tradition sie steht. Denn die einst populäre Rebsorte wurde erst durch die Nazis von deutschen Rebflächen verbannt, weil sie als undeutsch und „Feindsorte“ galt. Schon seit mindestens 300 Jahren wird der Sauvignon – meist unter dem Namen Muskatsylvaner – in Deutschland angebaut. Besonders in Baden und auch in Franken war Sauvignon hoch geschätzt, und zumindest eine Theorie besagt, dass die mit Traminer und Chenin Blanc eng verwandte Traube von Großmähren erst nach Franken und von dort aus nach Frankreich gekommen ist.

 

Sauvignon Blanc zählt zu den so genannten "Cépages nobles"% den edlen Rebsorten der Welt. (Foto: DWI)

Auch wenn der Sauvignon ein relativ gut definierbares Aromenprofil besitzt (es reicht von Gras über Kräuter, grüne Beeren, Kernobst sowie Paprika und manchmal auch anderes grünes Gemüse bis zu Holunderblüten und -beeren), weisen seine Weine je nach Herkunft und Winzerphilosophie doch erhebliche Unterschiede auf, und es herrscht unter Weinfreunden bisweilen durchaus Uneinigkeit, wenn nicht sogar Streit darüber, wie der „wahre“ Sauvignon zu schmecken hat.

Am unteren Ende der Reifeskala steht die extrem grüne, gras- und säurebetonte, aromatisch oft ziemlich laute Version. Sie ist bei manchen Sauvignon-Enthusiasten ausgesprochen beliebt, vermutlich weil diese Weine kaum verwechselbar sind und ihre plakative Aromatik den Weintrinker schon aus dem Glas anspringt. Nur kann man es drehen und wenden, wie man will: Man hat Wein aus unreifen Trauben im Glas, der den Qualitäten der Sorte kaum gerecht wird.

Aus reifen, gesunden Trauben entsteht bei nicht zu später Lese und vor allem in kühleren Lagen ein überaus anregender, lebhafter, bisweilen sogar rassiger Wein, dessen Aromen zwar immer noch überwiegend grün, aber eben nicht mehr unreif und laut erscheinen, sondern vielmehr fein, kräuterig-grasig und elegant-fruchtig. Die lauten Aromen der unreifen Version weichen dezent floralen, an Holunderblüten erinnernden Aromen und den ebenfalls recht charakteristischen Noten der Holunderbeere. Selbst recht kräftige Exemplare können aufgrund ihrer speziellen Aromatik und der vitalen Säure noch immer kühl und animierend wirken. Das klassische Vorbild dieses Stils sind die eher zurückhaltenderen Weine von der Loire, aber seit einer ganzen Weile schon machen diesem Idealbild die meist etwas offenherzigeren und exotischer wirkenden Sauvignons aus Neuseeland Konkurrenz. Überall auf der Welt tendieren die Weine je nach Standort und Vorstellung der jeweiligen Produzenten mehr in die eine oder andere Richtung. Viele europäische Weinregionen sind dem Loire-Vorbild deutlich näher, auch wenn viele von ihnen, etwa Südtirol oder die Steiermark, nicht zu vergessen das Bordelais, längst einen eigenen Regionalcharakter entwickelt haben. In Deutschland steckt man in dieser Hinsicht zumeist noch in den Kinderschuhen.

 

Der Lesezeitpunkt entscheidet über den Charakter und die aromatische Ausprägung des Weins. (Foto: DWI)

Besonders in der Steiermark und in Kalifornien, aber auch in anderen Weinbauregionen produziert man darüber hinaus ausgesprochen üppigen trockenen Sauvignon aus extrem reifen Trauben. Er gerät auf diese Art schmelzig bis fett und alkoholstark, das Aroma erinnert an sehr reife Birnen und andere, teils auch exotische gelbe Früchte, reife Avocado und manchmal Zuckerschoten. Da Weine dieser Gewichtsklasse zudem meist im kleinen Holzfass ausgebaut werden, kommen Kandisnoten, Röstaromen sowie nussige und buttrige Töne hinzu. Die besten Exemplare dieses Stils können Jahrzehnte reifen. Der Geschmack des Publikums geht in den letzten Jahren jedoch deutlich in Richtung schlankere und elegantere Tropfen, und so nimmt die Zahl der allzu üppigen Weine mit auffälligen Holznoten inzwischen fast überall deutlich ab.

Nicht vergessen wollen wir die edelsüße Variante. Vor allem im Bordelais und dort meist in Verbindung mit Sémillon entstehen mit Sauternes und Barsac in Bestform majestätische und ungeheuer langlebige Dessertweine, die mit ihrer Üppigkeit, ihrer Kraft und der allgegenwärtigen Holzwürze das Vorbild für viele Süßweine der Welt waren und sind. Sie stellen den – gerade als Dessertbegleiter unverzichtbaren – Gegenentwurf zu den in aller Regel weit schlankeren deutschen edelsüßen Hochprädikaten dar.

 

Auch in Deutschland zeigt der Sauvignon seine Vielfalt - vom animierenden Sommerwein bis zum opulenten Essensbegleiter. (Foto: DWI)

Wie schon bemerkt, sind die deutschen Produzenten im Allgemeinen noch ein ganzes Stück davon entfernt, einen klaren Stil zu entwickeln, der idealerweise auch noch die Herkunft der jeweiligen Weine zum Ausdruck bringt. Von unreif-grasig bis zu üppig und holzbetont findet man fast überall jede Variante. Im schlimmsten Fall wirken die Weine reichlich uninspiriert, und nicht selten glaubt man, den Sauvignon einfach genauso limonadig-süßlich ausbauen zu müssen, wie man es auch bei anderen Sorten gewohnt ist. Was bei Traminer oder Scheurebe aber passen mag und beim Riesling vielleicht noch gerade so funktioniert, geht beim Sauvignon meist völlig daneben. In solchen Fällen fragt man sich ernsthaft, wozu es den Sauvignon im Sortiment überhaupt gebraucht hätte.

Überrascht sind wir jedoch immer wieder, wie gut die Weine vielen Erzeugern beständig gelingen – und das quer durch die Spielarten. Offenbar gibt man sich mit dem meist jüngsten Kind im Portfolio besondere Mühe. Anders ist es wohl kaum zu erklären, dass der Sauvignon in so manchem Sortiment die Rieslinge und Burgundersorten bisweilen aussticht. Der Stolz der Produzenten auf diese Kinder schlägt sich allerdings recht oft auch in den Preisen nieder, die mitunter merklich über jenen ungefähr gleichwertiger Weine aus anderen Sorten liegen.

Kein Zweifel besteht jedoch daran, dass der Sauvignon eine Bereicherung für das Rebsortenportfolio in Deutschland darstellt, auch wenn mancher konservative Weinfreund noch unken mag über den nun heimgekehrten verlorenen Sohn. Mit seinem eigenwilligen Aromenspektrum schließt er eine Lücke, welche die Scheurebe, mit der der Sauvignon oft verglichen wird, nicht schließen konnte. Schon heute ist Sauvignon daher ein spannendes Thema, das mit den Jahren nur noch interessanter werden kann.

Zum "BEST OF Sauvignon Blanc Deutschland" (PDF-Dokument)

Alle aktuell verkosteten deutschen Sauvignon Blancs im Weinführer

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