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Es klingt wie ein Märchen: Der Weinkönig des Chianti Classico, Marchese Piero Antinori hat drei Töchter, die sich das vinologische Reich des Adelsgeschlechts gerecht untereinander aufteilen. Wie geschickt und einfühlsam sie das Erbe des toskanischen Winzerpioniers fortsetzen, haben Albiera und Allegra Antinori im Wein-Plus-Interview mit Eva Dülligen offen gelegt.

 

Allegra und Albiera Antinori (Foto: E. Dülligen)

Wein-Plus: Frau Antinori, Sie heißen mit Vornamen Albiera, ihre Schwestern Allegra und Alessia. Haben Ihre Eltern das „Triple A“, das von Ratingunternehmen als höchste Bonität für Unternehmen vergeben wird, bei der Namensgebung vor Augen gehabt?

Albiera Antinori: Ein hübscher Gedanke: AAA. Aber nein, es liegen immerhin zehn Jahre zwischen meiner jüngsten Schwester Alessia und mir. Da hätten meine Eltern schon sehr weit im Voraus über unsere Namen nachdenken müssen. Ein Triple A hätte eher bei Drillingen Sinn. (lacht)

Wein-Plus: Wie ist es für Ihren Vater, ein weltweit renommiertes Weingut zu haben, aber keinen direkten männlichen Erbfolger?

Albiera Antinori: Die Zeiten, als mein Vater sich beschweren konnte, keinen männlichen Nachfolger zu haben, sind passé. Er hat es gehofft, aber nicht erwartet. Im Grunde kann er sich glücklich schätzen, dass seine drei Töchter Schlüsselpositionen im Unternehmen übernommen haben. Es waren auch nicht so viele Kinder da, als dass man die Wahl gehabt hätte. Aber Spaß beiseite, mein Vater hat in vielen Bereichen immer noch das letzte Wort, weil er einfach die meiste Erfahrung hat.

 

Weinberge der Tenuta Tignanello (Foto: Antinori)

Wein-Plus: Trotzdem ist die Machtübergabe ans weibliche Geschlecht besiegelt. Sie sind Vizepräsidentin von Antinori, Allegra betreut die gastronomischen Initiativen des Weinhauses, und Alessia führt das familieneigene Schaumwein-Haus Franciacorta. Glück oder Zufall, dass jede von Ihnen ihr Traum-Ressort gefunden hat?

Allegra Antinori: Eindeutig Glück. Wir haben alle unsere Vorlieben. Ich liebe das Marketing und das Reisen. Nicht zu vergessen die italienische Küche. Das alles verbindet sich zum Beispiel in dem von mir betreuten „La Cantinetta Antinori“-Konzept. Das sind vier Osterien in Florenz, Zürich, Wien und Moskau, die einfache italienische Spezialitäten mit der mittleren Range unserer Weine zusammen bringt.

Wein-Plus: Welche Tropfen sind für dieses Gastronomie-Konzept geeignet?

Allegra Antinori: Zum Beispiel der Pèppoli 2010. Mit seinem leicht säurebetonten Stil steht er für die fruchtige Version des Chianti Classico. Ein 90-prozentiger Sangiovese (zehn Prozent Merlot), dessen Frische und Frucht perfekt zur schlanken, einfachen Küche Italiens gehen. Zu viel Farbe, zu viele Aromen wären da völlig fehlplatziert. Und ich finde, die Preis-Leistung mit rund 16 Euro im Endverbrauch stimmt auch.

 

Villa Fonte de Medici in San Casciano Val di Pesa (Foto: Antinori)

Wein-Plus: Worin besteht der Unterschied zwischen der Zusammenarbeit, sagen wir, mit volksnahen Restaurateuren zu der mit der gehobenen Gastro-Szene?

Allegra Antinori: Man hat mehr Freiraum. In der Welt der Spitzengastronomie gibt es sehr eigenwillige Küchen-Maîtres. Auf deren Weinkarten werden ja gewisse Dinge erwartet, auch wenn die Premiumtropfen für mehrere hundert oder tausend Euro eher der Makulatur dienen und seltener geordert werden. Auch in der Sternegastronomie besinnt sich der Gast bei der Weinauswahl verstärkt auf die mittlere Range. Unser Osteria-Konzept ist bodenständig und attraktiv für jene, die zwischendurch erschwingliche toskanische Regionalität auf dem Teller und im Glas haben wollen.

Wein-Plus: Nun ist die Situation in Italien politisch und wirtschaftlich nicht unbedingt die entspannteste. Wie schiebt man in diesem schwierigen Klima neben solchen Konzepten Weine von Antinori noch nach vorne?

Albiera Antinori: Zunächst mal zur politischen Situation: Wir befinden uns in der Tat in einer enormen ökonomischen und strukturellen Krise. Prodi und Berlusconi haben nie im Interesse des Landes gehandelt. Die gesamte Mannschaft im Regierungspalast ist überaltert. Die Minister müssen nur ein paar Monate im Amt sein und bekommen eine fette Pension für den Rest Ihres Lebens. Wir brauchen frischen Wind, einen radikalen Wechsel. Ein Hoffnungsträger wäre zum Beispiel der gemäßigte Linke Mattheo Renzo, amtierender Bürgermeister von Florenz. Unser Land hat so viel Potenzial, eine ausgeprägte Kultur. Wir brauchen Visionen. Und die nächste Generation muss gute Arbeit leisten, wenn sich diese Visionen verwirklichen sollen.

 

Barrique-Keller (Foto: E. Dülligen)

Wein-Plus: Eine Vision, die jetzt schon Wirklichkeit geworden ist, befindet sich unweit von hier in San Casciano Val di Pesa, kurz: bei Florenz.

Albiera Antinori: Oder ganz genau: in unserer Nuova Cantina Antinori. Vor einem Jahr wurde sie eingeweiht, nach sieben Jahren architektonischer Meisterleistung. Sie besteht aus Materialien wie Fliesen, Holz, Corten-Stahl und Glas mit Fokus auf die maximale Schonung der Umwelt und Respekt für die toskanische Landschaft.

Wein-Plus: Die neue Kellerei gilt jetzt schon als Unikum in Italien. Was macht sie außer ihren optischen Reizen und den ökologischen Aspekten noch einzigartig für Italien?

Albiera Antinori: Man könnte das Ganze als önogastronomische Erlebniswelt bezeichnen. Wir zeigen den Besuchern hautnah, was hinter den Antinori-Weinen steht – vom Auditorium, in dem unter anderem Filme über unsere Weinproduktion gezeigt werden, bis zum kellereieigenen Restaurant, wo die Resultate zu regionaler Küche inmitten toskanischer Landschaft in- oder outdoor genossen werden können. Dazwischen liegen ein Museum mit avantgardistischer und antiker Kunst, Verkostungsräume, Barriquekeller und ein Weinshop.

 

Auditorium in der neuen Kellerei (Foto: Antinori)

Wein-Plus: Gibt es bei all den Erfolgen Ihrer über 600 Jahre langen Geschichte in jetziger 26. Winzergeneration auch Niederlagen? Wie läuft es mit dem Sangiovese auf Ihren kalifornischen Weingütern?

Albiera Antinori: Das müssen Sie unseren Weingutsmanager von Tenuta Tignanello fragen. Er hat den Vergleich der Weinberge im Chianti mit denen in Napa Valley letztens noch so treffend auf den Punkt gebracht.

Wein-Plus: Herr Carpaneto, übernehmen Sie.

Stefano Carpaneto: Kalifornien ist schwierig. Der Sangiovese war dort nicht der große Erfolg. Er hat da einfach nicht dieselben Bedingungen wie hier, wird sehr dunkel, vermisst aber letztlich den Charakter, wird zu süß. Unserem kalifornischen Sangiovese fehlt die Balance.

 

Stefano Carpaneto (Foto: E. Dülligen)

Wein-Plus: Woran liegt das genau?

Stefano Carpaneto: Zunächst mal daran, dass Kalifornien zu fette Böden hat. Sangiovese ist eine Art Diva wie der Nebbiolo, braucht kargen, trockenen Boden. Auch das Klima muss trocken sein, und es braucht spürbare Tag-Nacht-Temperaturunterschiede. Das hat Napa Valley auch, aber – und da liegt ein ausschlaggebendes Kriterium – es herrscht ein anderes Licht. Die Intensität ist eine andere. Hier haben wir einen sehr hohen UV-Level, vor allem im Juli und August. Auf kalifornischem Boden funktioniert Cabernet Sauvignon besser. Im Chianti wiederum „sangiovesiert“ der Cabernet, das heißt, er nimmt durch Klima und Boden Züge vom Sangiovese an.

Wein-Plus: Was kommt der klassischen Chianti-Classico-Rebsorte hier noch zugute?

Stefano Carpaneto: Auf dem Weinberg der Kellerei „Tenuta Tignanello“ etwa profitiert der Sangiovese von speziellen, weißen Steinen, die wir mit Bulldozern unter die Böden gehoben haben, um im kühleren Frühjahr Wärme zu konservieren, die Reife zu antizipieren und ihn so zur vollen Reife zu bringen. Dann die hervorragende Exposition nach Süden. Und die Kellerarbeit – um nur einen Aspekt zu nennen – schließt die manuelle Entrappung ein. So sehen wir, wenn die Trauben innen noch grün sind und sortieren sie aus. Das Resultat ist eine unglaubliche Traubenhaut-Balance, die Trauben sind weder zu holzig noch zu tanninig, haben stattdessen eine schöne Mineralität.

 

Herbstliche Weinlandschaft in der Toskana (Foto: E. Dülligen)

Wein-Plus: Frau Antinori, weg von Kalifornien und dem ChiantiChina ist als begehrenswerter Exportmarkt in aller Winzermunde. Hat Ihr Unternehmen ihn auch schon für sich entdeckt?

Albiera Antinori: China ist ein großer Markt und gleichzeitig ein schwarzes Loch. Alles, was dort hingeht, verschwindet darin. Es ist kein traditionelles Wein produzierendes Land. Die Gewohnheiten und Praktiken des Imports und die Art, Wein zu trinken, sind völlig andere im Vergleich zum Rest der Welt. Der Markt für Weinkonsum ist weit davon entfernt, transparent zu sein. Obwohl die Geschwindigkeit, in der der Konsum in China wächst, momentan die höchste der Welt ist, bleiben die Wege, wie der Wein dort verkauft wird, oft dunkel. Abgesehen von den herkömmlichen Kanälen Fachhandel, Internet, Hotels oder Restaurants geht eine Menge Wein an die Volkspartei und an große Konzerne.

Wein-Plus: Liefern Sie denn schon nach China?

Albiera Antinori: Wir waren dieses Jahr auf der Expo in Hongkong. Da haben wir unter anderem einen chinesischen Kunden gewonnen, einen Unternehmer, der seine Firma von 60.000 Mitarbeitern klein fand. Er wollte anfangs 10.000 Flaschen. Wir sagten ihm, dass wir wegen der zugeteilten Kontingente keine 10.000 Flaschen liefern können. Er meinte: „Ich bezahle im Voraus.“ Wir sagten ihm, dass dies keinen Unterschied machen würde. Natürlich ist China mit Millionen von Konsumenten für Antinori ein spannender Handelsplatz. Wir werden 2014 wieder an der Expo dort teilnehmen.

 

Außenansicht der Nuova Cantina Antinori (Foto: Antinori)

Wein-Plus: Vorher geht es aber auf die ProWein. Auf der Düsseldorfer Weinmesse werden Sie gemeinsam mit der Primum Familiae Vini, einem Interessenverband von zwölf Weingütern, dem unter anderem Torres, Vega Sicilia, Egon Müller-Scharzhof und Pol Roger angehören, einen Stand haben. Wie sind die Perspektiven?

Albiera Antinori: Kleine Korrektur: Wir sind momentan elf Mitglieder, „Ocean’s Eleven“ sozusagen. (lacht) Mondavi ist seit 2004, also seit der Übernahme durch Constellation Brands, nicht mehr dabei, weil im PFV nur familiengeführte Betriebe vorgesehen sind. Die Zeichen für die ProWein stehen gut. Wir hatten ja bereits in Hongkong eine Super-Resonanz durch dieses Marketingkonzept.

Wein-Plus: Was macht das Konzept attraktiv?

Albiera Antinori: Der Mix. Weltbekannte Familienweingüter, die unterschiedliche Weinstile aus den besten Weinbauregionen der Welt hervorbringen, präsentieren sich auf einem Messestand. Das Ganze ist gewachsen, nicht mal so eben aus dem Hut gezaubert. Wir treffen uns seit Jahren immer bei einem anderen PFV-Mitglied und diskutieren dann ganz entspannt Wein-Themen. Wir haben alle mehr oder weniger dieselben Probleme und sind stark miteinander verbunden, haben dieselben Distributeure rund um die Welt. Bei solchen Treffen kommen natürlich auch Ideen zustande, wie gemeinsam auf Messen aufzutreten.

 

Fasskeller (Foto: Antinori)

Wein-Plus: Wie erholt sich die Geschäftsfrau Albiera Antinori vom Alltagsstress?

Albiera Antinori: Man kann meinen Job eigentlich kaum vom Vergnügen trennen. Es ist schwer, sich nicht in den Weinbau zu verlieben. Aber manchmal merkt man nicht, wie sehr man im Rausch ist. Und die Gefahr, die Arbeit mit nach Hause, mit in die Familie zu nehmen, ist groß. Um meine Batterien aufzuladen, fahre ich, so oft es geht, in mein zweites Haus nach Bulgarien. Dort habe ich einen „phone doctor“, der die Gespräche annimmt und mir den Rücken frei hält.

Wein-Plus: Sie sind auch leidenschaftliche Reiterin und Pferdezüchterin. Kann ja auch sehr kontemplativ sein...

Albiera Antinori: Ja, Allegra und ich sind Pferdenärrinnen. Die Zucht von Heißblütern habe ich allerdings an den Nagel gehängt, es ist einfach zu kostspielig geworden. Stattdessen züchte ich jetzt eine spezielle Schweinerasse. Für einen sehr speziellen Schinken. Kochen ist ja auch etwas, das viel Entspannung ins Leben bringt.

Wein-Plus: Wir danken Ihnen für das Gespräch.

 

Albiera% Piero% Allegra und Alessia Antinori im neuen Barrique-Keller (Foto: Antinori)

Fakten zu Antinori

Das rund 600 Jahre alte Weinhandelshaus zählt zu den weltweit renommiertesten der Toskana, wenn nicht sogar Italiens. Marchese Piero Antinori hat seit der Übernahme 1966 massiv zum Imagewandel toskanischer Weine beigetragen. Er holte die besten Önologen und französische Reben auf seine Güter, rekultivierte brachliegende Weinberge, initiierte neue Kellerverfahren und instrumentalisierte sein ausgefeiltes Marketing-Talent. So entstaubte er die bis in die 1970er Jahre typische bauchige, mit Bast umwickelte Chianti-Flasche etwa durch die Vermarktung der ersten Super-Toskaner. Gegen das geltende italienische Weingesetz griff er für seinen Rotwein Tignanello auf Rebsorten wie Cabernet Sauvignon, Merlot und Syrah zu und baute ihn – ebenfalls gegen die herrschende Tradition – in französischer Eiche aus. Mit Projekten wie der State-of-the-art-Kellerei „Nuova Cantina Antinori“ oder dem Osteria-Konzept setzen seine Töchter den Pioniergeist des Altmeisters fort.

Das Weingut Antinori Marchesi im Weinführer

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