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Die Sorte Nerello Mascalese ergibt in den Höhen des Ätna Weine ungeahnter Feinheit. Die Vielschichtigkeit und Eleganz der besten Ätna-Gewächse stehen Weinen des Burgunds, des Valtellina, aus Montalcino oder der Langa in nichts nach. Diese Entdeckung ist nicht neu, schon lange sind die Rotweine des Ätna Kennern für ihre Feinheit bekannt. Doch trotz des internationalen Formats der Weine geht es in den Dörfern des Ätna gemächlich zu. Kaum Weintouristen, kein Preistreiben um die Weinberge, sehr wenige gute Restaurants und Hotels, eine nur langsame Zunahme der Zahl der Etiketten.

Eigentlich sollte man mindestens alle zwei Jahre zum Ätna pilgern. Ins Burgund und nach Alba fahren wir schließlich auch regelmäßig. Aber Ätna ist Sizilien, und Sizilien ist selbst von der Toskana aus verflixt weit weg. Mit dem Auto sind es von Florenz bis zum ersten Ätna-Weinberg 1.000 Kilometer, auf dem Schiff von Livorno nach Palermo verliert man gut zwölf Stunden, meist noch mehr. Mit dem Flugzeug geht es zwar schneller, aber dieses Transportmittel ist nicht allen sympathisch, der Mietwagen unvermeidlich, und meist verbringt man die ersten Tage ohne Gepäck. Teuer und zeitaufwendig ist eine Reise zum Ätna so oder so. Nur das ist der Grund, weshalb wir Sizilien nicht häufiger besuchen. Da es nicht nur uns so geht, bleibt es ruhig auf dem Ätna und die Winzerzunft unter sich.

Die weite Landschaft im Norden des Ätna – die besten Lagen befinden sich dort – beeindruckt nicht nur Weinliebhaber. Auf der kurzen Fahrt von Randazzo nach Passopisciaro durchquert die Straße riesige, erkaltete Lavaströme. Es sind schwarze, durch den Flechtenbewuchs ergraute Geröllwüsten. Nichts wächst dort, nur am Rande des erstarrten Stroms stehen Eichen und Mittelmeergestrüpp auf kargem Land zwischen Felsen.
Der Blick hoch zum 3.340 Meter hohen Gipfel ist jedoch beruhigend, oberhalb von vereisten Hängen lässt der Ätna eine friedliche Rauchfahne aufsteigen.

Doch der alte Raucher ist nur scheinbar zahm geworden. Denn wenn ihn die Laune packt, dann veranstaltet er monumentale Feuerwerke. 1981 schickte er einen glühenden Gesteinsstrom bei Randazzo bis hinunter zum Fluss Alcantara. Immer wieder beweist er seine Unberechenbarkeit und explodiert an unerwarteten Stellen, öffnet neue Krater und Schründe, bietet einzigartige pyrotechnische Spektakel, verursacht Angst und Zerstörung.

Beim Schreiben dieser Zeilen erreichte uns eine Mail von einem Südtiroler Freund auf Sizilien-Reise: „Wir waren ganz oben, am höchsten Aussichtspunkt, als die Rauchfahne immer größer wurde und die Führer die Anweisung gaben: Sofort weg hier! Kaum waren wir mit den Unimog-Fahrzeugen an der Bergstation angekommen, gings los: Mehrere Zentimeter große Lavasteine fielen vom Himmel, wie bei einem Hagelgewitter. In kurzer Zeit waren die Schneefelder dunkelgrau, und unten an der Talstation die Autos mit Asche bedeckt.“ Die Sizilianer verstehen es eben, den Touristen etwas zu bieten!

Auch die Weinberge weiter unten – sie reichen bis 1.000 Meter und höher hinauf –, die Häuser und Städte sind nicht sicher. Im Jahr 1669 floss ein Lavastrom mitten durch Catania ins Meer und drängte dieses ein paar hundert Meter weit zurück. 1928 wurde die Stadt Mascali – sie gibt dem Nerello Mascalese den Namen – in Schutt und Asche gelegt. Es gibt kaum eine Ortschaft in der von Lavaflüssen immer wieder umgestalteten Landschaft rund um den Krater, die im Laufe der vergangenen Jahrhunderte nicht zerstört oder bedroht worden wäre.

 

Erst Jahrhunderte nach dem Erkalten der Lava beginnt die Mittelmeerflora sie zu besiedeln. (Foto: Merum)

Je höher die Lage, desto besser der Wein

Doch der Vulkan bringt nicht nur Zerstörung. Die Fruchtbarkeit dessen, was er in seiner Wut aufs Land schleudert, zog schon immer die Menschen an. Im Laufe der Jahrhunderte verwittert die Lava zu schwarzem, an Mineralien reichem Staub. Der Rebstock liebt diese Böden und ergibt hier ganz besondere Weine.

Die besten Weinberge liegen zwischen 600 und 1.000 Meter über dem Meer und manchmal auch höher. Tagsüber heizt die Sonne die Weinberge zwar mit mediterraner Kraft auf, aber nachts sinken die Temperaturen um 20, manchmal sogar bis zu 30 Grad ab: Das sind perfekte Voraussetzungen für feingliedrige Weine.

Als die DOC Etna im Jahr 1968 festgelegt wurde, begrenzte man die Anbauzone nach oben. Der Grund dafür war, dass diese hohen Lagen damals ohnehin nicht mehr bewirtschaftet wurden. Heute jedoch gibt es dort wieder Weinberge, manche davon sind echte Spitzenlagen. Alles jedoch, was höher liegt als die DOC-Begrenzung, muss als IGT oder kann neuerdings auch als DOC Sicilia abgefüllt werden.

Zwei der besten Produzenten besitzen Lagen oberhalb dieser Grenze: Planeta und Passopisciaro. Das ist auch der Grund, weshalb diese Erzeuger ihren Wein nicht als Etna DOC kennzeichnen. Alessio Planeta: „Heute sind unsere Ätna-Weine noch als IGT Sicilia etikettiert, ab 2013 werden die zwei Weine aus den höchsten Lagen als DOC Sicilia, die anderen als Etna DOC auf den Markt kommen.”

Die Winzer würden das Produktionsreglement gerne ändern, denn es ist nicht mehr aktuell, wird Wein doch wieder bis auf 1.300 Meter Höhe angebaut. Doch offenbar ist das kein einfaches Unterfangen. Denn bei jeder Änderung können auch andere Forderungen eingebracht werden. So möchten gewisse Produzenten, jene mit Weinbergen auf geringer Höhe, auch ihren Wein als Etna DOC anerkannt sehen. Doch das wiederum passt den Betrieben in der Höhe nicht, denn je tiefer die Lagen, desto rustikaler und einfacher die Weine. Es ist die Höhe, die aus dem Nerello etwas Großes macht!

Die Italiener wissen zwar genau, dass Appellationen nützlich und notwendig sind, aber lieben tun sie diese – anders als die Franzosen – nicht. Deshalb werden in solchen Situationen spontan auch sezessionistische Stimmen laut. So gibt es hier welche, die eine neue DOC ins Leben rufen möchten: die „Alta Quota“ (hohe Lagen).

Merum meint: eine Schnapsidee! Weshalb nicht Kompromisse machen bei der DOC Etna, die hohen Lagen integrieren, und als Preis dafür auch tiefere akzeptieren? Nach und nach ließe sich eine Lagenklassifizierung einführen, eine offizielle oder eine De-facto-Klassifizierung, vom Markt diktiert. „Ätna“ ist bekannt und beginnt zaghaft, als Weinmarke zu greifen. Jetzt eine Konkurrenz-Appellation zu schaffen, würde nicht nur den ausscherenden Betrieben neue Vermarktungsprobleme bringen, sondern auch für die bestehende DOC Etna eine Schwächung bedeuten.

 

Zum Krater geht's nach links. (Foto: Merum)

Späte Lese, bei schwierigem Klima

Die Hauptanbaugebiete am Ätna liegen im Norden und im Osten des Vulkans. Giuseppe Benanti aus Viagrande: „Während wir hier bereits in der dritten Septemberwoche ernten, beginnt die Weinlese im Norden vier Wochen später.“

Je höher und nordexponierter die Weinberge liegen, desto später kann die Weinlese stattfinden. Im Norden wird Nerello erst um den 25. Oktober bis Mitte November geerntet. Graci: „Im vergangenen Herbst habe ich die letzten Trauben erst am 5. November gelesen und sie waren perfekt. Auf dem Ätna ist die Weinlese immer ein schwieriges Unterfangen, da es im Oktober und November normalerweise viel regnet. Letztes Jahr war es relativ trocken, aber das war die Ausnahme.“

Ganz allgemein gilt: Wenn Trauben bei hohen Temperaturen reifen, dann ergibt das vielleicht gute, aber unvermeidlich Weine mit konfitüriger Frucht, abgebauter Säure, ohne Feinheit. Wenn die Rotweine des Ätna wie die des Burgunds oder des Valtellina diese unvergleichliche Eleganz besitzen, dann verdanken sie dies nicht zuletzt den tiefen Temperaturen während der Ausreife und der Weinlese. Wie früher in der Langa kann es am Ätna vorkommen, dass während der Weinlese Schnee fällt.

Das Klima am Ätna ist niederschlagsreich. Vor allem im Südosten regnet es oft, es fallen hier bis zu zehnmal mehr Niederschläge als im restlichen Sizilien.

In den hohen Weinlagen im Norden des Vulkans verspätet sich nicht nur die Weinlese im Vergleich zu tieferen und wärmeren Lagen. Aufgrund der kürzeren Sonnenscheindauer und des rauheren Klimas verschiebt sich die ganze Vegetationsperiode nach hinten. Das ergibt völlig andere Weine. So erscheinen die Roten von der Nordseite vor allem in ihrer Jugend etwas strenger als die Weine der Ostseite. Sie weisen Ecken und Kanten auf, besitzen energischere Tannine, eine höhere Säure und weniger Farbe, dafür ist ihre Frucht tiefgründiger und die Weine können einzigartig fein sein.

Interessant ist, was Alessio Planeta über den Ablauf der Weinernte auf seinem Betrieb sagt. Planeta besitzt Weinberge im Westen Siziliens (Menfi), im Süden (Vittoria und Noto) und im Nordosten (Ätna und Mamertino). Alessio Planeta: “Unsere Weinlese dauert 90 Tage! Ich beginne Ende August mit den frühreifen Trauben in Menfi und schließe Ende Oktober mit dem Nerello Mascalese auf dem Ätna ab.” Das ist Sizilien! Nicht ein einheitliches Weingebiet, sondern ein kleiner Kontinent mit den unterschiedlichsten Anbaubedingungen – und den unterschiedlichsten Weinen!

 

Nerello-Rebe im schwarzen Vulkanboden. (Foto: Merum)

Laut Produktionsreglement dürfen für den roten Etna DOC bis zu 9.000 Kilo Trauben pro Hektar geerntet werden. Aber das ist gerade in den besten Lagen mit alten Alberello-Weinstöcken Theorie. Alberto Graci erzählt von seinem 2009er: „Da habe ich nur 1.000 Kilo pro Hektar geerntet. Es war ein schwieriges Jahr. Aber der wenige Wein, den wir gemacht haben, war grandios. Es war bis jetzt der eleganteste Wein, den ich je erzeugt habe.“ Das sind 1.000 Flaschen pro Hektar... Wenn die so viel kosten würden, wie sie vom Aufwand her müssten, dann wären sie teurer als die berühmtesten Premiers der Côte de Nuits und die besten Barolo...

Die klassische Reberziehung am Ätna ist der Bäumchenschnitt, in Italien Alberello genannt. Diese Erziehungsform ist in Süditalien, aber auch in Südfrankreich (Gobelet, der französiche Ausdruck) sehr verbreitet, verschwindet jedoch zunehmend, um den pflegeleichteren Drahtrahmen-Formen Platz zu machen.

Die an Kastanienstickeln festgebundenen Rebstöcke stehen einen guten Meter auseinander, damit kommen rund 8.000 Pflanzen auf einen Hektar. Die Bodenbearbeitung erfolgt in flachen Rebgärten mit Kleinmaschinen, im Hang jedoch von Hand mit der Hacke, bergwärts, Rebstock für Rebstock, Meter um Meter...

Große Fässer besser als Barriques

Einmal geerntet, bleibt der Nerello auf dem Weingut Passopisciaro zehn bis 15 Tage auf der Maische. Nach abgeschlossener Gärung wird abgezogen und gepresst. Anschließend kommt der Jungwein in 5.000-Liter-Eichenfässer, wo auch der biologische Säureabbau stattfindet. Weitere gut eineinhalb Jahre im Holzfass dienen dem Ausbau des Weins.

Bei Benanti hingegen bleiben die Rotweine rund 25 Tage auf der Maische. So werden viel Farb- und auch Gerbstoffe extrahiert. Giuseppe Benanti: „Nicht ohne Grund kommen unsere Weine erst nach vier Jahren auf den Markt. Nach der Gärung werden die Weine filtriert und kommen anschließend in Barriques.“ Auch Russo arbeitet mit kleinen Behältnissen: „Aus Platzproblemen verwende ich nur Barriques, aber sobald der neue Keller fertiggestellt ist, werde ich mir große Holzfässer anschaffen.“ Tatsächlich hat uns bei Weinen dieser beiden Produzenten die strenge Holzprägung gestört.

Tenuta di Fessina arbeitet mit verschiedenen, aber meist großen Holzfässern. Es ist eine reine Geschmackssache, welcher ihrer beiden Etna DOC besser gefällt. Sicher ist der Topwein von Fessina, der Musmeci, der reichere, komplexere Wein, für unseren Geschmack aber vor allem in seiner Jugend am Limit mit dem Holz, während der Erste zwar der einfachere Wein, dafür aber ohne jedes Holz und wunderbar fruchtig und trinkig ist.

Ätna-Wein: Für Nachschub ist gesorgt...

Alberto Graci, Vizepräsident des Ätna-Konsortiums: „Die gesamte DOC-Produktion beträgt rund 1,5 Millionen Flaschen. Davon sind eine Million Flaschen roter Etna DOC, der Rest ist weiß.“ Der DOC-Weißwein des Ätna wird aus Carricante-Trauben gekeltert. Eigentlich ist diese Sorte überaus interessant. Allerdings vermögen uns derzeit die weißen Ätna-Weine nicht zu überzeugen, da sie oft zu auffällig von neuem Eichenholz geprägt sind.

Zeichen dafür, dass die Appellation kommerziell noch ganz am Anfang ihrer Karriere steht, lassen sich aus den folgenden Fakten lesen: 3.120 Hektar sind gemäß der Federdoc (Dachverband der italienischen Schutzkonsortien) als DOC-Gebiet zugelassen. In Wirklichkeit wird jedoch nur auf 400 Hektar Etna DOC erzeugt. Während das Konsortium von einer Million Flaschen roten DOC-Weins, also 750.000 Litern spricht, werden laut Federdoc jedoch 1,8 Millionen Liter roter Etna DOC erzeugt. Das bedeutet, dass mehr als die Hälfte des DOC-Weins am Ende nicht abgefüllt, sondern als Tafelwein verkauft wird.

Wieviele Produzenten vom Ätna kennt man? Fünf? Zehn? Giuseppe Russo: „Es gibt rund 60 bei der Handelskammer registrierte Abfüller am Ätna. Vor 15 Jahren waren es vielleicht zehn. Nur wenige der 60 Produzenten sind auch international bekannt. Der Großteil von ihnen verkauft nur lokal oder regional.“ Hinter einer verdienstvollen Vorhut mit zum Teil unvergesslichen Weinen warten in der Anonymität einige Dutzend Winzer, die bei zunehmendem Erfolg der Appellation nachrücken können. Die Zukunft dürfte uns Ätna-Fans also ein immer vielfältigeres Angebot bringen.

 

Aromatische Zitronenschnitten sind auch eine Spezialität Siziliens. (Foto: Merum)

Die Wiederentdeckung der Ätna-Weine

Die Weine des Ätna hatten seit jeher einen guten Absatz. Bei den Weinkellereien in Norditalien und Mitteleuropa bestand nicht nur Bedarf an vollen, fruchtigen Nero d’Avola, sie benötigten für ihre Verschnitte auch Weine mit geringerem Alkoholgehalt und mehr Tannin. Zudem deckten die Ätna-Winzer die Nachfrage der Handelskellereien der nahen Städte am Meer und löschten den Durst der Touristen.

Federico Curtaz (Tenuta di Fessina) weiß: „Im 19. Jahrhundert gab es 50.000 Hektar Rebfläche am Ätna, alles war voller Reben.“ Vincenzo Lo Mauro (Passopisciaro) bestätigt: “Die Hänge des Ätna waren mit Reben übersät, vornehmlich mit Nerello, bis auf 1.300 Metern Höhe. Die Hektarerträge waren enorm, ein Rebstock trug bis zu vier Kilo Trauben.“ Man sagt, dass damals am Ätna über 100 Millionen Liter Wein erzeugt wurden!

„Schon im 19. Jahrhundert“, so Curtaz, „war der Ätna für die sizilianische Weinproduktion von großer Bedeutung. Allerdings wurden die Weine nie als Produktion des Ätna verkauft. Die Weine traten ihre Reise in die große, weite Welt vom Hafen Riposto nördlich von Catania an. Auf den Speditionsdokumenten stand ‚Vino Rosso di Riposto’, von der eigentlichen Herkunft keine Spur.“

Alessio Planeta: „Früher haben die Winzer ihren Wein offen an die nahen Restaurants von Taormina und Catania verkauft. Und wurden dafür gar nicht mal schlecht bezahlt. Die Preise für Offenweine vom Ätna lagen weit über dem Durchschnitt, die Winzer konnten gut davon leben. Hätten sie damals abgefüllt, wäre das für sie nur unnötiger Aufwand gewesen.“

Doch vor rund 30 Jahren brach das Verschnittweingeschäft ein, und auch der lokale Weinkonsum wurde ständig geringer. Lo Mauro (Passopisciaro): „Die Nachfrage nach Offenwein ging rasch zurück. Anstatt ihren Wein aber selbst zu vermarkten, ließen die Winzer die Weinberge verkümmern. Heute gibt es noch rund 3.000 Hektar Wein auf dem Ätna.“ Curtaz: „Mehr als 3.000, 4.000 Hektar gibt es leider nicht mehr. Der größte Teil der Terrassen ist verlassen und verwildert.“

Aber jetzt kommt der Ätna wieder in Mode. Bei einer ganz speziellen Weinliebhaberschaft jedenfalls. Für diese Leute, die ihre weinigen Glücksmomente mit feinen Blauburgundern, Grumello oder Sassella, Ghemme und Gattinara, Grignolino, Nebbiolo oder Barbaresco zu erleben gewohnt sind, ist die Weinwelt dank des Ätna um ein wertvolles Stück größer geworden.

Um die Weine des Ätna machten sich schon vor deren Wiederentdeckung eine kleine Handvoll Betriebe verdient. Zu nennen sind sicher Benanti, Murgo oder Barone di Villagrande. Aber sie galten mehr als statische Geheimtipps denn als Protagonisten einer Entwicklung. In Bewegung gebracht wurde die Sache von den Neuankömmlingen. Allen voran der Besitzer des toskanischen Weingutes Trinoro, Andrea Franchetti (Passopisciaro), der italo-amerikanische Weinbroker Marc de Grazia aus Florenz (Tenuta delle Terre Nere) und Planeta, die hier alle in den vergangenen 15 Jahren Land gekauft haben.

Alessio Planeta: „Die Weinwelt des Ätna brauchte Menschen wie Marc de Grazia und Andrea Franchetti, die von außen das große Potenzial erkannten. Die einheimischen Winzer wurden dadurch wachgerüttelt. De Grazia und Franchetti haben verstanden, dass der Nerello Mascalese auf ähnliche Weise wie ein Nebbiolo oder ein Pinot Noir behandelt werden muss.“

Federico Curtaz (Fessina): „In den letzten paar Jahren hat sich hier einiges getan, viele haben hier investiert, obschon die Weinproduktion am Ätna mit enormen Kosten verbunden ist und die mangelnde Infrastruktur den Winzern zu schaffen macht.“

 

Die Pflege der Reben ist in den historischen Weinbergen nur von Hand möglich. (Foto: Merum)

Alessio Planeta: „Das Leben auf dem Ätna ist noch stark vom landwirtschaftlichen Rhythmus geprägt. Gerade deshalb ist es eine Welt, die mich und auch viele andere fasziniert. Geht man heute in die Bar in Passopisciaro, kannst du alle paar Minuten jemanden treffen, der gerade wegen der Weine hier ist. Das kann ein internationaler Weinjournalist oder Piero Antinori höchstpersönlich sein. Der Ätna zählt momentan zu den gefragtesten Anbaugebieten Italiens. Die Neugier ist groß.“

Vincenzo Lo Mauro (Passopisciaro): „Mit der Ankunft von Franchetti und einigen anderen hat der Norden des Ätna wieder zu leben begonnen. Als er damals hierher kam, gab es noch viel Land zu kaufen, heute findet man nicht mehr so leicht gute Lagen. Viel Land wurde bereits gekauft, und die Eigentümer warten ab, wie sich der Markt entwickelt und ob es sich überhaupt lohnt, weitere Rebberge zu pflanzen. Manche befürchten auch, dass das internationale Ätna-Interesse lediglich eine vorübergehende Mode ist.“

Kompakte Winzerschaft

Alberto Graci: „Dank der guten Stimmung unter den Produzenten ist es gelungen, die Weinwelt relativ schnell für uns zu interessieren. Wir arbeiten gut zusammen, treffen uns regelmäßig, verkosten gemeinsam unsere Weine. Das alles trägt dazu bei, dass das Anbaugebiet wächst. Ich spreche ungern über mein Weingut, sondern ziehe es vor, über das Anbaugebiet Ätna als Ganzes zu sprechen. Und das sehe nicht nur ich so, sondern auch meine Kollegen. Wir sind eine Gruppe von Winzern, die großen Respekt vor dem Terroir haben. Zuerst kommt die Appellation als Ganzes, dann die einzelnen Weingüter. Das ist sehr selten, gerade in Italien, aber meiner Meinung nach der Schlüssel zum Erfolg. Der Zufall hat all diese Menschen hier zusammengeführt, Frank Cornelissen, Marc de Grazia, Andrea Franchetti... Ich kannte vorher keinen von ihnen. Mittlerweile sind wir Freunde geworden und haben gemeinsam diesen Landstrich wieder zum Leben erweckt.“

Salvatore Scilio (Scilio): „Solange die auswärtigen Investoren das Territorium und die Ursprünglichkeit respektieren, sind sie herzlich willkommen. Aber wenn sie nur hierher kommen, um zu spekulieren, kann das zum Problem werden. Glücklicherweise wissen die bisherigen Neuankömmlinge den enormen Wert des Ätna zu schätzen. Auch unser Weingut hat davon profitiert, dass andere Marketing für das Anbaugebiet machen. Bekannte Namen helfen der gesamten Appellation. Toll ist, dass alle Beteiligten hohe Qualitätsziele verfolgen, man findet kaum mehr schlechte Weine.“

Wer den Ätna nicht aus der Nähe kennt, könnte eine Kolonialisierung durch auswärtiges Kapital im Stile der Maremma befürchten. Diese Gefahr besteht nicht! Denn am Ätna besteht die Schwierigkeit von Investitionswilligen darin, überhaupt größere, zusammenhängende Parzellen zu finden. Das Anbaugebiet des Ätna ist stark zerstückelt, so dass es sehr schwierig ist, Weinberge von einem Hektar oder mehr zusammenzubringen. Es ist neben wirtschaftlichem Denken schon eine gute Portion von Idealismus vonnöten, um hier etwas auf die Beine zu stellen.

Das ist eine überaus sympathische Seite des Ätna: Die Produzenten begegnen sich alle auf Augenhöhe, einheimische Winzer und auswärtige Weinunternehmer. Für alle herrschen dieselben Voraussetzungen, es gibt keine großen Weingüter und keine Megakellereien, die Weinlagen sind meist von geringer Dimension, die Reben stehen dicht, eine Mechanisierung ist nur in sehr bescheidenem Umfang möglich, die Produktionskosten sind für alle hoch.

Der zusammenkittende Einfluss der Neuankömmlinge ist erstaunlich und einzigartig. Anders als man vielleicht annehmen könnte, driftete die Winzerschaft aufgrund der aus den unterschiedlichsten Regionen stammenden Investoren nicht auseinander, sondern rückte in den vergangenen Jahren immer mehr zusammen. Beispielhaft ist zum Beispiel die von Andrea Franchetti ins Leben gerufene Veranstaltung „Le Contrade dell’Etna“ zu Ehren des Nerello Mascalese: Ein regelmäßiges Treffen für alle Ätna-Winzer und professionellen Ätna-Freunde im Frühjahr. (Ach, wäre Sizilien nur nicht so weit weg...)

Ungeachtet seiner geographischen Abgelegenheit gehört der Ätna zu den hoffnungsvollsten italienischen Steillagen-Appellationen. Der Aufstieg dieses Anbaugebietes steht noch ganz am Anfang, aber die Voraussetzungen sind perfekt. Zahlreiche, längst aufgegebene Weinparzellen wurden bereits wieder mit neuem Leben erfüllt. Arbeit für die lokale Bevölkerung wird geschaffen, weitere kapitalkräftige Weinunternehmer werden dazukommen, Geld fließt in die Gemeindekassen, das touristische Angebot – Hotels, gute Restaurants – wird ausgebaut werden... Ach, wie wir Sizilien doch ein Montalcino-Phänomen am Ätna gönnen würden!

Geschwind also: Wer den Ätna noch vor dem Boom kennenlernen möchte, müsste sich beeilen...

Dieser Beitrag wurde uns von der Merum-Redaktion zur Verfügung gestellt. Mehr über Merum, die Zeitschrift für Wein und Olivenöl aus Italien, erfahren Sie hier:
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