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Schwarzer Adler in Vogtsburg - ein Paradies für Bordeauxtrinker

Bordeauxfreaks wissen, wovon ich rede. Von einem Restaurant im Badischen, das nicht nur für seine klassische Küche, sondern auch für eine der besten Weinkarten Deutschlands bekannt ist. Weit über 2000 Positionen sind in eng gedruckten Kolonnen verzeichnet, und Inhaber Fritz Keller gilt ebenso als Kenner alles Flüssigen wie sein legendärer Vater, der selige und einst verbissen für den trockenen deutschen Wein kämpfende Franz. Als ich vor mehr als zehn Jahren hier schon mal zum Testen einkehrte, im Auftrag des damals renommierten Restaurantführers Schlemmeratlas, wanderte der Senior von Tisch zu Tisch und schien recht erstaunt, dass ich keine Flasche Bordeaux bestellte. Er könne gern nachschauen, was es im Anbruch gebe, bot er mir mit großer Gastfreundschaft an. Was ich im Hinblick auf die noch vor mir liegende Fahrtstrecke höflich ablehnte. Mehr Médoc, Pomerol und Graves konnte man schon damals nur an wenigen Orten der Republik antreffen, und so günstig kalkulierte vermutlich nicht ein zweites Mal. Reihenweise Cheval Blancs für unter 300 Euro sind auch heute noch verfügbar, diverse Jahrgänge Las Cases für deutlich weniger als 200 – wer große Namen sucht, wird ebenso fündig wie jene Kunden, die einen reifen Wein mit weniger Prominenz schätzen. (Was der mir komplett unbekannte 1967er Château Jacques Blanc zu 57 Euro heute noch an Freude bereitet, weiß ich nicht – aber bei diesem Preis kann man ja einen Versuch wagen.) Zum Glück hat der Schwarze Adler in Vogtsburg-Oberbergen auch eine Sommelière, die etwas taugt: Melanie Wagner kennt wohl nicht jeden Wein jedes Jahrgangs – wie sollte sie? – aus dem immensen Felsenkeller, hat aber für alle Bedürfnisse das Passende im Kopf. Was sie mir empfahl, aus der Kategorie der gerade noch bezahlbaren und etwas reiferen Tropfen, entpuppte sich als 1970er Pape-Clément, der am Beistelltisch fachgerecht entkorkt wurde.

Der Autor beim Verkosten

Genau in diesem Moment, in dem sich der Korkenzieher wieder aus dem Dichtmaterial drehte, fiel mir ein, aus welchem Grunde ich überhaupt an den Kaiserstuhl gekommen war. Es ging nur am Rande um den Adler, es ging im Wesentlichen um Korken. Genauer gesagt: Um Korken, die nicht aus Kork bestehen. Für den folgenden Vormittag hatte eine Presseagentur zur Verkostung im Weingut Schätzle geladen, ein paar Kilometer vom Schwarzen Adler entfernt. Leopold Schätzle senior ist nämlich, ebenso wie sein Sohn Leopold Schätze junior, ein Verfechter dessen, was die Laien als Plastikkorken bezeichnen und die Experten als synthetische Verschlüsse. Nicht dass er alle Weine komplett mit diesen Zapfen verschließen würde, aber er nutzt Nomacorc für Weiß- wie für Rotweine, selbst für edelsüße Spitzen. An den Kunstkorken könnte etwas dran sein, blitzte es mir in jenem Moment durchs Hirn, als ich den Echtkorken des soeben geöffneten 1970er Bordeaux betrachtete. Der war nämlich nicht nur ziemlich leicht aus der Flasche geflutscht, er wirkte auch reichlich mürbe. Kein allzu gutes Zeichen, und ich begann mir schon Sorgen zu machen, ob ich nicht sicherheitshalber einen jugendlichen Grauburgunder aus dem Kellerschen Weingut bestellen und den Rotwein zurückweisen sollte. Aber dann entspannte sich das Gesicht der vorkostenden Sommelière, mein Probeschluck brachte finale Entwarnung: Der Pape-Clément zeigte sich in bester Verfassung, wirkte einige Jahre jünger, als das Etikett bewies, und machte den altersschwachen Korken vergessen. Auch ein schlechter Zapfen kann einen exzellenten Wein beschützen; der Abend wurde zum kulinarischen Erlebnis.

Schätzle-Flaschen ohne Naturkork

Am nächsten Morgen richteten sich dann meine Augen auf jene Flaschen, die im Weingut Schätzle in Endingen vorbereitet waren. Der Seniorwinzer, ein Plauderer vor dem Herrn, erläuterte den Aufstieg des Weinguts vom Kleinstbetrieb zu einem der erfolgreichsten Unternehmen am Kaiserstuhl. Ohne Mut wäre dies nicht geglückt, und Mut bewies Schätzle auch in Verschlussfragen. Vor zehn Jahren scheuten viele Erzeuger ja noch jedweden Alternativstöpsel wie der Teufel das sprichwörtliche Weihwasser. Gerüchte über Fehltöne bei Kunststoff lagen damals in der Luft, und obwohl viele Weingüter mit der Naturkorkenqualität unzufrieden waren, wagten nur wenige eine Lösung nach Schätzle-Art. Nun sind die Grauburgunder des Hauses eher weniger für zehn Jahre andauernde Reifung ausgelegt, und auch die meisten Spätburgunder dürften in jüngerem Zustand getrunken werden. Allzu erwartungsfroh war ich also nicht, als ich eintraf im Weingut, als sich der Winzer ans Öffnen der Flaschen machte. Doch dann war die Freude deutlich, die Überraschung eindrücklich. Keiner der mit Nomacorc-Verschlüssen abgefüllten Weine wies Reifenoten auf, die vom regulären Zustand der Weine abzuweichen schienen. Dass der 2004er Grauburgunder leicht gezehrt wirkte und dezent nach Kaffee duftete, verwunderte nicht, und auch der reife 2002er Weißburgunder – recht dunkle Farbe, Nachgeschmack nach Tabak und etwas Honig – dürfte mit Natur- statt mit Kunststoffkorken verschlossen nicht anders geschmeckt und gerochen haben. Den direkten Vergleich zwischen dem klassischen und dem neuen Verschluss hatte ich leider nur bei einem einzigen Wein. Der 2008er Spätburgunder aus der Lage Hecklinger Burg Lichteneck wirkte, versiegelt mit Kork, signifikant reifer als der im Nachbarglas schwappende Wein, dessen Behältnis mit Synthetikverschluss versehen war. Hier leicht gereifte Frucht mit Beeren- und Gewürznoten sowie cremigen Anklängen (Kork), dort kühle, jugendliche Frucht, klarer, eindeutiger (Kunststoff). Ob dies nur ein Zufallsergebnis war, oder ob man daraus eine Regel ableiten kann, lässt sich aufgrund des dünnen Datenmaterials nicht endgültig sagen. Einen kleinen Hinweis darauf, dass der schlechte Ruf des Kunststoffverschlusses nicht ganz der Realität entspricht, gab diese Probe aber gewiss; die auch von Journalisten oft kolportierte Regel, dass derartige Flaschen immer binnen zwei oder drei Jahren geleert werden müssen, entspricht sicher nicht der Wahrheit – zumal die vor einer Dekade verwendeten Pfropfen längst durch verbesserte Sorten ersetzt wurden.

Bordeaux ohne Ende im Schwarzen Adler

Den Rest vom 1970er Pape-Clément habe ich übrigens am Abend nach der Schätzle-Verkostung genossen, leider nicht mehr im Schwarzen Adler, sondern zu Hause. Der Wein hatte, sorgfältig mit einem neuen Korken verstöpselt, etwas an Frucht und Frische verloren, machte aber immer noch sehr viel Spaß. Nur auf das Essen aus einem der sympathischsten Gasthäuser Deutschlands musste ich am heimischen Küchentisch verzichten. Vom Rehrücken mit Lebkuchen, von der Gänseleber mit Gewürztraminergelee oder von der getrüffelten Poularde in der Blase – nur auf Vorbestellung erhältlich – konnte ich bloß träumen. Wenn ich das nächste Mal das Glück habe, im Adler von Oberbergen einzukehren, bestelle ich vielleicht sogar eine 69er Comtesse oder spare auf etwas Zweitklassifiziertes aus Vorkriegsjahren. Um den Korken mache ich mir dann keine Sorgen: Ich bin mir sicher, dass Sommelière Melanie Wagner keine Sekunde zögern wird, beim kleinsten Anflug von Fehltönen die Flasche gegen eine bessere auszutauschen. An Nachschub wird es hier so schnell nicht mangeln. Und irgendwie passen Kunststoffkorken ja nicht so recht ins gediegene Ambiente dieses Restaurants: Franz Keller hätte sich, so vermute ich mal, mit Grausen abgewendet.

Schwarzer Adler, Badbergstraße 23, 79235 Vogtsburg-Oberbergen, Tel. 07662/933010, www.franz-keller.de, keller@franz-keller.de

Weingut Leopold Schätzle, Wilhelmshöfe 1, 79346 Endingen, Tel. 07642/3361, www.schaetzle-weingut.de, leopold@schaetzle-weingut.de

Alle Fotos (W.Faßbender)

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