Eine der aufregendsten Küsten der Welt, die Westküste von
Kalifornien - entlang des Pazifiks – wird durch eine berühmte Straße erschlossen, den Highway No. 1. Unterwegs von
Los Angeles nach San Francisco richten sich die Blicke der Touristen fast ausschliesslich nach Westen auf der 756 Kilometer langen schmalen Straße, um möglichst viel von der Küstenlandschaft zu erhaschen.
Wer bei uns von den „Kaliforniern“ spricht, der denkt wohl an das
Napa Valley und die dort beheimateten
Kultweine: „Opus One“, „Screaming Eagle“ „Harlan“, „Maya“, „Dalla Valle“…. und wie sie alle heißen. Dabei werden in diesem weltweit bekannten Tal kaum fünf
Prozent des in
Kalifornien produzierten Weins angebaut. Im benachbarten
Sonoma County wachsen weit mehr
Reben. Von den übrigen vier großen Weinregionen Kaliforniens spricht hierzulande kaum jemand. Von der North und
South Coast zum Beispiel, oder - weiter im Süden, fast an der mexikanischen Grenze – von Temecula. Auch die bei uns so wichtigen Lage- und
Herkunftsbezeichnungen – sie sind im
Weinland Frankreich als
AOC (
Appellation d’Origine Contrôlée) besonders restriktiv – führen in
Nordamerika eher ein Schattendasein. Es gibt zwar seit 1980 auch hier eine
Weinklassifikation, die
AVA („Approved Viticultural Area”), nach französischem Vorbild geschaffen, aber weit liberaler als fast jede andere staatlich überprüften
Herkunftsbezeichnungen.
Dies alles liest sich informativ,
staubtrocken und gar nicht kolumnenlike. Tatsächlich musste auch ich meine Aufgaben machen. Es waren nicht nur Stunden, es waren Tage, an denen ich nachschlagen, nachlesen, recherchieren, googeln musste, um das zu erweitern, was ich bisher von Weinkalifornien wusste: erschreckend wenig, geprägt von der Erfahrung der bei uns üblichen Gastroweine. Etwa so: „Diese sind anständig bis gut, billig, doch sie
schmecken immer gleich!“. Wenn ich dann die Nase ins geleerte Glas stecke, kommt mir meist ein
Duft von
Marmelade entgegen, ein untrügliches Zeichen konzentrierter, im
Weinkeller „gemachter“
Weine. Doch im Gegensatz zu französischen oder gar italienischen Billigweinen konnte ich schon bisher diese Kalifornier sogar trinken, ihnen eine gewisse Qualität zubilligen. „Gut gemacht, aber langweilig!“. An die „andern“ Kalifornier – die kultigen – kam ich bisher kaum
heran: Die großen Namen sind mir zu teuer oder passen ganz einfach nicht in meine Wertordnung. Also klammere ich sie beflissen aus meinen täglichen Weinbegegnungen aus. Sie tauchen für mich bestenfalls in der Werbung auf oder zu horrenden Preisen an
Auktionen.
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Entlang der Pazifikküste% nicht immer ist die Landschaft so freundlich
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Nun aber bin ich in
Kalifornien, unterwegs auf dem Highway Number One, fahre entlang der „Central Coast“ und suche vergeblich nach
Reben. Ich kann es meinen Mitreisenden nicht verargen: sie haben dafür kein Verständnis, ihre Aufmerksamkeit gilt den palmengesäumten Stränden, den tiefen Canyons, den hohen Granitfelsen, den Brandungen, den Haarnadelkurven und den dauernd wechselnden Landschaften. Ich aber suche das Weingebiet der South und North
Central Coast. In dieser Beziehung habe ich Glück: Da die Küstenstraße nur zweispurig ist, von Touristen mit ihren Wohncars überschwemmt und auf uns noch mehr als 6000 Kilometer Weg warten, wechseln wir
rasch einmal auf den Highway 101, die schnellere, gutausgebaute, aber langweilige Route nach San Francisco. Hier liegen – auf beiden Seiten der Strasse – viele
Weinberge der Region. Zum ersten Mal sehe ich kalifornische
Reben,
Rebberge. Und? Nicht viel anders als bei uns – nur weit größer, flächendeckender und uniformer.
Hektarweise Neupflanzungen, immer wieder die markanten Bewässerungstürme mit den verspielten Rädchen und Flügeln und – zu dieser Zeit – große, abgeerntete Felder, zum Teil in verwahrlost erscheinendem Zustand
Nach
Santa Maria bin ich pausenlos mit Fotografieren beschäftigt. Was klickt er da in der Welt herum, meist gar nicht das im Visier, was es da eigentlich zu bestaunen gibt…..? Die Gefahr ist groß, dass diese Kolumne jetzt zum Reisebericht verkommt. Das möchte ich nicht! Die berühmten
Weingüter, die
teuren Weine, die klingenden Namen bekomme ich nicht zu Gesicht. Was ich sehe, erlebe, bildlich festhalte, ist eben das, was ein weininteressierter Tourist auf der unendlich langen Route durch vier amerikanische Staaten im „wilden Westen“ sehen und erleben kann. Und da hat
Wein eindrucksmäßig keinen allzu großen Stellenwert. Er ist zwar wirtschaftlich wichtig, doch im Bewusstsein der Bevölkerung und der Touristen eher ein „Randprodukt“. Für uns Europäer kaum zu glauben. Im riesigen
Bereich „Fastfood“ existiert der
Wein nicht, und selbst im „Hilton“ von
Los Angeles ist die
Weinkarte nicht aufregender und repräsentativer als die in einem kleineren Restaurant bei uns. Im Gegenteil: noch nie habe ich auf einer Reise in Hotels der höheren Touristenklasse so viel schlechte
Weine getrunken wie in
Kalifornien.
Nach der herben Enttäuschung im „Hilton“ von LA wollte ich am ersten Abend in
Santa Maria endlich einen Kalifornier im Glas, einen guten
Wein der Mittelklasse. Dies gelang mir sogar, zum ersten und einzigen Mal für lange Zeit.
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Zwei "echte" Kalifornier - getrunken in zwei unterschiedlichen Restaurants% in Sacramento (Wein links) und Santa Maria (rechts)
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Erst in Sacramento, in einem italienischen Restaurant, schaffte ich es wieder, einen halbwegs „echten“ Kalifornier zum Essen zu bestellen. In
Santa Maria war es ein
Cabernet Sauvignon der Hess Collection Winery, den ich in einer recht dunklen Ecke eines bizarr geschmückten Lokals zu einem T-Bone-Steak
einschenken ließ. Endlich in
Amerika angekommen. So konventionell es auch ist: Steaks liebe ich und der
Cabernet – im Store wohl für 20 Dollar zu kaufen – war durchaus akzeptabel. Immerhin ein
Cabernet mit Charakter, einem kalifornischen Charakter, und der ist ganz anders als das, was ich zum Beispiel aus dem
Bordelais kenne. Den zweiten recht guten
Wein konsumierte ich dann also in einem italienischen Restaurant. Einen
Wein mit einem eher bizarren Namen und einem noch bizarreren
Etikett. Ein
Pinot Noir aus Santa Cruz. Ich hätte den
Wein nie bestellt, doch der charmante Kellner beharrte darauf.
Wer jetzt darauf wartet, dass ich in
Kalifornien „bekehrt“ wurde, fortan nur noch Kalifornier einlagere, den muss ich enttäuschen. Selbst deutsche Anklänge wie Hubers
Dornfelder aus dem
Santa Barbara County – den ich leider nicht verkostet habe – können mich nicht auf die kalifornische Highways der
Weinproduktion locken.
„Highway Number One“ bleibt ein Erlebnis der ungezähmten Natur, nicht des Weins. Selbst die sonnigsten Sandstrände können nicht verbergen, dass das
Wasser im Pazifik kaum mehr als 17
Grad erreicht, auch in der heißesten Periode nicht. Ähnlich geht es mir beim
Wein. Größe und Vielfalt können nicht verbergen, dass nur ganz selten jene Individualität erreicht wird, die ich bei europäischen Weinen so schätze.
Ich habe die Gegenden auf Highways durchrast, die Stores und Restaurants nach mir bekannten Namen durchstöbert und mich schließlich gefreut, dass ich all die Highways hinter mir lassen konnte um jetzt hier in
Europa in aller Ruhe und Besonnenheit ab und zu einen „Kalifornier“ einzuschenken. Nun aber nicht mehr abgelenkt von der Exotik der Landschaft und den legendären Kraftfeldern an der Küste des Pazifik.